Von Heide Newson
Wer an Belgien denkt, hat schnell das pulsierende Brüssel oder das modische Antwerpen vor Augen. Dabei übersieht man oft, dass sich zwischen diesen beiden Metropolen ein wahres Juwel befindet, nämlich Mechelen. Diese geschichtsträchtige Stadt ist wirklich sehenswert, großartig in ihrer Bescheidenheit und wert, (wieder) entdeckt zu werden.
Genau das machte ich am 14. April, einem Sonntag, um den Wiener Frühling in Mechelen zu erleben. Von Freundinnen hatte ich von dem Frühlingskonzert „Frühling in Wien“ mit dem Theophil Ensemble Wien gehört, das von der Österreich-Vereinigung Servus alljährlich organisiert wird. Auf dem Programm standen Melodien der Strauß-Dynastie, von Franz Léhar, Emmerich Kalmán und Robert Stolz unter der Leitung von Matthias Schorn mit der Sopranistin Theresa Grabner, was alles ganz meinem musikalischen Geschmack entsprach. Ich bestellte zwei Konzertkarten telefonisch, und hatte eine reizende Flämin am Telefon, die nicht nur perfekt Deutsch, sondern auch Englisch sprach, und mir nach der Überweisung von 70 Euro die Eintrittskarten online mit einem lieben Gruß zuschickte. Mit diesen ging´s mit Ehemann nach Mechelen.
Die Sonne begleitete uns auf der Fahrt von Brüssel über die Autobahn zu unserem Ziel. Vor 14 Uhr befand ich mich auf dem „Grote Markt“, und bestaunte die imposante Kathedrale Sint Rombouts, die sich stolz über die Stadt erhebt und mich immer wieder auf neue fasziniert. Vor etlichen Jahren war ich dort sogar mal die vielen Stufen hinauf gekraxelt, was ich trotz der magischen Aussicht, die sogar bis Brüssel und Antwerpen reicht, am heutigen Tag nicht gerade wiederholen wollte. Unser Ziel war ja auch nicht die Besteigung dieser geschichtsträchtigen Ikone, deren Bau bereits im 13. Jahrhundert begonnen hatte, sondern die Stadsschouwburg in der Keizerstraat 3. Aber wo befand sich diese? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Und da ich bei „Google Map“ stets total versage, fragte ich einen Einheimischen, der uns freundlicherweise anstatt einer Wegerklärung gleich zu dem imposanten Gebäude führte.
Obwohl er der einzige Flame war, der an diesem Tag weder Deutsch noch Englisch mit uns sprach, kam ich mit einigen Brocken Flämisch blendend mit ihm klar. Als ich dann auch noch „mooi“ sagte, als wir vor der Stadsschouwburg standen, waren freundschaftliche Bande besiegelt. Und das war nur der Anfang der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Einheimischen, denen ich überall in Mechelen begegnete. So erinnerte sich die Kartenverkäuferin direkt an unser Telefongespräch und plauderte mit mir auf Deutsch und mit meinem Mann, einem Engländer, in der Sprache von Shakespeare, als wären wir alte Bekannte. Beim Betrachten der Stadsschouwburg kam ich aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. So ein uriges, prachtvolles, anheimelndes Theater hatte ich nicht erwartet. Bislang kannte ich von Mechelen nur den Großen Markt, die Kathedrale und einige gute Restaurants. Aber zu meinem Glück hatte ich einen fachkundigen Flamen neben mir sitzen, der mir freudestrahlend erklärte, dass die Errichtung dieses Juwels auf das Jahr 1480 zurückgehe. Die Eingangshalle von „Margaret of York`s Palace“ sei Anfang des 17. Jahrhunderts in ein Theater umgewandelt worden. Gerne hätte er mir noch mehr über diese Margaret erzählt, die mir in meiner historischen Unkenntnis überhaupt nichts sagte, mich aber interessierte, was aber wegen des Starts der Aufführung pünktlich um 14.30 nicht möglich war.
Und alle Konzertteilnehmer waren bezaubert von den Melodien, die dann erklangen, und in einem perfekten Ambiente zum Träumen einluden. Was für ein erstklassiges Orchester, was für eine begnadete Sängerin, was für herausragende Kompositionen vom Walzerkönig Johann Strauß, von Kalmán und Stolz – so die Begeisterung des überwiegend flämischen Publikums. „Das war ein musikalisches Erlebnis von Weltklasse, dass wir so etwas hier in Mechelen erleben können, ist wirklich einzigartig,“ so mein begeisterter Sitznachbar. Und nicht nur er war beeindruckt von diesem hochwertigen Konzert. Voller Hochachtung vor einer grandiosen Darbietung sprangen alle Besucher, ob alt oder jung, aus den 400 belegten Sitzen auf, und zollten den Musikern Beifall ohne Ende. Belohnt wurden sie mit zwei Zugaben. Und als dann ganz zum Schluss „Wien, Wien, nur du allein sollst stets die Stadt meiner Träume sein” erklang, hatte wohl jeder Sehnsucht nach dem schönen Wien. “Ich war früher oft dort und jetzt nach diesem Konzert habe ich Heimweh nach dieser wunderschönen Stadt, leider komme ich aus gesundheitlichen Gründen dort wohl nicht mehr hin,“ so eine nette Dame aus Mechelen, die mich für eine Österreicherin hielt. Und dass die Chemie zwischen den Einwohnern Mechelens nicht nur zu Wien, sondern gesamt Österreich stimmt, hat wohl auch etwas mit Margarete von Österreich zu tun, die von 1507 bis 1530 die Statthalterin der Hasburgischen Niederlande war. Ihr Palais war der Hof von Savoyen, deren Fassade und grüne Innenhof von Besuchern noch immer bewundert werden. Unter Margarete wurde Mechelen zum geistigen und kulturellen Zentrum der Niederlande. Aber um so tief in die Geschichte Mechelens einzusteigen, bleibt uns nach dem Konzert keine Zeit. Wir nehmen uns jedoch Zeit für einen Aperitif, den wir inmitten der sympathischen Flamen im Zentrum mit Blick auf meine geliebte Kathedrale einnehmen. Und dann geht´s zurück nach Brüssel, aus einer ganz anderen Welt, die nur 35 km von meiner Haustür entfernt liegt.
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