Von Ferdinand Dupuis-Panther.
„The title of the album is a reference to the praised film by director Gust Van den Berghe. Bisceglia always thought the story of Blue Bird to be very intriguing and was inspired by the film’s cinematographic atmosphere.“ So liest man es, schlägt man die Homepage des Labels Prova Records auf. Muss man also den Film gesehen haben, um die für den Film komponierte Musik wertschätzen zu können? Ich denke nicht unbedingt.
Man sollte wissen, dass das Trio um den in der Provinz Limburg lebenden Michel Bisceglia dieses Album durchaus als eine Herausforderung betrachtete: „It is fantastic to experience that our pleasure of playing together is still growing. We want by no means to get into a rut and are constantly looking for new challenges. With this project we rediscovered one another once again.”
Zum Trio gehören am Bass Werner Lauscher und am Schlagzeug Marc Lenan. Alle Kompositionen des aktuellen Albums, die sich auf eine Geschichte beziehen, die aus der Feder des belgischen Autors Maurice Maeterlinck stammt, sind Michel Bisceglia zu verdanken.
Ein belgischer Nobelpreisträger wird musikalisch
Der Dichter, Essayist und Schriftsteller Maurice Maeterlinck – 1911 Nobelpreisträger für Literatur – hatte ein Theaterstück konzipiert, das 1908 veröffentlicht wurde und in Constantin Stanislavskis Moskauer Kunsttheater Premiere feierte. Nachfolgend wurde dieses Theaterstück verschiedentlich verfilmt. Albert Wolff verfasste gar eine Oper, die auf Maeterlincks Theaterstück basierte. Maeterlinck schildert die Geschichte des Mädchens Mytyl und ihres Bruders Tyltyl, die das Glück suchten, das durch den „Blauen Vogel des Glücks“ repräsentiert wird. Zugleich erzählt die Geschichte auch von der Entwicklung von Kindern, die die Welt der Erwachsenen entdecken. Gust Van den Berghe schuf aus diesem Lesestoff einen Film, zu dem Michel Bisceglia die Musik komponierte, angefangen bei einem Prolog über „The wrong bird“ und „dry water“ sowie „call of death“ bis hin zu „the birth“.
Lyrisches zu Beginn
Ein wenig im Geiste Chopins eröffnet Michel Bisceglia das Album. Sehr ruhig und lyrisch sind die Passagen, deren Hörfarben vom Klavier bestimmt werden. Schließt man die Augen, so ziehen kleine klangliche Wölkchen über uns dahin. Bisweilen verdunkeln sie die Sonne. Ansonsten scheint der Himmel weitgehend klar und die Wolken nur vorübergehend vorhanden. Ein Segelflugzeug nutzt die Thermik für einige Manöver. Die, die unten stehen, kommentieren dies mit Ohs und Ahs. So könnte man sich Bilder ausmalen, die die Musik von Bisceglia begleiten. Behäbig kommt in seinem Solo im Übrigen der Bass daher. Was will er uns damit sagen? Nur keine Eile an den Tag zu legen vielleicht?
In den Harmonien ist „waiting for the bird“ ähnlich angelegt wie der Prolog. Wer schon mal neugierige Spatzen im Park beobachtet hat, die auf Futtersuche sind, der hört in den Klangfolgen, die uns Michel Bisceglia präsentiert, das emsige Hin- und Herhüpfen der Sperlinge. Brosamen fallen ja immer ab, und darauf wartet der Spatz nur. Man kann sich beim Zuhören auch den Flug einer Lerche vorstellen. Dieser ist wellenförmig und wird von Gezwitscher begleitet. All diese Bilder sind fern der Geschichte, die sich Maeterlinck erdachte und die Bisceglia in Notenform gekleidet hat.
Vom Blues zur letzten Fahrt
An Blues angelegt erscheint „dry water“. Gibt es denn musikalisch „trockenes Wasser“? Die Frage muss man verneinen, denn Bisceglia lässt sanfte Klangkaskaden nachhaltig auf uns niedergehen, die an rinnendes Wasser erinnern. Der Begriff „dry water“ beschreibt eine Wasser-Luft-Emulsion, die ausschaut wie Tafelsalz. Die Emulsion besteht aus 95% Wasser, aus winzigen Wassertröpfchen, die allerdings von Silizium ummantelt sind, sodass sich die Tröpfchen nicht zu Wasser vereinen können.
Mit „the last drive“ machen wir uns auf die letzte Fahrt, ehe wir uns dem „dance of hope“ hingeben. Schritt, Schritt und Drehung – so suggeriert es die Melodie, der wir lauschen. Schritt, Schritt und Innehalten – so geht es weiter. Im Nachgang nimmt uns die Musik mit beim tänzelnden Schweben über den Boden. Hier und da gibt es dabei auch Zäsuren, um eine andere Schrittfolge zu beginnen. Am Ende des Albums steht dann nicht der Tod, sondern die Geburt als musikalischer Ausklang. Dabei kommt auch ein aus Ton geformtes Udu als perkussive Ergänzung zum Einsatz. Über den dumpfen Klang dieses in West-Afrika geläufigen Schlagwerks legt sich ein flauschiger Teppich von perlenden Klaviersequenzen. Geburt assoziiert der Berichterstatter allerdings nicht mit dem Gehörten.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Der Beitrag ist auch bei Jazz’halo – www.jazzhalo.be erschienen
Informationen
Label
http://www.provarecords.be
Musiker
Michel Bisceglia
http://www.michelbiscegliatrio.com/
http://www.michelbisceglia.org/video/
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