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Wout van Aert triumphiert nach Regenrennen auf den Champs Elysées

© Visma Lease A Bike

Die Tour de France 2025 endet in Paris mit belgischem Überraschungssieg auf der Schluss-Etappe. Etappensieg für Wout van Aert. Die meisten Tagessiege bei der diesjährigen Tour de France gingen an belgische Fahrer.

Von Thomas A. Friedrich

 

Er schaut sich immer wieder um auf den letzten drei Kilometern vor der Ziellinie auf den Champs Elysées. Nach der dritten Umrundung des Sacré Coeur Hügels durch die engen Gassen des Montmartre hinauf und der steilen Abfahrt hinunter zu den letzten Kilometern auf den Champs Elysées gelingt es Wout van Aert, sich aus der Fünfergruppe des dreifachen Toursiegers Tadej Pogačar zu lösen.

Er kann es bis zuletzt kaum glauben, dass aus der Spitzengruppe vor allem Pogacar nicht mehr zu ihm aufschließt. Mit einem Vorsprung von 7 Sekunden rollt Wout van Aert mit erhobenen Händen auf der regennassen Fahrbahn über die Zielmarkierung. In seiner bisherigen Straßenradfahrer-Karriere erzielte der in Herentals geborene Aert damit seinen 10. Etappensieg bei der Tour de France seit 2019.

Mit einem fulminanten Antritt 6,5 Kilometer vor dem Ziel der 131 Kilometer langen Schlussetappe hatte van Aert seinen Sieg auf der historisch einmaligen Strecke über den Montmartre eingeleitet. Neun Etappensiege bei der Tour hatte der Belgier vom Team Visma-Lease A Bike in seiner Karriere schon eingefahren, an diesem Sonntag gelang ihm sein zehnter. Bereits 2021 gewann er in Paris, damals im klassischen Massensprint. Dem Triumph 2025 in Paris gebührt ein Ehrenplatz in seiner Laufbahn.

Ein Sieg auf den Champs Elysées bleibt immer unvergesslich“

“Es war unglaublich, ein wirklich besonderer Tag. Ein erneuter Sieg auf den Champs-Élysées ist immer unvergesslich, und dieses Mal, mit dem Anstieg zum Montmartre, war es sogar noch einzigartiger. Der Regen machte die Sache ziemlich schwierig, aber ich habe es geschafft, dank der uneingeschränkten Unterstützung meiner Teamkollegen, dranzubleiben. Sie haben unzählige Male an mich geglaubt, und heute haben sie mich bis zur Ziellinie gebracht. Das war unser Plan, und wir haben ihn umgesetzt”, erzählte van Aert vor TV-Kameras am Sonntag nach seinem Zieleinlauf überglücklich.

Sechs Tagessiege für belgische Fahrer

Die Erfolgsbilanz der belgischen Tour-Teilnehmer ist gemischt. 29 Fahrer waren am Start (nur Frankreich stellte mit 37 noch mehr), verteilt auf 12 Teams. In keinem der Klassements schaffte es ein Belgier auf das Podium. Vor der Tour hatte man Jasper Philipsen (für das grüne Trikot des Punktbesten) und Remco Evenepoel (für das weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers und auch für das Gesamtklassement) durchaus Chancen eingeräumt. Philipsen schied nach seinem Auftaktsieg in Lille schon auf der zweiten Etappe verletzt aus. Evenepoel gewann das erste Zeitfahren in Caen, stieg aber nach den schweren Bergetappen in den Pyrenäen als Träger des weißen Trikots und Gesamtdritter erschöpft vom Rad. Damit machte er den Weg frei für Florian Lipowitz vom deutschen Rennstall Red Bull Bora-Hansgrohe.

Die Qualität des belgischen Radsports wird aber daran deutlich, dass belgische Fahrer insgesamt sechs Tagessiege einfahren konnten, so viele wie kein anderes Land. Neben van Aert konnten sich Philipsen, Tim Merlier (zweimal), Evenepoel und Tim Wellens in die Siegerlisten eintragen.

Vom jugendlichen Crossfahrer zum Etappensieger der Tour de France

Wout van Aert fuhr schon im Alter von acht Jahren sein erstes Radrennen. Mit 16 Jahren bestritt der Sohn niederländischer Eltern sein erstes Cyclocross-Rennen in der Juniorenklasse. Im Jahre 2015 wurde er erstmals Cyclocross-Weltmeister und verteidigte den Titel dreifach.

Zurück zum klassischen Straßenrennen fand er als 21jähriger. Im Jahre 2016 gewann er den Prolog der Belgien-Rundfahrt und belegte den achten Gesamtrang. Nach jahrelangen Schlamm- und Regenregen auf allen namhaften Cross-Strecken in der Welt stellte er damit seine Fähigkeiten auch auf Kopfsteinpflaster in Flandern und namhaften europäischen Asphaltstrecken unter Beweis.

In der Königsklasse der Tour der France erzielt van Aert 2019 den ersten Etappensieg

Bei der Tour de France 2019 positionierte er auf der ersten Etappe seinen Teamkollegen Meike Teunissen, nachdem mit Dylan Groenewegen  – der eigentliche Sprinter der Mannschaft – kurz vor dem Ziel stürzte und ausschied. Mike Teunissen gewann die Etappe und holte das Gelbe Trikot. Wout van Aert überquerte den Zielstrich als 16.

