Die Zahl der klassischen Jazz-Trios ist fast nicht mehr zu zählen. Vielfach pflegen diese Trios einen Jazz, der Geschichten erzählt, also als narrativ bis lyrisch zu kennzeichnen ist. Erzählstrukturen sind bei Peter Vandenberghe (Piano), Kristof Rosseeuw (Accoustic bass) und Teun Verbruggen (Drums) auch vorhanden, aber eben nicht in einer Ausschließlichkeit wie bei triosence, Maria Baptist oder Torque Trio, deren Alben bei Jazz’halo bereits besprochen wurden.
Too Noisy Fish – man lasse sich diesen Bandnamen mal wirklich durch den Kopf gehen – ist laut und leise, lyrisch und elegisch, dramatisch, avantgardistisch und anarchistisch, bisweilen chaotisch anmutend, aber immer auch mit einer thematischen Struktur unterwegs, auch wenn diese hier und da mit „musikarchäologischem“ Verstand auszugraben ist. Noch etwas zeichnet das vorliegende Album aus: Es ist divers. Weder die Harmoniestrukturen noch der Duktus verlaufen schemenhaft gleich. Überraschungen sind vorhanden. Hörfarben wechseln, von Schwarz bis Violett, wenn man denn zu Tönen Farben sehen könnte. Das Düstere ist ebenso präsent wie das Helle.
Gleich mit dem ersten Stück liefert das Trio mehr als nur ein Gesellenstück ab: „Bring It Home/Oh God“. Wir hören am Anfang ein springlebendiges Klavierspiel in Begleitung eines schnell gezupften Basses. Je länger die Komposition fortdauert, desto mehr kommt Peter Vandenberghe an seinem Tasteninstrument in Fahrt. Gekonnt verbindet er die akzentuierten Basslinien mit dem Spiel der rechten Hand, die flink auch auf die hohen Töne zusteuert. Irgendwann gibt es im Verlauf des Stücks einen Tempowechsel, die Jagd der Töne hat ein Ende. Getragen kommen dann Bass und Klavier für ein „Intermezzo“ daher. Doch dann ist wieder eine sprunghafte Melodiereihe zu hören, die vom Wirbelgetöse des Schlagzeugs überlagert wird. Zwischenzeitlich hat man, hört man aufmerksam auf Vandenberghes Spiel, den Eindruck, eine leicht verstimmte Turmuhr schlagen zu hören.
Keine Frage ist jedoch, dass Stichworte wie Eile, Hetze, Chaos, Inferno und Flucht für diese Musik des Trios zutreffend erscheinen. Mit Monk’schem Plink, Plink und Plink sowie dem Klick, Klick, Klick des Schlagzeugs eröffnet „In Dust We Trust“. Darüber breiten sich dann Zweitonschritte aus, die den schwarzen und weißen Tasten entlockt werden. Aus ihnen entwickelt sich dann eine Melodie, ohne dass das Plink, Plink, Plink gänzlich verschwindet. Tieftöniges macht sich breit. Hm, haben wir derartige Harmonien nicht schon mal von irgendjemandem gehört? War es Abdullah Ibrahim vielleicht? Wir mögen uns irren oder auch nicht. Kurzzeitig haben wir auch den Eindruck, der Blues sei ganz nahe, ehe sich wilde Klangstrudel ausbreiten. Doch am Schluss heißt es dann wieder Plink, Plink, Plink und Klick, Klick und Klick.
Schwarzer Humor mit Jazz verpackt
Durchaus mit schwarzem Humor müssen die drei Musiker des allzu lauten Fisches ausgestattet sein, denn sonst wäre ein Titel wie „Necrophilogy“ kaum möglich. Rasselgeräusche dringen an unser Ohr. Melancholisch ist das, was auf dem Klavier angespielt wird. Eine Frauenstimme meldet sich aus dem Off und rezitiert einen Text in Russisch. Kein Wunder, denn Teile der Komposition sind Andrei Tarkovskys „Stalker“ entnommen. Dabei handelt es sich um einen Science Fiction-Film des bekannten russischen Filmemachers Tarkovsky, der mit avantgardistischer Sphärenmusik unterlegt ist. Irgendwie verbreitet dieser Film ein wenig Endzeitstimmung. Davon ist in der Musik von Too Noisy Fish nichts zu merken, eher von nordischer Schwere im Sinne der Kompositionen von Grieg und Sibelius. Hören wir da nicht einen Chor mit „Freude, schöner Götterfunken …“ singen? Ein Moment der Anarchie beseelt uns.
Slow A fehlt, aber das Telefon funktioniert
Das Album wird mit den Einspielungen von „Defenestration“ und „PTMA´“ fortgesetzt, ehe wir uns musikalisch in einem türkischen Waschsalon („Turkish Laundry“) befinden. Schleudergänge werden allerdings nicht eingespielt, auch nicht das Getuschel der auf ihre Wäsche Wartenden. Stattdessen gibt es für uns eine Basseinführung, ehe dann wieder das Klavier das Zepter in die Hand nimmt. Melodiös-verspielt ist das, was erklingt. Bilder von emsigem Treiben am Bosporus drängen sich auf, hin- und herfahrende Fähren, eilende Passanten, Lärm der Großstadt rund ums Tokapi. Mit dem Bass fing unser Waschsalon an und mit dem Bass verlassen wir auch das Waschparadies.
Warum es nicht „Slow A“ auf dem Album gibt, sondern nur „Slow B“ und später noch „Fast B“, müsste man die drei Fische fragen, die zu laut sind. Als Gag wurde beiden Aufnahmen noch ein Anrufmitschnitt beigefügt, bei dem sich der Angerufene über die Störung während der Aufnahme des Albums von Too Noisy Fish beschwert.
Jazzeroberer kommen
Zum Schluss noch ein Wort zu dem Titel „Jazz Invaders“: Das klingt als Titel wohl sehr martialisch. Warum bloß? Elektronische Geräusche sind zu vernehmen. Es hört sich an, als würden gerade geschlüpfte Alligatorenkinder nach ihrer Mutter rufen. In stetem Modus bespielt Vandenberghe die schwarzen und weißen Tasten. Das Anschwellen und das Abschwellen von Tonfolgen dringen an unser Ohr. Derweil bleibt der Bass gelassen. Nachfolgend hören wir dramatische Passagen von kurzer Dauer. Im weiteren Verlauf des Stücks zeigt sich der Bass auch mal als Rampensau und versteckt sich nicht. Trillerpassagen und Trommelwirbel kommen hinzu. Mit einer dumpfen Basstastenfolge klingt das Stück schließlich aus. „Watch the Dark“ beschließt das sehr hörenswerte Album.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Too Noisy Fish: Fight Eat Sleep Rat Records, RAT 022Rat Records
http://users.telenet.be/brunovansina/rat/catalogue.htm
http://www.ratrecords.biz/
Musiker
Teun Verbuggen
http://teunverbruggen.com/
Im Text erwähnt
Andrei Tarkovskys „Stalker“
https://www.youtube.com/watch?v=nBBR8Pn7eUQ
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