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Schon mal von „Saint-Gilloise“ gehört?

 

 

 

 

 

 

 

Von Michael Stabenow

Man kann, muss aber nicht unbedingt Anhänger des Fußballvereins Royale Union Saint-Gilloise (RUSG) sein. Gerade einmal 9400 Zuschauer fasst das Jean Marien-Stadion, das übrigens nicht in der Brüsseler Gemeinde Saint-Gilles, sondern im benachbarten Forest liegt. Nicht weniger als elfmal gewann der 1897 gegründete Verein den Landestitel. Die bisher letzte Meisterschaft – im Jahr 1935 – liegt freilich schon fast neun Jahrzehnte zurück.

Vielleicht klappt es ja in dieser Spielzeit mit dem zwölften Titel. Schließlich führt “L’Union” oder  “Union”, wie in Belgien Freund und Feind den Verein auf Französisch oder auf Niederländisch nennen, derzeit die Tabelle der „Jupiler Pro League“ fast unangefochten vor der Konkurrenz aus Anderlecht, Antwerpen und Brügge an. Nicht nur Uraltfans, die noch die guten alten Zeiten des Traditionsvereins in Erinnerung haben, drücken Union die Daumen. Dabei ist das so eine Sache mit der Tradition. Denn in der Wiederauferstehung des Vereins steckt nicht nur viel Tradition, sondern auch viel Geld.

Dass 2021 nach einer Durststrecke von fast einem halben Jahrhundert die Rückkehr  in die erste Liga gelang, hat viel mit dem Engagement des britischen Investors Tony Bloom zu tun. Der Eigentümer und Präsident des englischen Erstligisten Brighton & Hove Albion übernahm 2018 den damaligen Zweitligaclub. Da beide Vereine sich 2023 für die internationale Wettbewerbe qualifizierten, wandelte Bloom mit Rücksicht auf die Spielregeln der Union der Europäischen Fußballverbände (UEFA) seine Mehrheits- in eine Minderheitsbeteiligung um.

So weit, so gut. Auch in Deutschland hat der Verein inzwischen einen Namen – nur dass er dort meist nicht „Union“ genannt wird. Dass die RUSG in deutschen Landen nicht nur in Fernsehübertragungen, sondern auch in den Sportnachrichten ebenso penetrant wie falsch die in Belgien unbekannte Bezeichnung „Saint Gilloise“ trägt, muss irgendeinen Grund haben. Vielleicht liegt es daran, dass Union bei der ersten Begegnung in der Europa-League mit einem deutschen Verein im März 2023 ausgerechnet auf Union….Berlin stieß und sich für das Viertelfinale qualifizierte.

Union“ gegen „Union“ – das klang wohl etwas zu verwirrend. Und so fand wohl „Saint-Gilloise“, zuweilen gar „St. Gilloise“, den Eingang in den deutschen Sprachgebrauch. Dass für belgische Ohren „Union“ gegen „Saint-Gilloise“ noch verwirrender klingen muss – wen scherte es in Deutschland? Und so setzte sich flugs die falsche Bezeichnung fest. Das galt für die Berichterstattung rund um das Ausscheiden von „Union“ gegen Bayer Leverkusen im Viertelfinale im April 2023 – und auch jetzt wieder anlässlich des ausgerechnet im Stadion des Brüsseler Erzrivalen RSC Anderlecht ausgetragenen und 2:2 ausgegangenen Hinspiels im Achtelfinale der „Conference League“ gegen Eintracht Frankfurt.

Saint-Gilloise“ hört sich für belgische Ohren in etwa so an, als würde man den Hamburger SV nicht als HSV, sondern als „Hamburger“ bezeichnen – so appetitlich diesen Begriff manche Zeitgenossen auch finden mögen. Oder als ob Hertha BSC plötzlich nur noch als „BSC” firmierte – ganz so wie der rheinische Oberligist Bonner SC, den wohl wiederum niemand nach dem Muster von „Saint-Gilloise“ verkürzt als „Bonner“ bezeichnet.

Scheidet Union jetzt im Rückspiel in Frankfurt gegen „die Eintracht“ aus, dürfte sich der Spuk mit “Saint-Gilloise” erst einmal legen. Aber das nächste Aufeinandertreffen mit einem deutschen Verein – und die „Saint-Gilloise“-Wiederkehr – in Deutschland dürfte nur eine Frage der Zeit sein: in der Conference-, Europa- oder, angesichts der derzeitigen Union-Stellung als souveräner Tabellenführer wahrscheinlicher, in der Champions League.

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