Von Anne Kotzan
Manchmal ist es Liebe auf den ersten Blick. Und so war es mit den Bildern von Léon Spilliaert. Auf der Suche nach belgischen Künstlern bin ich in der Bibliothek von Tongeren auf die Publikation „Léon Spilliaert“ von Francine-Claire Legrand aus dem Jahr 1981 gestoßen, und seine Gefühligkeit, Natur und die kleinen Dinge des Lebens ins Bild zu übersetzen, hat mich so fasziniert, ja tief berührt, dass sie sich in meinem Innersten eingegraben haben. So unterschiedlich seine Motive und Werke auch sind, seine Handschrift sitzt darin. Vielleicht ist es die ihm eigene Weise der Welt- und Selbstbetrachtung …
Es ist ein besonderes Kunsterlebnis, rund zwanzig seiner Arbeiten – alle aus Familienbesitz und zum Teil noch nie ausgestellt – in der Patrick Derom Gallery in Brüssel zu begegnen. Zufällig wird man dort kaum vorbei kommen, obwohl die Galerie im Herzen der Stadt liegt, nahe des Bozar und um die Ecke von der “Kleine Zavel”. Seit ihrer Gründung vor rund 40 Jahren ist die Galerie mit dem Werk von Léon Spilliaert vertraut.
Gezeigt werden frühe Arbeiten ab 1904 bis zu seinen letzten Werken aus den 1940er Jahren, immer wieder das Meer, Portraits, Bäume, Innenräume und Stillleben. Es war seine nächste Umgebung, die er bei langen Wanderungen erkundete, das häusliche Umfeld, das er beobachtete, Menschen, und so simpel sind seine Motive, so reduziert seine Bilder. Mehr und mehr werden Linie, Form, Struktur fokussiert, und doch trifft er eine Stimmung, ein Gefühl, trifft er den Nerv des Betrachters. Aus der Ferne wirken seine Gemälde oft flächig, aus der Nähe sieht man seine feine und exakte Strichelei, die an eine Meditation erinnert.
Léon Spilliaert wurde 1881 in Ostende in bürgerlichen Verhältnissen geboren. Abgesehen von einer kurzen Studienzeit in Brügge war er Autodidakt. Einflussreich für seine Arbeiten wurde die Bekanntschaft mit dem Werk von Odilon Redon, durch den er den Symbolismus kennenlernte. Spilliaert arbeitete vor allem auf Karton und mit Farb- und Bleistiften, ostindischer Tinte, Aquarelle und Gouache und Pastellkreide. Und, bemerkenswert, er arbeitete nicht in einem Atelier, sondern am Küchentisch. Das alltägliche Leben scheint ihm eine Muse gewesen zu sein, trotz der Umständlichkeit, für das gemeinsame Essen mit der Familie alles aufzuräumen.
Jedenfalls ist die Ausstellung eine Entdeckung, wenn man ihn noch nicht kennt, und auch eine Bereicherung für Kenner.
INFO:
Patrick Derom Gallery, 1 rue aux Laines, 1000 Brüssel
Geöffnet Donnerstag bis Samstag von 12 bis 18 Uhr
noch bis zum 13. April 2024
www.patrickderomgallery.com
Alle Bilder by courtesy Patrick Derom Gallery, Brüssel
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