Von Jürgen Klute
Bankenkrise, da denken vermutlich viele zuerst an Lehman Brothers und an das, was dann folgte. Aber nicht nur solch große weltumspannende Ereignisse bewegen Menschen. Manchmal sind es auch sehr viel kleinere Dinge. Mit dem Begriff „Bank“ verbinden sich schließlich nicht ausschließlich Geldinstitute. Es kann auch um Sitzgelegenheiten gehen. Und tatsächlich gibt es gegenwärtig in Brüssel eine kleine Krise um diese nützlichen Gegenstände – eben eine Bankenkrise, wie Philippe Debroe von der Initiative „Rettet unsere Bänke“ (Sauvez nos bancs / Red onze banken) mit einem leicht ironischen Unterton meint.
Obgleich, so klein ist diese Bankenkrise auch wieder nicht. Immerhin sind die belgische Bahngesellschaft (SNCB/NMBS) und die föderale Regierung Belgiens mittlerweile in diese etwas andere Bankenkrise involviert.
Diese andere Bankenkrise dreht sich um die ursprünglichen, schon recht alten, aber immer noch stabilen und funktionsfähigen hölzernen Sitzbänke auf den Bahnsteigen von Belgiens größtem Bahnhof, dem Nordbahnhof in Brüssel.
Die belgische Bahn hat vor kurzem angefangen, die alten braun gestrichenen Holzbänke gegen moderne Metallbänke mit Sitzlehnen, die die neuen Bänke in viele kleine Sitzflächen aufteilen, zu ersetzen.
Eine überschaubare, aber kreative und hoch engagierte Gruppe fand diese Idee der Bahn überhaupt nicht gut. Wie Philippe Debroe, einer der Aktivisten, gegenüber Belgieninfo erklärt, gibt es dafür gleich mehrere Gründe. Tausende von Reisenden hätten über die Jahrzehnte ihre Reise am Nordbahnhof begonnen und, so Debroe, den Bahnhof mit seinen historischen Bänken in guter und lebendiger Erinnerung. Für sie seien die Bänke und der Bahnhof in Gänze zu einem belgischen Kulturerbe geworden, das geschützt und erhalten werden sollte. Die alten Bänke seien im Gegensatz zu den neuen Bänken farblich und von ihrer Form her auf die Architektur des Bahnhofs abgestimmt. Auch aus ökologischen Gründen sei der Austausch nicht angebracht. Die alten Bänke seien aus sehr haltbarem tropischem Holz, das noch viele Jahre seine Dienste als Sitzgelegenheit verrichten könne. Und schließlich sprächen auch soziale Gründe für die alten Holzbänke. Die neuen Bänke seien unterteilt durch Armlehnen. Menschen, die sich früher für einen Moment zum Ausruhen auf einer der Bänke hätten ausstrecken können, könnten das zukünftig nicht mehr. Das träfe auch wohnungslose Menschen. Aber auch Familien würden durch die Unterteilungen künstlich auf Abstand gehalten. Das sei einfach unsozial, erklärt Debroe.
Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben die Aktivisten am 7. November einen Umzug von der Place de la Monnaie zum Nordbahnhof organisiert. Im Zentrum des Umzugs stand eine der alten, auf Rollen montierte Bank. Begleitet wurde der Zug von einem Flötenspieler, der nicht nur für gute Stimmung sorgte, sondern auch die Aufmerksamkeit auf den Umzug durch die Fußgängerzone lenkte. Er endete mit einem schon fast zeremoniellem Abschluss in der Bahnhofshalle. Dort trug ein früherer Schaffner der belgischen Bahn, Jan Ducheyne, ein selbst verfasstes Gedicht auf die Bänke des Nordbahnhofs in niederländischer und französischer Sprache vor (siehe unten).
Laut Debroe ist dies bereits die zweite Aktion. Während der ersten wurden vor allem Postkarten (siehe Titelfoto) verteilt, die von einem Brüsseler Fotografen als Beitrag zur Unterstützung der Aktion zum Erhalt der Bänke hergestellt wurden. Die erste Aktion diente vor allem dazu, öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Dies scheint auch gelungen zu sein. Wie Debroe weiter ausführt, gibt es mittlerweile Gespräche mit der föderalen Regierung und der Leitung der Bahngesellschaft. Zwar sind mittlerweile zwei Drittel der alten Bänke ausgetauscht und teils an interessierte Bürger verkauft worden. Aber Debroe ist optimistisch. Immerhin, so begründet er seine Zuversicht, sei es ja auch gelungen, den großen Nord-Stern an der einen Stirnwand der Bahnhofshalle im Nordbahnhof zu retten. Im Zuge der Renovierungsarbeiten des Bahnhofs sollte an seine Stelle eine elektronische Zuganzeige montiert werden. Nach ähnlichen Protesten wie den jetzigen hat die Bahn sich aber dann doch überzeugen lassen und den Stern an seinem ursprünglichen Platz belassen. Dass ein erheblicher Teil der Bänke bereits verkauft ist, sieht Debroe nicht als Problem an. Die meisten Käufer seien bereit, gegen eine Entschädigung die Bänke zurück an die Bahn zu verkaufen. Debroe ärgert sich nur etwas darüber, dass Bürger den Staat und die Bahn immer wieder drängen müssten, nicht Dinge zu zerstören, die bewahrenswert seien. Eigentlich müssten Politiker und auch die Leitung der Bahn dies von sich aus machen, fordert Debroe.
Um ihre Überzeugungskraft zu erhöhen, sammeln die Aktivisten zudem Unterschriften. Auf der Facebook-Seite der Initiative „Sauvez nos bancs / Red onze banken“ gibt es nähere Informationen dazu, wo Interessierte das Anliegen der Initiative mit ihrer Unterschrift unterstützen können.
Zum Abschluss noch das Gedicht „Le Bank du Nord / De Bank van ´t Nord“ von Jan Ducheyne:
Fotogalerie
Fotos: Jürgen Klute
Apparently they are trying to create cold and detached citizens, alienated from each other…as well as driving away people in need.