Politik

Serie Politikerporträts (1): Joachim Coens, CD&V – Steuermann in schwierigem Fahrwasser

Von Michael Stabenow.

Joachim Coens, Vorsitzender der flämischen Christlichen Demokraten (CD&V) ist der älteste der „drei Könige“. Gemeinsam mit den Vorsitzenden der flämischen Liberalen (Open VLD), Egbert Lachaert, und deren französischsprachiger Schwesterpartei MR, Georges-Louis Bouchez, bemüht sich Joachim Coens seit Ende Juni um die Bildung der seit dem den Parlamentswahlen im Mai 2019 überfälligen neuen belgischen Regierung.

Coens, Vorsitzender der flämischen Christlichen Demokraten (CD&V), hat erst seit Kurzem diese führende parteipolitische Funktion inne. Der 53-jährige Diplom-Ingenieur wuchs jedoch mit Politik auf. Sein Vater Daniël war vor vier Jahrzehnten christlich-demokratischer Minister. Coens kann eine langjährige berufliche Karriere, zuletzt als Vorstandsvorsitzender des Hafens Zeebrugge, von 2001 bis zu seiner Wahl als CD&V-Parteichef Ende 2019, aufweisen. Selbige Wahl war allerdings recht umstritten – insbesondere die daraus resultierende Verwaisung des Arbeitnehmerflügels in der CD&V führte zu Kritik. Politikbeobachter wie der flämische Journalist De Vadder kommentierten die Entscheidung der Partei für Coens so: „Persönlich denke ich, dass dies ein kapitaler Fehler war. Eine Partei, die wachsen will, muss woanders werben. Das tut man eher mit einer Figur, die andere Menschen anspricht.“ Damit war sein damaliger Herausforderer, der 31 Jahre alte Samy Mahdi, den Sohn einer Flämin und eines irakischen Einwanderers, gemeint.

In der Partei ist nach wie vor das Empfinden verbreitet, sie müsse Dreh- und Angelpunkt des politischen Geschehens im Land sein, obwohl ihr die N-VA 2010 den Rang als führende flämische politische Kraft abgelaufen hat. Lange konnte sie mit ihren drei traditionellen „Pfeilern“ – Mittelstand, christliche Arbeitnehmerschaft, Landwirtschaft – für sich in Anspruch nehmen, als Volkspartei in der Mitte der Gesellschaft und des politischen Spektrums zu stehen.

So sehr Coens die Rolle als erfolgreicher Hafenmanager auf den Leib geschnitten schien, so sehr müht er sich in der neuen Aufgabe als Steuermann in politisch schwierigem Fahrwasser ab. Unauffällig wirkt er im Vergleich zu Lachaert, dem flämischen Liberalen, und insbesondere gegenüber dem extrovertierten französischen Liberalen Bouchez. Er stand klar in dessen Schatten, als beide im Dezember und Januar, kurz nach ihrer Wahl zu Parteichefs, im königlichen Auftrag wochenlang Sondierungsgespräche führten.

Beide zogen nicht immer an einem Strang, was zum Scheitern der Mission beitrug. Während Coens sich  um ein Bündnis unter Einbeziehung der größten Partei im Parlament, der flämisch-nationalistischen Neu-Flämischen Allianz (N-VA), bestrebt zeigt, schien Bouchez damals mit einem Bündnis mit Sozialisten und Grünen zu liebäugeln.

Dass Coens als königlicher Beauftragter seinem Parteifreund Justizminister Koen Geens das Feld räumen musste, warf die Frage auf, wer nun eigentlich der „starke Mann“ der CD&V sei. Coens ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Er übernahm sein Amt in einer Zeit, in der die einst übermächtige Partei, ohne die in Belgien über Jahrzehnte fast nichts lief, einen Tiefpunkt erreicht hatte. Nur noch 12 von 150 Abgeordneten zählt die Partei, aus deren Reihen weit über die Landesgrenzen hinaus geachtete Staatsmänner wie Leo Tindemans, Wilfried Martens und Jean-Luc Dehaene kamen.

Tatsächlich tat sich Coens schwer damit, als politisches Schwergewicht wahrgenommen werden. Einen anderen Eindruck erhielt die Öffentlichkeit indes Ende Juni im Kontext der aktuellen Debatte über die Novellierung des Abtreibungsgesetzes mit einer Verlängerung der Frist für Schwangerschaftsabbrüche von 12 auf 18 Wochen. Das ist für die CD&V weiter ein Tabuthema. Der sonst so ruhige Coens wartete mit harten Worten auf und konnte den Eindruck eines blassen Politikers etwas relativieren. Anfang Juni hatte er zudem seinen westflämischen Parteifreund Hendrik Bogaert klar in die Schranken gewiesen, als dieser öffentlich über ein Bündnis mit dem fremdenfeindlichen Vlaams Belang nachgedacht hatte. Dass Coens nicht gänzlich ohne Ausstrahlung ist, zeigte sich auch daran, dass er als Bürgermeister des Städtchens Damme bei der Kommunalwahl 2018 mit seiner Liste die absolute Mehrheit errang.

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