Dass es im Brüsseler Europaviertel rund um den Platz Schuman nicht gerade belgisch zugeht ist bekannt. Kein Wunder, dass es dort beim WM-Fußballspiel Belgien gegen USA nicht hoch herging. Belgier waren nicht da, dafür aber halbherzige Fans aus Europa. Ein Stimmungsbericht von Rainer Lütkehus, der in dem Viertel lebt.
Es ist 21 Uhr 40. Im deutschen Restaurant Maxburg sind wenige Gäste: ein Paar speist an einem Tisch, drei Stammgäste stehen an der Theke. Hier war ein Tag vorher noch die Hölle los gewesen, als die deutsche Mannschaft auch gegen die der USA spielte und erst in der Verlängerung, wie die belgische, 2:1 gewann.
Ich entschließe mich, fünfzig Meter weiter in die irische Bar „Kitty o‘ Sears“ zu gehen, die gleich gegenüber dem Berlaymont-Gebäude, der Zentrale der EU-Kommission, liegt. Dort haben sich an die 50 Gäste eingefunden. Ich bestelle für 3,80 Euro an der Theke ein belgisches Abteibier. Der Barmann, der es mir reicht, hat seinen Kahlkopf mit drei Strichen, den belgischen Nationalfarben „schwarz-gelb-rot“ verziert. Ein anderer Barmann hat einen Hut mit Federn derselben Farben auf.
Es ist kurz vor 22 Uhr. Man hört die belgische Nationalhymne. Der Raum füllt sich. Es kommen ein paar Leute, umhangen mit einer Belgien-Fahne, auf der die Werbung einer wallonischen Biermarke erkennbar ist. Kein Sitzplatz ist mehr frei. Ich muss stehen. Von draußen holen Gäste Stühle herein. Neben mir zwei Skandinavier, die wie ich später herausfinden werde, aus Norwegen kommen und für zwei Tage beruflich in Brüssel sind. Gegenüber von mir ein älteres Paar direkt unter einem Screen, von denen es in der Bar fünf gibt. Sie unterhalten sich und schenken dem gerade angepfiffenen Spiel keine Aufmerksamkeit. Auch den weiteren Verlauf verfolgen sie mit Desinteresse. Eine junge Frau nicht weit von mir schenkt dem Spiel auch keine Beachtung. Sie ist mit ihrem Handy beschäftigt und scrollt ihre eingegangenen Nachrichten ab.
Es gibt ein paar Aufschreie, als die Amerikaner und Belgier während der ersten Halbzeit Torchancen haben. In der (Raucher)-Pause, es steht 0:0, lerne ich draußen einen der zwei Norweger kennen, die neben mir saßen. Er sagt mir, dass er gern in Brüssel leben würde, obwohl es bei ihm zuhause, in der Umgebung von Oslo, eigentlich schöner sei. Ich verstehe nicht, warum er nicht bis zuletzt geblieben ist. Um null Uhr geht er, obwohl das Spiel in die Verlängerung geht. „Ich muss morgen um neun aufstehen“.
Während der Pause spreche ich mit einem verliebten Paar, das offensichtlich dafür ist, dass Belgien das Spiel gewinnt. Sie hat einen Kranz mit den belgischen Farben auf, er eine Perücke mit denselben. Ich frage die junge Dame, die irgendwie asiatisch wirkt, woher sie komme. „Dreimal darfst du raten. Wenn du es nicht errätst, zahlst du mir einen Drink“. Ich stimme zu und verliere. Sie kommt aus Lettland. Ihr Freund verrät mir, ohne dass ich wetten muss, dass er die italienische und die amerikanische Staatsbürgerschaft besäße. Interesse an dem Spiel bemerke ich an ihm nicht.
Das Spiel war spannend, und immerhin gewannen die Belgier 2:1. Aber keiner der Zuschauer war mit Herzen dabei. Bestimmt war es woanders in Belgien anders.
Rainer Lütkehus
Da hätten Sie eben ins “Maison haute”, Ecke Avenue Georges Henry / Rue Pont Levis, gehen müssen. Dort treffen sich die Supporteure der Roten Teufel. Eine 100 Jahre alte Kneipe (Taverne), eben typisch für das Land.