Von Michael Stabenow.
Georges-Louis Bouchez, Jahrgang 1986, stammt aus der Umgebung von Mons. In der Hochburg des Bürgermeisters und langjährigen sozialistischen Parteivorsitzenden Elio Di Rupo unternahm der wallonische Liberale seine ersten politischen Gehversuche. Eine Zeitlang war der studierte Jurist Mitarbeiter des ehemaligen Außenministers und heutigen belgischen EU-Kommissars Didier Reynders.
Im Wahlkampf 2019 wurde er vom damaligen belgischen Premierminister und aktuellem EU-Ratspräsidenten Charles Michel zunächst zum Sprecher des Mouvement Réformateur (MR), also der französischen Liberalen, ernannt. Ende November, gelang es ihm mit Rückendeckung Michels dann, seinen Gegenkandidaten Denis Ducarme bei der Wahl des Parteivorsitzenden klar zu schlagen.
Schon wenige Tage danach stand Bouchez plötzlich im Rampenlicht der belgischen Politik, als er gemeinsam mit dem ebenfalls frischgebackenen Vorsitzenden der flämischen Christlichen Demokraten (CD&V), Joachim Coens, einen Sondierungsauftrag zur Regierungsbildung erhielt. Ende Januar wurden beide jedoch weitgehend unverrichteter Dinge von diesem Auftrag entbunden. Ein Schicksal, mit dem sie in der belgischen politischen Arena mit ihren vielen vergeblichen Versuchen zur Regierungsbildung aber keineswegs alleine stehen.
Die Bouchez nachgesagte Bewunderung für den mehrfachen britischen Formel 1-Weltmeister Lewis Hamilton passt zum herkömmlichen MR-Image als Honoratiorenpartei ebenso wenig wie der vom Handgelenk bis zur Schulter tätowierte rechte Arm. Bouchez, der an manchen Tagen Dutzende von Tweets im Internet absetzt, neigt zu exzentrischen Auftritten. Böse Zungen bescheinigen dem stets adrett gekleideten und gerne lächelnden Politiker auch einen Hang zur Hyperaktivität. So präsentierte sich Bouchez Ende April, inmitten des Lockdowns der Coronavirus-Pandemie, strahlend als neuer Vorsitzender des Fußballklubs Francs Borains – mit einem Schal in den Vereinsfarben auf dem Schultern.
Eine Weile schien es ruhiger um den umtriebigen MR-Parteichef geworden zu sein. Ende Juni tauchte er wieder in einer zentralen Rolle auf. In einem von den belgischen Medien halb spöttisch als die „drei Könige“ bezeichneten Trio mit Egbert Lachaert, dem Ende Mai gewählten neuen Vorsitzenden der flämischen Liberalen (Open VLD), sowie – abermals – CD&V-Parteichef Coens versucht sich Bouchez an der Bildung einer sogenannten “Arizona-Bündnisses”. Ihm sollen außer Open VLD, MR und CD&V (mit insgesamt 38 Abgeordneten), die Neue Flämische Allianz (N-VA) mit 24 Sitzen, die kleine französischsprachige Zentrumspartei CDH (fünf Sitze) sowie die flämischen Sozialisten (SP.A) mit ihren neun Sitzen angehören.
Ob Bouchez für eine solche Koalition über genug politisches Vertrauen seiner potentiellen Partner verfügt, muss sich erst noch zeigen. Richtig gut scheint das Verhältnis zu Connor Rousseau, dem jungen SP.A-Chef, beispielsweise nicht zu sein. Gegenüber der Zeitung „De Morgen“ hatte Rousseau berichtet, Bouchez habe sich, in seiner damaligen Rolle als königlicher Beauftragter, über ihn mit den Worten mokiert: „Sieh da, der Schuljunge ist da.“, weil er mit Rucksack erschienen sei. Und das Internetportal „Newsmonkey“ zitierte einen anderen, namentlich nicht genannten, Parteivorsitzenden mit den wenig schmeichelhaften Worten: „Sobald man den Mann in vertrauliche Gespräche einbezieht, liegen die Dinge umgehend auf offener Straße.“
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