Tags drauf gewann das Team Jumbo-Visma, bei dem van Aert unter Vertrag stand, das Mannschaftszeitfahren der 2. Etappe. Wout van Aert übernahm damit die Führung in der Nachwuchswertung. Als Gesamtzweiter verteidigte er das Weiße Trikot bis zur ersten  Bergankunft  auf der 6. Etappe.

Nachdem Dylan Groenewegen im Seitenwind der 10. Etappe abgehängt worden war, unterstütze das Team den Zielsprint für Wout van Aert. Er setze sich im Finish gegen Elia Viviani und Caleb Ewan erfolgreich durch und feierte so seinen ersten Etappensieg bei der Tour.

Drei Tage später kollidierte Wout van Aert im Einzelzeitfahren von Pau in einer Rechtskurve mit dem Absperrgitter und zog sich eine tiefe Fleischwunde am rechten Oberschenkel zu. Die rund einstündige Operation verlief nur bedingt erfolgreich, und die weitere Karriere des Radprofis stand auf der Kippe. In einem Interview erklärte Wout van Aert, dass die Verletzungen beinahe zu seinem Karriereende geführt hätten. „Die Operation ist nicht nach Wunsch verlaufen“, sagte er damals enttäuscht, aber er kämpfte sich durch eisernes Training wieder zurück in den Olymp des europäischen Radrenngeschehens.

Gelungenes Come-Back mit Sieg bei Mailand-Sanremo 2020

Nach seiner Genesung gab Wout van Aert sein Comeback am 27. Dezember 2019 und stieg zunächst wieder als Cross-Fahrer in den Sattel. Er bestritt sieben Cyclocross-Rennen in der Saison 2020 und gewann den Krawatencross, der zum Abschluss der DVV Trofee am 8. Februar 2020 gefahren wurde. Bei den Cyclocross-Weltmeisterschaften verpasste er als Vierter jedoch erstmals in seiner Karriere knapp einen Medaillenrang.

Auf der Straße bestritt Wout van Aert im Frühjahr mit dem Omloop Het Nieuwsblad nur ein Rennen, bevor die COVID-19-Pandemie den Touren-Fahrplan bei den meisten großen Rennen zunichte machte. Am 1. August gewann der zwischenzeitlich 25-jährige Belgier die Strade Bianche in Italien, indem er sich rund 13 Kilometer vor dem Ziel im letzten Schotter-Abschnitt als erfahrener Cross-Fahrer erfolgreich allein abgesetzt hatte.

Nach Platz drei bei MailandTurin folgte sein erster großer Sieg bei einer der Klassiker des internationalen Rennsports auf der Strecke MailandSanremo. Dabei ließ er im Zweiersprint im Finish den Franzosen Julian Alaphilippe hinter sich.

Im Vorfeld der Tour de France 2020 verteidigte er seinen belgischen Titel im Einzelzeitfahren. Bei der Frankreich-Rundfahrt erzielte Wout van Aert Etappensiege im Massensprint am 5. und 7. Tourtag.

2024 das Jahr der Stürze und schweren Verletzungen

In der Cyclocross-Saison 2023/2024 bestritt Wout van Aert neun Wettkämpfe, wobei er drei Rennen gewinnen konnte. Gegenüber seinem niederländischen Kontrahenten Mathieu van der Poel hatte er jedoch meist das Nachsehen und konnte diesen nur bei der letzten Station des Weltcups in Benidorm besiegen, nachdem dieser in der vorletzten Runde gestürzt war.

Seinen ersten Saisonsieg auf der Straße sicherte sich Wout van Aert im Februar bei der Algarve-Rundfahrt. Im Anschluss platziert er am Opening Weekend in Belgien als Dritter und gewann tags darauf  Omloop Het Nieuwsblad gefolgt vom Sieg der Rundfahrt Kuurne–Brüssel–Kuurne.

Im März 2024 zog sich van Aert beim Rennen Dwars door Vlaanderen 2024 bei einen folgenschweren Sturz Schlüsselbein- sowie mehrere Rippenbrüche zu. Die schweren Verletzungen verhinderten seine weitere Teilnahme an der Klassikersaison und am Giro d’Italia.

Bei Sommerolympiade 2024 schnuppert der Belgier Pariser Siegesluft

Zwei Monate später im Mai kehrte Wout van Aert bei der Tour of Norway ins Fahrerfeld zurück und ging auch bei der Tour de France 2024 wieder an den Start. Dabei zeichnete er sich vor allem als Helfer von Jonas Vingegaard aus. In den Sprintetappen erzielte er mehrere vordere Plätze, aber keinen Sieg. Sechs Tage nach der Tour de France nahm van Aert am Einzelzeitfahren der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris teil und gewann die Bronzemedaille. Er musste sich lediglich dem Sieger Remco Evenepoel und Filippo Ganna geschlagen geben.

Der historische Sieg von Wout van Aert in Paris bei der Tour 2025 an diesem Sonntag krönt seine bisherige Laufbahn. Und die Brüsseler Nahverkehrsgesellschaft STIB/MIBV benennt spontan ihre wichtigste Station um: statt Arts – Loi jetzt van Aert – Loi.

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