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Wer war Jules Schmalzigaug?

Von Margaretha Mazura.

Die Ausstellung “Jules Schmalzigaug und die Futuristische Küche” hat nichts mit Kochen zu tun, sehr wohl aber mit Rezepten für eine neue Auffassung der Kunst vor dem ersten Weltkrieg.

Jules Schmalzigaug wird 1882 in Antwerpen geboren. Sein Vater, ein Großindustrieller deutscher Abstammung, gehört zur jüdischen Elite der Stadt. Jules verbringt Teile seiner Jugend in Dessau, wo sein Zeichentalent entdeckt wird.

1905/06 reist er zum ersten Mal nach Italien, sozusagen auf “Grand Tour” wie viele Künstler vor ihm. Dort ist es vor allem Venedig, das ihn durch die Lichtverhältnisse in seinen Bann schlägt. Er fertigt erste Skizzen und Zeichnungen an. 1907 geht es nach Frankreich, wo er mit der Kunstszene in Berührung kommt. Nach seiner Rückkehr arbeitet er in Antwerpen als Sekretär der Kunstvereinigung “Kunst van Heden/L’art contemporain”, wo er sich für Ausstellungen internationaler Künstler einsetzt. Aber es hält ihn nicht lange in Belgien. Es zieht ihn nach Paris, wo er die Werke der Kubisten wie Braque oder Léger, und die der Fauvisten wie Bonnard und Vuillard bewundert. 1911 stellt er selbst zum ersten Mal im “Salon des Indépendants” (Salon der Unabhängigen) in Paris aus.

Er ist begeistert von der urbanen Modernität Paris und schreibt im selben Jahr enthusiastisch an seine Eltern: “Um eine Straße zu überqueren, einen Bus zu erwischen oder die Metro bedarf es gymnastischer Fähigkeiten”.

Symbol des Fortschritts

Er bewundert den Eiffelturm als Symbol des Fortschritts und besichtigt die Flugzeuge im “Aeronautischen Salon” 1911, die ihn “mehr begeisterten denn jede Kunstausstellung”. Damit teilt er die Ansichten des Futuristischen Manifests von Marinetti, der schon 1908 schrieb: “Die Herrlichkeit der Welt wurde bereichert durch eine neue Schönheit: jene der Geschwindigkeit. Ein Rennauto mit einer Kühlerhaube geschmückt mit Riesenröhren wie Schlangen mit explosivem Atem…ein dröhnender Sportwagen, der, scheint’s, von einem Maschinengewehrfeuer angetrieben wird, sind schöner als die Statue der geflügelten Nike von Samothrake”. Schmalzigaug schwört der Kunst-“Gerontokratie” ab und stellt das abgehobene Prestigedenken von Museen und anderen Kunstinstitutionen in Frage.

Die Ausstellung der italienischen Futuristen 1912 ist ausschlaggebend für seine Zukunft: er beschliesst, nach Venedig zu ziehen. Die Jahre 1912-14 gehören zu seinen glücklichsten und produktivsten. Er setzt sich zunehmend mit Licht- und Farbtheorien auseinander, seine Malerei wird abstrakt und von gewagter Farbigkeit durchsetzt, die an die Futuristen Boccioni und Balla gemahnt.

1914 nimmt er an der “Esposizione Libera Futurista Internazionale” (Freie, internationale Futuristenausstellung) in Rom teil, ein Höhepunkt seiner Karriere, wo er sich in der internationalen Avantgarde-Strömung behaupten kann. Seine Futuristenkollegen sehen ihn als “Seelenverwandten” und akzeptieren ihn.

1914 kehrt er nach Antwerpen zurück, seine Familie emigriert bei Kriegsbeginn nach Den Haag, in die neutralen Niederlande. Schmalzigaug arbeitet weiter, seine Werke werden figürlich, aber erreichen nicht mehr die Grösse seiner Abstraktionen.

Persönliche Verluste

1916 wird nicht nur ein verheerendes Kriegsjahr, es ist auch für Schmalzigaug ein Jahr persönlicher Verluste: sein Futuristen-Freund Umberto Boccioni stirbt an den Folgen eines Sturzes von Pferd bei der italienischen Kavallerie, Rik Wouters, der ebenfalls in die neutralen Niederlande emigriert war und mit dem er sich in Den Haag angefreundet hatte, erliegt seinem Kieferkrebs. Schmalzigaug sieht sich isoliert, er vermisst die internationale Kunstszene, aber vor allem das “Lichtparadies Venedigs”. Er fällt in Depressionen und bereitet am 13. Mai 1917 seinem Leben ein Ende.

Jules Schmalzigaug und die Futuristische Küche” ist eine Hommage auf das kurze, aber intensive Leben dieses belgischen Futuristen. Diese Ausstellung bringt einen Dialog zustande zwischen Schmalzigaugs Futurismus und dem seiner italienischen Freunde sowie mit dem Werk anderer belgischer Avantgarde-Künstler wie Paul Joostens, Pierre-Louis Flouquet, Prosper De Troyer, Edmond Van Dooren und einigen anderen, die nach 1917 für kurze Zeit vom Futurismus beeinflusst waren. 

Praktische Information:

Bis 5.3.2017

Mu.Zee

Romestraat 11

8400 Ostende

http://www.muzee.be/en/muzee

Öffnungszeiten:

Di-So 10 – 18.00 Uhr (Montag Ruhetag)

Eintritt: 9 EUR, ab 55+ Jahre 7.50 EUR; 13-26 Jahre 1 EUR; bis 12 Jahre gratis

 

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