Rund 10 Kilometer, zweieinhalb Stunden, mittelschwer, weitgehend unbefestigt
Beschilderung: blaues Rechteck auf weißem Untergrund mit der Ziffer 4
Startpunkt: Parkplatz am Aussichtsturm oberhalb des Stausee Barrage de la Gileppe, Route de la Gileppe 55, 4845 Jalhay,
Anfahrt ÖPNV: nicht zu empfehlen; Fußweg von der nächstgelegenen Bushaltestelle (TEC Linie 724 Verviers – Eupen, verkehrt sonntags nicht) fast 4 Kilometer.
Von Michael Stabenow
Belgien und Stauseen? Wie passt das zusammen? Gar nicht so schlecht, zumindest wenn man auf Wallonien blickt. Neun Stauseen zählt die Region. Der größte Komplex ist der südlich von Charleroi gelegene, in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandene und fünf Seen mit einer Gesamtfläche von über sechs Quadratkilometern umfassende Barrage de l’Eau d’Heure.
Gut ein Jahrhundert früher – im Jahr 1878 – weihte der damalige König Leopold II. die östlich von Verviers und südwestlich von Eupen gelegene Gileppe-Talsperre ein. Die Staumauer ist Ausgangs- und Endpunkt einer offiziell 8,7 Kilometer langen, aber in der Praxis ein gutes Stück längeren Rundwanderung. Sie führt entgegen dem Uhrzeigersinn und mit einigem Auf und Ab durch den nördlich des Sees gelegenen westlichen Teil des Hertogenwalds, der durch eine Mischung aus Nadel- und Laubholz gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu manchen anderen belgischen Wäldern wirkt das Areal wie ein Paradebeispiel eines nach allen Regeln der forstwirtschaftlichen Kunst gehegten Staatsforsts.
Mit einer Wasseroberfläche von rund 1,3 Quadratkilometern, einer 64 Meter über den Talboden reichenden Staumauer und einem Fassungsvermögen von mehr als 26,5 Millionen Kubikmetern Wasser bildet die Gileppe-Talsperre zusammen mit der östlich von Eupen gelegenen und 1950 fertiggestellten Wesertalsperre den nach dem Barrage d´Eau d´Heure größten Stausee Belgiens. Die Staumauer der Gileppe-Talsperre wird beherrscht von einem mehr als 13 Meter hohen steinernen Löwen, dessen stolzer Blick in Richtung der bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nur wenige Kilometer entfernten Staatsgrenze zum damaligen Deutschen Reich geht.
Überragt werden der Löwe und die Staumauer der bis 1971 deutlich erweiterten Anlage durch einen geschmacklich gewöhnungsbedürftigen, fast 80 Meter hohen Aussichtsturm mit Restaurant. Von April bis September sind Turm und Gaststätte montags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr, freitags bis sonntags von 11 Uhr bis (ziemlich) spätabends geöffnet. Im Winterhalbjahr sind die Öffnungszeiten kürzer, am Dienstag ist die Anlage geschlossen.
Wer Lust auf eine lange Wanderung verspürt, kann sich für den 15,6 Kilometer langen Seerundweg („Tour du Lac“) entscheiden. Er gilt als anspruchsvoll und verläuft entgegen dem Uhrzeigersinn und zum Teil in größerer Entfernung vom See. Veranschlagt werden dafür knapp vier Stunden. Wir entscheiden uns für den kürzeren Rundweg „Grand Lys“ (OTJS5670-Gd_LYS-V4.indd (gileppe.com). Er ist gut gekennzeichnet durch ein blaues Rechteck und die Ziffer 4.
