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E-Roller in Brüssel: Kein Verbot wie in Paris, aber striktere Regeln


Von Reinhard Boest

In Paris hat man sich kurz vor Ostern entschieden: In einer Volksbefragung haben sich 90 Prozent der Teilnehmenden dafür ausgesprochen, elektrisch betriebene Mietroller aus der Stadt zu verbannen. Obwohl die Beteiligung unter zehn Prozent lag, wird Bürgermeisterin Anne Hidalgo – wie sie auch vorher angekündigt hatte – dem Votum folgen. Ende August geht also die Ära dieses Verkehrsmittels, die in Paris 2019 begann, zu Ende. Zu zahlreich waren die Beschwerden über das zuweilen undisziplinierte Verhalten der Nutzer, sowohl im Verkehr als auch beim Abstellen der Roller. Auch häufige Unfälle mit oft gravierenden Folgen nährten die Bedenken. Schließlich machte auch noch eine Auswertung der Verkehrsverlagerungen deutlich, dass von der vor allem angestrebten Reduzierung des Autoverkehrs in der Stadt praktisch nichts zu spüren war.

Wird Brüssel nun diesem Beispiel folgen? Die Probleme sind ja die gleichen, und im viel kleineren Brüssel sind mit rund 23.000 Rollern anderthalb mal so viele im Umlauf. Zudem gibt es sieben verschiedene Anbieter statt drei in Paris. Nein, die Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt setzt weiter auf ihren Kurs einer Regulierung dieses Verkehrsmittels statt eines Verbots. Darüber gibt es einen breiten politischen Konsens, sowohl auf Ebene der Region als auch bei den weitaus meisten Gemeinden. Offenbar gibt es auch eine große Nachfrage. Wie die Zeitung “Metrotime” berichtet, ist die Zahl der monatlichen Nutzungen von durchschnittlich 100.000 im Jahr 2021 auf bis zu 1,5 Millionen im vergangenen Juni gestiegen.

Einen gesetzlichen Rahmen gibt es bereits seit 2018, und er wurde im März 2022 aktualisiert. Dabei ging es vor allem um die Einführung der sogenannten “Drop zones”, also festgelegte und gekennzeichnete Stellplätze, auf denen die Roller nach einer Nutzung abgestellt werden müssen; außerhalb dieser Zonen ist es dann nicht mehr erlaubt. Die Stellplätze sollen nicht nur räumlich, sondern auch “digital” abgegrenzt sein; die von den Betreibern verwendete App muss also sicherstellen, dass die damit gemessene Nutzungszeit nur endet, wenn der Roller ordnungsgemäß in einer “Drop Zone” abgestellt wird. Sonst läuft der “Taxameter” weiter. Außerdem werden die Regeln über die Entfernung ordnungswidrig abgestellter Roller verschärft. Mit diesen Maßnahmen hofft man eines der Hauptübel abzustellen: das “wilde” Parken der Roller dort, wo der letzte Nutzer ihn gerade stehen (oder liegen) lässt. Künftig sind die Betreiber auch verpflichtet, ordnungswidrig abgestellte Roller spätestens 12 Stunden, nachdem ihnen der Verstoß gemeldet wurde, zu entfernen; andernfalls tut das die Gemeinde, wofür eine Pauschalgebühr zwischen 20 und 400 Euro fällig wird.

Die Einrichtung der “Drop Zones” und die Umsetzung der daran anknüpfenden Maßnahmen kommen auch nach einem Jahr immer noch nur langsam voran. Dafür bedarf es nämlich einer Zusammenarbeit der Region mit den 19 Brüsseler Gemeinden. Und die haben durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Bruxelles Mobilité, die für Verkehrsfragen zuständige Verwaltung der Region, hält insgesamt rund 3.000 solcher Zonen im gesamten Stadtgebiet für wünschenswert, damit jeder Nutzer einen Fußweg von höchstens zwei Minuten bis zum nächsten Stellplatz hat. Idealerweise soll der Abstand maximal 300 Meter betragen.

Die Gemeinden, die letztlich entscheiden, wo und wieviele “Drop Zones” sie auf ihrem Gebiet einrichten wollen, gehen von deutlich geringeren Zahlen aus. Unterschiede gibt es auch bei der Frage, ob die Zonen auf der Straße (zu Lasten von Parkplätzen für Autos) oder auf dem Fußweg eingerichtet werden. In vielen Fällen ist es auch schwierig, die Größe der Zonen richtig zu bemessen, etwa an Metrostationen, die viele mit dem Roller anfahren. Einige Gemeinden haben schon mit der Einrichtung begonnen, andere wollen abwarten, bis Klarheit besteht, was die Region in den ausstehenden Durchführungsdekreten festlegt. Erst danach sind die Zonen nämlich für Betreiber und Nutzer verpflichtend, so dass man gegen “Wildparken” vorgehen kann. Und für die Kosten der Einrichtung (etwa 500 bis 1.000 Euro pro Stellplatz) haben mehrere Gemeinden schon Beihilfen bei der Region beantragt.

In der Gemeinde Uccle orientiert man sich dagegen anscheinend am “Pariser Weg”. Wie die Zeitung “Le Soir” berichtet, hat Bürgermeister Boris Dilliès von den frankophonen Liberalen (MR) bereits vor einem halben Jahr beschlossen, das Parken von Mietrollern auf dem Gebiet seiner Gemeinde zu verbieten. Auf Drängen der Gemeinde sollen daher die Betreiber die App für deren Gebiet deaktiviert haben. Auch nach Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen will Uccle an dieser Linie festhalten.

Die MR-Opposition im Brüsseler Regionalparlament fordert weitere – für Liberale eher unübliche – Maßnahmen, um gegen Verstöße vorzugehen. So sollen etwa die Bußgelder erhöht und die Kontrollen verschärft werden. Die Roller sollten über Kennzeichen verfügen müssen (wie es etwa in Deutschland der Fall ist), um Sünder identifizieren zu können. Außerdem sollte es eine automatische Überwachung geben, um wild abgestellte Roller oder eine Benutzung durch mehr als eine Person festzustellen.

Die zuständige Regionalministerin Elke Van den Brandt (Groen) möchte dagegen zunächst abwarten, wie sich die neuen Regeln bewähren – wenn sie denn wie vorgesehen im Sommer in Kraft treten. Die Ministerin rechnet damit, dass diese für eine größere Disziplin bei Betreibern und Nutzern sorgen werden. Die Lage könnte sich auch durch eine Begrenzung der Zahl der zugelassenen Roller entspannen, wie sie das Gesetz bereits seit 2018 ermöglicht. In einem Jahr werde man sehen, ob es besser geworden sei. Mitten im Wahlkampf…

Übrigens: Am Tag nach dem Referendum in Paris hat die Stadt Löwen bekanntgegeben, dass sie keine Lizenz zum Betrieb von Mietrollern in der Stadt erteilen werde. Von mehreren Betreibern liegen seit einiger Zeit entsprechende Anträge vor. “Bei den Studenten ist die Nutzung des Fahrrads seit langem Tradition”, meint der für Mobilität zuständige Stadtrat David Dessers (Groen), wie der flämische Fernsehsender VRT berichtet. “Ein weiteres Verkehrsmittel im ohnehin schon zu vollen öffentlichen Raum brauchen wir nicht.”

 

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