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Antisemitismus in Europa – Veranstaltung in der NRW-Vertretung

Von Heide Newson

Die Zahl der Fälle von Antisemitismus steigt nicht nur in Deutschland, sondern weltweit an. Jüdische Gemeinschaften fühlen sich immer weniger sicher. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der islamistischen Terrorgruppe Hamas haben antisemitische Vorfälle noch einmal stark zugenommen. Grund für die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Brüssel, sich im Rahmen ihrer neuen Veranstaltungsreihe „NRWinEU:Spotlight“ in einer Expertenrunde mit dem Thema zu befassen. Die Diskussion stand unter dem Titel „Antisemitismus in Europa. Wie können wir ihn gemeinsam erfolgreich bekämpfen“.

In seinem Grußwort betonte der Leiter der Landesvertretung Rainer Steffens, dass seit dem 7. Oktober 2023 weltweit ein dramatischer Anstieg antisemitischer Vorfälle und Straftaten online und offline verzeichnet werde. Die Diskussion, wie Europa den Antisemitismus bekämpfen könne, sei daher nötiger denn je zuvor. Das fanden auch die Teilnehmer, die die hochbrisante, spannende sowie unter die Haut gehende Diskussion mit großem Interesse verfolgten.

Podiumsteilnehmer waren Katharina von Schnurbein, Beauftragte der Europäischen Kommission für die Bekämpfung von Antisemitismus und für die Förderung jüdischen Lebens sowie die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser- Schnarrenberger . Moderiert wurde die Runde von Dr. Gil Yaron, Leiter des Büros für Nordrhein-Westfalen in Israel. Der 7.Oktober sei nicht nur eine politische, sondern auch eine historische Zäsur für die älteste Debatte des jüdischen Volkes: Wo können Juden und Jüdinnen unbesorgt leben? Denn durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel sei das Narrativ Israels, seit seiner Gründung ein sicherer Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden zu sein, in Frage gestellt worden.

Katharina von Schnurbein sprach von einer dramatischen Situation für die jüdische Bevölkerung in Europa. Der Anstieg antisemitischer Straftaten in den Mitgliedstaaten liege seit dem 7.Oktober 2023 bei 200 bis 800 Prozent. Sie betonte, dass das Kernstück der EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus die Förderung jüdischen Lebens im öffentlichen Raum sei. Jedoch erlebten Juden in Europa aktuell das Gegenteil. Ein Leben im öffentlichen Raum sei derzeit nicht möglich. Erschütternd sei, wie schnell es nach dem Terrorangriff durch die Hamas zu einer verzerrten Wahrnehmung von Tätern und Opfern gekommen sei.

Sabine Leutheusser- Schnarrenberger berichtete über die Eindrücke, die sie seit Oktober 2023 durch Gespräche mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gewonnen habe. Einerseits seien diese für Deutschlands gezeigte Solidarität mit Israel dankbar, anderseits seien sie wegen des Abstimmungsverhaltens Deutschlands zu der Gaza-Resolution in der UN-Vollversammlung im Oktober 2023 enttäuscht. Sie mahnte an, dass Worte und Taten zusammen passen müssten. Dies sei wesentlich für das Vertrauen der Jüdinnen und Juden in das Handeln des Staates mit dem Auftrag, auch ihnen den nötigen Schutz zu geben, damit sie ihre Freiheiten in einer offenen Gesellschaft leben können. Einhellige Auffassung in der Diskussionsrunde war, dass Antisemitismus in allen Bereichen der Gesellschaft verankert sei und stattfinde.

Die Expertenrunde beleuchtete auch die parallelen Medienwelten und Faktenlagen in unserer Gesellschaft und wie Aufklärungsarbeit geleistet werden könne. Als einen konkreten Ansatz nannte von Schnurbein die enge Zusammenarbeit mit Leitern von Religionsgemeinschaften und verwies auf die von der Kommission veröffentlichte Mitteilung „Kein Platz für Hass in Europa“. Leutheusser-Schnarrenberger setzte auf die Unterstützung von Initiativen, die online Gegendarstellungen bieten, und auf die Zusammenarbeit mit islamischen Verbänden, um den Austausch unter Menschen zu fördern.

Dr. Yaron lenkte die Aufmerksamkeit auf israelische Frauen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Gewalt der Hamas geworden seien. Dabei kritisierte Sabine Leutheusser- Schnarrenberger das Schweigen des Frauenverbands der Vereinten Nationen und anderer Frauenrechtsorganisationen scharf. Die verträten ein negatives Bild von Israel als Staat, so dass eine Solidarisierung mit den israelischen Frauen und Mädchen nicht stattfinde. Eine Priorität der NRW-Antisemitismusbeauftragten sei es herauszufinden, wie das Lehrpersonal an Schulen in Nordrhein-Westfalen mit dem Thema „Antisemitismus“ im Unterricht umgehe. Für die Ausbildung zum Lehramt sei ihre Hauptforderung die Aufnahme eines verpflichtenden Kurses zu Antisemitismus. Und von Schnurbein betonte, dass für die Bekämpfung des Antisemitismus ein essentieller Fokus der EU auf der digitalen Welt liege. Die speziell konzipierten Online-Plattformen der EU seien ein möglicher Schlüssel zur Eindämmung der rasanten Verbreitung antisemitischen Hasses und Fake News. Rainer Steffens hofft, dass solche Diskussionen über Antisemitismus in einigen Jahren dann vielleicht nicht mehr nötig sein würden.

Links zur Aufzeichnung der Veranstaltung auf YouTube : https://www.youtube.com/watch?v=olzQkTW8Oio

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