Bis wir den Ausgangspunkt erreichen, müssen wir zunächst vom Parkplatz der Anlage einen durch einen Kletterpark für jüngere Semester führenden Fußweg nehmen. Er führt uns hinunter zur und anschließend über die Staumauer, die schöne Ausblicke nach Osten über den See und in nördlicher Richtung auf das von bewaldeten Hügeln gesäumte Tal der Gileppe eröffnet. Wir laufen zunächst einige hundert Meter in östlicher Richtung auf dem asphaltieren Uferweg entlang, von den wir oberhalb des Endes einer kleinen Bucht nach links abzweigen. Nun geht es steil in den Wald hinauf auf ein Plateau.
Jetzt begreift man, warum der Forst die Bezeichnung „Hertogenwald“ (Wald der Herzöge) zu Recht trägt, Er diente, wie wir auf der Website www.gileppe.com erfahren, einst als Jagdrevier für die Herzöge von Limbourg – benannt nach dem etwas weiter westlich gelegenen gleichnamigen Ort. Das Herzogtum war einst, wie uns Wikipedia in Erinnerung ruft, Teil des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, ehe es zunächst an die Niederlande und später an Frankreich fiel. Aus den nördlichen Teilen des Herzogtums sind später die heutigen belgischen und niederländischen Provinzen Limburg hervorgegangen.
Aber genug der historischen Exkurse. Der bestens gepflegte Wald mit abwechselnd hohen Laubbäumen und Tannen (der Borkenkäfer hat auch hier mancherorts leider den Fichten den Garaus gemacht) strahlt Ruhe und Erhabenheit aus. Nur selten können wir einen Blick auf den nahegelegenen See erheischen. Dann geht es ein Stück auf einer asphaltierten Straße entlang, ehe wir links wieder bergauf tiefer in den Wald hineingehen. Die Ruhe wird jetzt – zumindest in der feuchten Zeit – durch eine Reihe von Wasserläufen durchbrochen.
Dass der Hirsch nicht nur als Wappentier des Waldes gilt, sondern dass er dort auch tatsächlich zu sichten ist – davon können wir uns an diesem Tag plötzlich überzeugen. Mehr als ein paar Blicke lässt das Tier freilich nicht zu, da es rasch wieder tiefer in den Wald hinein entschwindet.
Wir kommen nun in den nördlichen Teil der Rundwanderung. Plötzlich entdecken wir am linken Rand eine kleine Lore und erkennen die Spur einer den Wanderweg kreuzenden ehemaligen Schmalspurtrasse. Sie diente bis 1952 einer nach dem Namen des französischen Erfinders Jean Decauville benannten Bahn.
Wie einer mit einem zeitgenössischen Foto versehenen Hinweistafel zu entnehmen ist, entstand das insgesamt mehr als 60 Kilometer lange Schienennetz im Ersten Weltkrieg. An der Errichtung waren maßgeblich italienische und russische Kriegsgefangene beteiligt. Das Holz wurde hier geschlagen, anschließend in einem Nachbarort zersägt und dann weiter an die Kriegsfront in Flandern transportiert. Im Hertogenwald habe dies zu einem regelrechten „Raubbau“ geführt, dessen Spuren heute in dem gut gepflegten Wald jedoch nicht mehr zu erkennen sind.
Etwas später sehen wir linkerhand eine kleine Senke – Spuren des in dieser Gegend im 19. Jahrhundert kurzzeitig betriebenen Abbaus von Eisen-, Zink- oder Bleierzen. Nach einigen weiteren Schritten sehen wir rechts eine größere Wiese, an deren Ende einige Wohnhäuser zu erkennen sind. Nach einem Knick nach links klettern wir ein längeres Stück ziemlich steil in die Höhe.
Von dort aus geht es auf einem ebenfalls ziemlich steilen und zuletzt sehr holprigen Weg wieder an das Ufer der Talsperre und zum Ausgangspunkt der Rundwanderung hinunter. Vor dem abschließenden Abstieg bieten zwei rechterhand gelegene kleine Aussichtspunkte einen schönen Blick auf den Staudamm und die Gileppe-Talsperre.
Beiträge und Meinungen