Von Ferdinand Dupuis-Panther. An der Sambre liegt der beschauliche Ort Thuin, von dem wohl niemand etwas wüsste, wenn es denn nicht das UNESCO-Weltkulturerbe Glockenturm von Thuin gäbe. Doch neben dem Glockenturm sind es die Hängenden Gärten, die in Thuin etwas Besonderes sind. Begeben wir uns also in den „Stiefel des Hennegaus“.
Die Stadt gliedert sich in eine Unter- und eine Oberstadt. In der Unterstadt befindet sich das Quartier der Schiffer zwischen Rue du Rivage und Rue Longue. An einer Hausfassade in der Rue du Rivage findet man das Symbol der letzten örtlichen Schiffswerft, die 2003 dicht machen musste.
Die Sambre ist ein kanalisierter Fluss, sodass es nicht verwundert, in der Rue de Déversoir eine manuell zu betätigende Schleuse zu finden, die aus der Zeit von 1820 stammt. Die Häuser im Quartier sind meistens aus Back- und Naturstein erbaut worden und stammen in Teilen aus dem 17. und 19.Jahrhundert. Doch findet man längs des Flusses auch moderne Architektur aus den späten 1920er und frühen 1930 Jahren.
An die Geschichte der Binnenschifffahrt erinnert der in Thuin vor Anker gegangene Lastkahn „Thudo“, in dem ein Museum eingerichtet wurde, das an die glorreichen Tage der Binnenschifffahrt erinnert. Die Ersten, die sich 1835 auf dem Wasserweg in die französische Hauptstadt aufmachten, waren die Gebrüder Blampain aus Thuin! Kaum einer weiß, dass um 1900 in Thuin 1100 Binnenschiffer lebten und das bei einer Bevölkerung von 5000 Einwohnern. Wer in den Schiffsrumpf der „Thudo“ hinabsteigt, der schnuppert ein bisschen Binnenschifffahrtsluft.
Von der Unterstadt hat man auch einen guten Blick auf das benachbarte Lobbes und die dortige Stiftskirche Sainte-Ursmer, die im Kern aus karolinischer und präromanischer Zeit stammt, jedoch 1794 im Verlauf der Französischen Revolution schweren Schaden nahm. Vorhalle und Westturm stammen aus der Zeit des 11.Jahrhunderts und sind romanisch, während Mittelschiff und Seitenflügel bereits im 9.Jahrhundert anstanden. Jüngeren Datums ist der Vierungsturm (19.Jh.).
Wir fahr’n. fahr’n, fahr’n mal Straßenbahn
Ein Spaß für die ganze Familie ist der Besuch des Centre de Découverte du Vicinal mit dessen historischen (Straßen)bahnen. Sie gehen auf die Gründung der Nationalen Lokalbahngesellschaft SNCV im Jahr 1885 zurück. Noch heute verkehrt nach Einstellung des regelmäßigen Betriebs und Aufgabe des Streckennetzes ab und an eine Straßenbahn zwischen Thuin und Lobbes, einst Teil der bis 1983 betriebenen Strecke Andalues-Thuin. Das Zentrum der Lokalbahnen befindet sich heute dort, wo einst der Bahnhof Thuin-West als Teil des nationalen Eisenbahnnetzes bestand. Fans von Oldtimern werden von den alten Bahnen begeistert sein, die in Thuin für die Nachwelt aufbewahrt werden. Unter den Fahrzeugen ist auch die Vicinal PCC, die auch als „Schiffstram“ bekannt wurde.
Glockenturm und Hängende Gärten in der Oberstadt
65 Meter hoch ist der Glockenturm, der über den für das Städtchen so charakteristischen „Hängenden Gärten“ thront, in denen Kernobst und Wein gedeihen. Bis heute lässt sich am Turm die Inschrift „DECANUS ET/CAPITULUM/ECCLESIAEA“ und „COLLEGIATAE/THUDINIENSIS/AN 1639“ entziffern, die Auskunft sowohl über das Baujahr als auch die Nutzer gibt. Verlassen wir dieses Monument der Weltkultur und spazieren über die Grand’rue zur Posty des Soeurs grises, zum „Gang der Grauen Schwestern“. Dieser Orden, der sich um die Kranken der Stadt kümmerte, war seit dem 15.Jahrhundert in Thuin ansässig. Um der Krankenversorgung im Sankt-Elisabethkrankenhaus nachzugehen, mussten die frommen Frauen das in der Grand’rue gelegene Kloster verlassen und nutzen den überwölbten Gang, um an ihren Einsatzort im Viertel „La Piraille“ zu gelangen.
Auch wir wählen diese abschüssige „Gasse“, allerdings nur um einen Blick auf die „Hängenden Gärten“ zu werfen. Diese in Terrassen angelegten Gärten, in denen Obstbäume und Weinstöcke gedeihen, erstrecken sich bis hinab zum Flüsschen Biesmelle im Süden von Thuin. Eidechsen haben in den Trockenmauern ihr Revier gefunden, aber auch Erdkröten kommen an feuchteren Stellen vor. 15 Schmetterlingssorten kann man in den Gärten herumflattern sehen, darunter das Gelbe Ochsenauge. Dohlen finden sich in diesem Stückchen von Menschenhand geschaffener Natur ebenso ein wie Rauchschwalben und Blaumeisen sowie Rotkehlchen.
Weitere Informationen
Maison du Tourisme Val de Sambre et Thudinie
Place Albert 1e, 2
www.valdesambre-thudinie.be
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