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Rückblick: 25 Jahre Jazzzolder Mechelen, 8. und 9. September 2023

       

Von Ferdinand Dupuis-Panther

25 Jahre Jazzzolder und die 18. Ausgabe des sonntäglichen Jazz at Home – beides Anlass, dies ausgiebig zu feiern. Aus Anlass des Jubiläums des örtlichen Jazzclubs fand am Freitag, dem 8. September, das Konzert des Nate Wooley-Ingebrigt Håker Flaten-Jozef Dumoulin-Teun Verbruggen Quartetts im umgestalteten ehemaligen Kloster Het Predikheren statt. Dabei stand das neue Albumprojekt namens „Kami“ im Mittelpunkt des Abends. Das Quartett besteht aus dem US-amerikanischen Trompeter Nate Wooley, dem norwegischen Bassisten Ingebrigt Håker Flaten sowie dem „Tasten-Magier“ Jozef Dumoulin und dem Drummer Teun Verbruggen, beide aus Flandern.

Jozef Dumoulin


Vielerlei Experimente

Zahlreich war das Publikum im Mandela-Saal in Het Predikheren erschienen. Ohne viel Worte vorab ging es musikalisch in medias res: Plink-Plink mischte sich mit intensivem Getrommel auf den Toms. Lang gezogen waren die tonalen Äußerungen des Trompeters. Pausen im Klangspiel waren Teil der musikalischen Inszenierung. Tonale Sprünge kreuzten sich mit dezentem Schwirren der Snare. Glöckchen waren wahrzunehmen. Zirkulationen der Klänge mit und ohne aufbrausenden Schwall setzten sich im weiteren durch. Kurzer Schlag auf eines von drei Becken und das sachte Hi-Hat waren nachfolgend zu hören.

Jozef Dumoulin

Perkussives wie intensives Gerassel drängte sich auf. Gespreizte Klangfolgen trafen auf Zweier-Schritte des Bassisten. Kurz angerissen wurden die Saiten des Flügels, der mit Holzstückchen präpariert war. Da gab es keinen wirklichen Klangfluss, sondern eher Fragmentarisches, thematisch Angerissenes. Hintergründig agierte der Bassist mit vollem Körpereinsatz und überaus dynamisch und mit Verve. Tonale Kettenglieder verband Nate Wooley zu einem Ganzen. Derweil agierte der Pianist Jozef Dumoulin zwischen Mittellage und Diskant. Neben dem Flügel bespielte der Pianist auch E-Keys, teilweise für die reinen Tastenklänge nutzend, war doch der Flügel präpariert, so dass einige Tasten beim Anschlagen nur ein dumpfes Plong hören ließen.

Teun Verbruggen

Verwirbelungen ähnlich einer Windhose meinten wir im Fortgang zu hören. Signalklänge gab der Trompeter Nate Wooley von sich, und der Bassist Ingebrigt Haker Flaten erging sich in einem Saitenzupfen unweit des Stegs. Da war von der sonstigen Erdigkeit oder einem Schnarren des Basses nichts mehr zu erleben. Hörten wir nicht im Verlauf auch Kuhglocken schwingen? Oder waren es Klangstäbe im Wind? Tja, Elektronik und Jozef Dumoulin machten es möglich.


Nate Wooley / Ingebrigt Håker Flaten

Zungenschläge und Wortfetzen ins Trompetenmundstück gesprochen gehörten zum musikalischen „Arrangement“. Ab und an wurde die Trompete mit Dämpfer gespielt. Und gab es dann nicht gegen Konzertende auch Stimmsamples, die eingespielt wurden? Was hörten wir? Hindi oder Urdu? Oder Lautmalereien? Jedenfalls war auch das Teil des Klangexperiments und für die Zuhörenden ein Soundtrip der besonderen Art.

Im Kontrast zum Vortag

Nach der Eröffnung am Freitag folgte dann am Samstag, dem 9. September, Nic Thys mit seinem Quintett Sound Circus. Neben dem E- Bassisten Nic Thys gehörten der Gitarrist und Pedal-Steel-Gitarrist Tim Finoulst, der E-Gitarrist Lorenzo di Maio, der als Gast auftretende Altsaxofonist Frank Vaganée, der Flötist, Klarinettist und Tenorsaxofonist Sam Comerford und der Drummer Daniel Jonkers zum Ensemble, mit dem er sich, so Nic Thys, einen lang gehegten Traum erfüllt hat. Dabei ging es eher um die unbekannteren Standards der sehr frühen und frühen Phase des Jazz.


