Belgien, Politik, Wirtschaft

Weiterhin Unsicherheit über Belgiens Atomausstieg

 

Von Rainer Lütkehus.

Nachdem die belgische Regierung derzeit schon genug Probleme mit Umweltgenehmigungen für neue Gaskraftwerke und den hohen Energiepreisen hat, sorgt jetzt ein Bericht der belgischen Atomaufsichtsbehörde für Aufsehen. Die Föderalagentur für Nuklearkontrolle (FANK) hält einen längeren Betrieb der Atommeiler Doel 4 und Tihange 3 für möglich, wenn diese nachgerüstet werden. Der Bericht war von der belgischen Regierung kurz vor Weihnachten in Auftrag gegeben worden. Er wird Auswirkungen auf die für den 18. März anstehende Entscheidung der Regierung haben, ob der seit vielen Jahren geplante vollständige Atomausstieg bis 2025 wirklich vollzogen wird. Die Regierungskoalition ist sich in dieser Frage nicht einig.

Doel 4 und Tihange 3 könnten weiterlaufen, so die Sprecherin der belgischen Atomaufsichtsbehörde Ines Venneman, allerdings nur mit Nachrüstungen, mit denen die Reaktoren auf den aktuellen Stand der nuklearen Sicherheit gebracht werden. Bei zwei jüngsten der insgesamt sieben Meiler des Königreichs, Doel 4 und Tihange 3, sei die Nachrüstung am einfachsten. Denn bei ihrem Bau galten schon strengere Sicherheitsauflagen als bei ihren Vorgängern. Es handle sich aber um bedeutsame Updates, die auch Zeit in Anspruch nehmen würden. Wenn die Regierung die Versorgungssicherheit ab dem Winter 2025 garantieren wolle und dafür Kernkraft gebraucht werde, dann müssten unbedingt vorher die wichtigsten dieser Arbeiten ausgeführt werden. Andere könnten hingegen auch nach 2025 erfolgen.

Ausschlaggebend ist, ob AKW-Betreiber Engie-Electrabel für eine Laufzeitverlängerung seiner beiden Meiler bereit ist. Der Konzern hatte angekündigt, auf Kernkraft in Belgien verzichten zu wollen und hier zumindest nichts mehr zu investieren, so lange die Politik dazu keine klare Entscheidung fällt und nicht feststeht, woher das Geld kommen soll, das zu einem sicheren Weiterbetrieb der Meiler investiert werden muss.

Neue Taxonomie-Verordnung hilft Atomkraftbefürwortern

Die Atomkraftunterstützer in der belgischen Regierung sind nicht nur für die Laufzeitverlängerung alter Meiler, sondern auch für den Bau neuer. Ermutigt fühlen sie sich durch die neue Taxonomie-Verordnung der EU, in der neue Gaskraftwerke und neue AKWs als nicht klimaschädlich eingestuft werden und die die EU-Kommission demnächst offiziell vorstellen wird. So haben die flämischen Christdemokraten im belgischen Parlament einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der den Bau von kleinen AKWs der „vierten Generation“, sogenannte „SMR“, ermöglichen soll. Nach Aussagen aus Frankreich, wo solche Anlagen ebenfalls in der Diskussion sind, würden diese allerdings nicht vor 2035 zur Verfügung stehen.

Auch das belgische Kernforschungszentrum SCK-CEN in Mol in der Provinz Antwerpen hofft, das grüne Label für seine Wiederwertung von Atommüll zu bekommen. Damit könnte es sein Projekt „Myrrha“ leichter finanzieren, den Bau eines 1,6 Mrd. Euro teuren Forschungsreaktors, der die Wiederverwendung von radioaktivem Abfall als Kernbrennstoff ermöglichen soll. Ziel ist es, aus der gleichen Menge Uran 100 Mal mehr Energie zu gewinnen. Überdies sollen die radioaktiven Abfälle nur für 300 statt 300.000 Jahre radiotoxisch sein.

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