Jahresbericht von Safe Brussels
Von Michael Stabenow
Brüssel ist ein gefährliches Pflaster. Wer in den vergangenen Monaten die Nachrichten verfolgt hat, wird immer wieder über sich häufende Schießereien in verschiedenen Stadtteilen gelesen haben und kann eigentlich nur zu diesem Schluss kommen. Zu einem durchaus beunruhigenden, aber auch nuancierenden Bild gelangt Safe Brussels, die für Prävention und Bekämpfung von Rechtsverstößen zuständige Dienststelle der Hauptstadtregion, in ihrem jüngsten, jetzt veröffentlichten und 122 Seiten langen Jahresbericht für 2023 zur Kriminalstatistik.
In die Schlagzeilen geraten naturgemäß spektakuläre Vergehen wie die nicht selten dem Rauschgiftmilieu zugerechneten Straftaten. Gewalttaten sind beim Rauschgifthandel allerdings in der Minderheit. Insgesamt erfassten die zuständigen Behörden im Berichtszeitraum 11.885 Rauschgiftvergehen. Dies entsprach einer Zunahme um drei Prozent gegenüber 2022 und um 18 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Jahre seit 2015. Die “Top 3” waren dabei 6.328 Fälle von Drogenbesitz, 2.402 Fälle von Trunkenheit in der Öffentlichkeit und 1.977 Fälle von Handel mit Drogen.
Auffällig ist, dass die Zahl der vermeldeten Fälle des Drogenhandels um 75 Prozent gegenüber 2015 gestiegen ist. 22 Prozent der in Belgien registrierten Fälle betreffen die Hauptstadtregion, in der rund 1,25 Millionen Menschen und damit „nur“ 10,6 Prozent der Landesbevölkerung leben.
Im Bericht weisen die Verfasser auf die besondere Lage der Hauptstadt mit ihrer sehr vielfältigen demographischen Struktur und einer hohen Anzahl – knapp eine halbe Million – von Berufspendlern hin. Über 250.000 davon haben ihren Wohnsitz in Flandern, knapp 150.000 in Wallonien. Weitere knapp 100.000 Menschen mit Brüsseler Wohnsitz nehmen den umgekehrten Weg zu ihrem außerhalb der Region gelegenen Arbeitsplatz.
Nicht überraschen dürfte die Feststellung, dass die Gemeinden Brüssel-Stadt, Saint-Gilles, Saint-Jost-ten-Noode, Ixelles und Schaerbeek die höchste Rate von Vergehen aufweisen. Am Ende der Rangliste der 19 Gemeinden stehen Ganshoren sowie – auf der östlichen Brüsseler Seite – Evere, Woluwé-Saint-Lambert und Woluwé-Saint-Piere. Übersicht über die Gemeinden hier (Bericht Seite 18).
Die Zahl der Einbrüche (in Wohnungen oder Fahrzeuge) sowie anderer erfasster Eigentumsdelikte nahm 2023 gegenüber dem Vorjahr um 11 Prozent auf über 85.000 zu. Immer mehr greifen offenbar auch Taschendiebstähle um sich. Insgesamt wurden 2023 mehr als 17.000 (im Schnitt 47 pro Tag) solcher Delikte von der Polizei erfasst. Der Anteil der Taschendiebstähle in Brüssel entsprach dabei nicht weniger als 63 Prozent aller in Belgien in dieser Kategorie erfassten Vergehen. Auf einen Aspekt wird in der Studie in diesem Zusammenhang hingewiesen: Die Nahverkehrsgesellschaft STIB/MIVB hat nicht zuletzt als Reaktion auf die Bevölkerungs- und Pendlerdichte ihr Angebot ausgeweitet – und somit (unbeabsichtigt) das Betätigungsfeld für Taschendiebe erweitert.
Fast 5.000 Fahrräder wurden 2023 entwendet – eine Zunahme um 70 Prozent gegenüber 2015, aber eine Stabilisierung gegenüber dem Vorjahr. Zu denken geben muss jedoch, dass nur 197 Fahrrad- und Motorraddiebstähle 2023 zur Anzeige gelangt sind.
Überrepräsentiert im belgischen Vergleich – mit einem Anteil von 25 Prozent – war die Hauptstadtregion 2023 auch mit 84 der Kategorie „Extremismus, Terrorismus, Radikalismus“ zugeschriebenen Fälle. Allerdings ist dies ein deutlicher Rückgang gegenüber 2016, dem Jahr der Terroranschläge am Brüsseler Flughafen und der U-Bahnstation Maelbeek. In jenem Jahr erfassten die Behörden insgesamt 349 Fälle in dieser Kategorie.
In die Höhe geschnellt sind die Fälle sexueller Übergriffe. So wurden 617 Vergewaltigungen gemeldet – ein leichter Rückgang gegenüber 2021 und 2022, aber eine Zunahme um 42 Prozent gegenüber 2015. Nicht zuletzt durch die Jahre der Covid-Pandemie richtet sich das Augenmerk auch in Brüssel verstärkt auf die (zuletzt erfassten) 2.023 Fälle häuslicher oder innerfamiliärer Gewalt. Immerhin vermeldet der Bericht hier eine leicht rückläufige Tendenz (um drei Prozent gegenüber 2015).
Der Bericht enthält umfangreiche Informationen zu den verschiedensten Formen der Vergehen und unterscheidet dabei zwischen den von der Polizei erfassten und den – deutlich weniger – Fällen, denen die Strafverfolgungsbehörden letzlich nachgehen. Ein relativ neues, aber auch in Brüssel um sich greifendes Phänomen ist die Internetkriminalität – mit im Berichtsjahr behördlich erfassten 8.575 Fällen, ein Zuwachs um nicht weniger als 174 Prozent gegenüber 2015.
Wer sich viel durch die Straßen der Hauptstadt bewegt, den dürfte es kaum verwundern, dass 2023 mehr als 3.800 Protokolle im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Abfallentsorgung erstellt wurden.
Die mit Abstand meisten in Brüssel erfassten Verstöße – 767.890 – betrafen die Missachtung der Straßenverkehrsvorschriften. Das entspricht einer Zunahme um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr und um 47 Prozent gegenüber 2015. Als einen Grund nennen die Verfasser der Studie das den 19 Gemeinden der Hauptstadt im Jahr 2014 neu ausgestaltete Recht zur Ahndung von Verstößen gegen die Regeln zum Halteverbot und zum immer häufiger gebührenpflichtigen Parken von Fahrzeugen.
Beiträge und Meinungen