Nic Thys / Frank Vaganée / Daniel Jonkers

Aus einem Repertoire von 15 Interpretationen und Arrangements von unbekannteren Standards wurden fünf vorgestellt und dazu mit „That Lucky Old Sun“ ein Stück Amerikana. Zu Letzterem muss man wissen, dass Frankie Laine, Louis Armstrong, Frank Sinatra, Ray Charles und Bob Dylan dieses Stück in ihrem Repertoire hatten. Entstanden ist dieser Popsong übrigens 1949.

Aufmacher des Konzerts war „Stardust“, eine Komposition von Hoagy Carmichael aus dem Jahr 1927 und zugleich ein Klassiker der Big-Band-Ära. Eröffnet wurde dieser Popsong der 1920er Jahre durch den Pedal-Steel-Gitarristen Tim Finoulst. Ungewöhnlich war das, was wir hörten. Denn Pedal Steel Guitar verortet man eher bei Blue Grass, Country und Hillbilly – nun bereicherte dieses Instrument die Klangfärbungen des Stücks, eröffnete den melodiösen Klangfluss, der sich schnell als tanzbar erwies. Nachfolgend ergab sich ein hoch interessantes Zwiegespräch zwischen Alt- und Tenorsaxofon, auf denen zeitweilig der musikalische Fokus ruhte. Dynamisch entwickelte sich das Stück, und das setzten die Musiker auch in entsprechende Bewegungen um, am ausgeprägtesten und hier und da aus Sicht des Berichterstatters überzogen Sam Comerford. Es schien so, als würde die Band zum Ballroom Dancing aufspielen. Doch Platz zum Tanzen gab es im Mandela-Saal nicht.

„On A Slow Boat To China“ (entstanden 1948) stand anschließend auf dem Programm. Beeindruckend war das Saitenspiel von Tim Finoulst auf der E-Gitarre, durchaus in der Tradition bekannter Gitarristen des Jazz. Genannt seien dabei stellvertretend Barney Kessel, Charlie Byrd und Herb Ellis. Das Stück war beschwingt, um nicht zu sagen „It had swing“. Die beiden Gitarristen di Maio und Finoulst wechselten sich in den rhythmischen Linien und den Melodie-Sequenzen ab. Ähnlich wie die beiden Saxofonisten im vorherigen Stück phrasierten und paraphrasierten sie auch im Wechsel. Für die erdfarbenen Klänge sorgte Nic Thys am E-Bass. Lauschte man der Musik, dann fühlte man sich in die Zeit versetzt, als Jazz Popmusik war und die Clubs verraucht und brechend voll.


Lorenzo di Maio

Mit „When Sunny Gets Blue“, erstmals 1956 aufgenommen, wurde der „Klangzirkus“ im Het Predikheren fortgesetzt. Der Altsaxofonist Frank Vaganée nahm uns mit seinem versierten Spiel bildlich gesprochen mit auf eine Klangwolke. Man erlebte einen Holzbläser in Hochstimmung. Und das honorierte das Publikum mit entsprechendem Beifall. Statt zum Tenorsaxofon griff Sam Comerford zur Klarinette und verbreitete einen sanften, samtenen und seidenen Klang. Als Zuhörer konnte man sich dem eingängigen Schnurren und den Weichzeichnungen der Klarinette hingeben. Aufmerken musste man bei dem Spiel von di Maio, der uns den Eindruck vermittelte, wir befänden uns in der Ära der Beatmusik. Zugleich nahmen wir beim Fortgang des Stücks wahr, dass auch diese Standardnummer durchaus ihren Platz bei Tanzabenden oder den legendären 24-Stunden-Marathon-Wettbewerben haben könnte.


Frank Vaganée

Nicht zu den klassischen Jazzstandards gehört „That Lucky Old Sun“. Beim Hören meinte man, die Folklore Nordamerikas herausfiltern zu können, musste man unter Umständen an Bob Dylan, Willie Nelson und Arlo Guthrie denken. Beim Arrangement kam die Pedal-Steel-Guitar zu ihrem Einsatz, drangen fein gewebte Klangflächen an unser Ohr. Sehr feintönig von Umbra bis Sandfarben in den Klangfarben präsentierte sich der Bassist. Unabhängig von verhaltenen Zugabe-Rufen blieb es mit „I’ll See You In My Dreams“ beim letzten Stücks des Konzerts. Der Beifall im vollbesetzten Haus war mehr als nachhaltig.

© Text und Fotos Ferdinand Dupuis-Panther (fdp)

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