Von Michael Stabenow.
An jedem zweiten Dienstag im Oktober zieht der Regierungschef eine Bilanz der politischen Lage und gibt einen Ausblick auf die Zukunft des Landes. In diesem Jahr fiel sie zudem mit der Vorstellung des erst wenige Stunden zuvor ausgehandelten Haushaltsentwurfs für 2022 zusammen.
Der von immerhin sieben Koalitionsparteien ausgehandelte Budgetentwurf sieht zwar neue Investitionen vor, aber in der Verkehrs-, Umwelt- und Sozialpolitik sind finanzielle Einschnitte geplant, die das Land wieder auf einen soliden haushaltspolitischen Pfad zurückführen sollen. De Croo zählte Haushaltsentlastungen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro auf. Sie sollen dazu beitragen, die öffentliche Neuverschuldung innerhalb eines Jahres von 5,4 auf 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken.
Die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Gesundung Belgiens sind aus Sicht des Regierungschefs gut: „2021 wird in die Geschichte als das Jahr eingehen, in dem sich die belgische Wirtschaft in ungesehener Weise erholt hat“, sagte er. De Croo verwies auf jüngste Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), wonach die belgische Wirtschaft in diesem Jahr real um 5,6 Prozent und im kommenden Jahr um weitere 3,1 Prozent wachsen soll. Allerdings gelte es angesichts der jüngsten Engpässe bei den internationalen Lieferketten, der steigenden Energiepreise sowie dem „überhitzten Arbeitsmarkt“ im eigenen Land wachsam zu sein.
Konkret setzen die Koalitionspartner auf Investitionen in Klimaschutz und digitale Modernisierung, andererseits aber auch auf Reformen des starren Arbeitsmarkts. So soll es künftig leichter sein, die 38 Stunden der Arbeitswoche auf vier Tage zu verteilen. Fördern will die Regierung die Mobilität der Arbeitskräfte über die Grenzen der Regionen hinweg – aus Brüssel und Wallonien in das insgesamt wohlhabende Flandern.
Für Aufsehen sorgte die Ankündigung der Regierung, Profisportler, wie die von extrem niedrigen Abgaben profitierenden Fußballer, stärker zur Kasse zu bieten. Bisher wurde für die Erhebung der Sozialabgaben ein alles andere als realistisches Einkommen von 2.352 Euro zugrunde gelegt. Die Koalition will – nicht zum ersten Mal –, Schlupflöcher für Steuersünder und für den Betrug mit Sozialleistungen wirksam stopfen.
Ungemach droht auch jenen meist hochqualifizierten ausländischen Arbeitskräften in Belgien, die als „Expats“ von steuerlichen und sonstigen Vergünstigungen profitieren und eigentlich schon längst mehr als nur entsendet sind. Was sich dabei konkret ändern soll, blieb bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs noch undeutlich.
Breiten Raum in den Regierungsplänen nehmen Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Schutz sozial schwacher Bevölkerungsgruppen ein. So sollen die Steigerungen bei den Energiepreisen abgefedert werden. Der „Sozialtarif“ für Energieprodukte, in dessen Genuss derzeit ungefähr zwei Millionen Menschen in Belgien kommen, soll verlängert werden. Zudem sind auch Entlastungen für die übrigen Bevölkerungsgruppen vorgesehen. Bei extremen Schwankungen der Energiepreise soll die Abgabenlast angepasst werden.
Der Haushaltsentwurf für 2022 umfasst zusätzliche Investitionen von insgesamt 2,4 Milliarden Euro. Sie sollen in neue Technologien, aber auch in die Modernisierung des Bahnnetzes fließen. Bei Kurzstreckenflügen von weniger als 500 Kilometern, soll künftig eine Sonderabgabe fällig werden.
De Croo zeichnete ein insgesamt rosiges Bild von der Zukunft des Landes. Stolz verwies er darauf, dass Belgien, nach Finnland, Schweden und Dänemark das führende Land bei technologischen Neuerungen und Drehscheibe bei der Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen sei. Das gelte nicht nur für den Corona-Impfstoff, sondern auch für ein aktuelles Präparat zur Impfung von Kindern gegen Malaria. Als weitere belgische Erfolgsgeschichten nannte er die Fertigung von elektrischen Autos in Gent (Volvo) und Brüssel (Audi) sowie eine Großinvestition im Genter Hafengebiet von 1,1 Milliarden Euro zur Herstellung von „grünem Stahl“ durch den Branchenprimus Arcelor Mittal. Bei der Herstellung von Windkraft je Bewohner liege Belgien international an zweiter Stelle.
„Entscheiden wir uns für diesen Ansatz, dann wird Klimapolitik nicht Kosten – einen Haushaltsposten – bedeuten, sondern eine Gelegenheit zu neuem Wachstum“, warb De Croo um die Zustimmung zum Haushaltsentwurf.
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