Von Heide Newson.
Der Flieger der TUI-Belgien für den 22. März ist bestätigt. Ich kann aufatmen. Kurz zuvor informierte TUI noch: „ All flights are cancelled from 23 March, passt gut auf euch auf.“
Am Flughafen in Cancun, Mexiko, sind alle Flugschalter sind leer. Nur beim TUI-Flug nach Brüssel stehen die Menschen Schlange soweit das Auge reicht. Ich versuche mir ein Bild der unübersichtlichen Lage zu machen und komme zu der Überzeugung, dass viele Urlauber heute Abend auf der Strecke bleiben werden. Optimistisch, ich habe ja einen bestätigten Flugschein, reihe ich mich in die Schlange ein. Nur wenige schützen sich mit einer Gesichtsmaske. „Die brauchen wir eh erst in Belgien, hier fühlen wir uns noch sicher,“ meint ein junges Paar. Nach einer Stunde bin ich beim Einchecken an der Reihe und glaube schon mit einem Fuß in Belgien zu sein. Doch weit gefehlt. Ein mexikanischer TUI-Angestellten erklärt mir, dass ich nicht auf seiner Liste stehe und mich registrieren müsse. Wofür und genau wo, verrät er nicht.
Proteste diverser Reisender mit bestätigten Tickets werden laut. Eine Wallonin, im dritten Monat schwanger im Rollstuhl sitzend, wird hysterisch. Drei Tage warte sie bereits auf einen Flug, es ginge ihr miserabel, sie müsse dringend zu ihrem Arzt. Von den TUI-Verantwortlichen wird sie ignoriert, von ihren Landsleuten dagegen rührend umsorgt. Ein junger Flame will ihr sogar seinen gesicherten Rückflugplatz überlassen. Die Solidarität unter den Belgiern ist beispielhaft, ich bin stark beeindruckt.
Nach weiteren Stunden voller Ungewissheit und Schlangestehen, werde ich doch abgefertigt. Manchmal hat das Alter doch einen Vorteil, denke ich. Zunächst geht es durch einen medizinischen Sicherheitstrakt der wie aus einem Science-Fiction Film anmutet. Die Temperatur wird dort von einer weiß-vermummten Figur gemessen, die aus einem der „Star Wars“-Streifen stammen könnte. Alle scheinen fieberfrei.
„Lasst uns erstmal zusammen einen Kaffee trinken,“ schlägt ein Ehepaar aus Löwen vor. In Belgien können wir das dann nicht mehr, da gilt es Abstand voneinander zu halten.“ Eine weitere Touristin sorgt sich um ihre Tochter, die in Flandern als Krankenschwester tätig ist. „Wir haben unseren Urlaub eigens abgebrochen, aber nun ist ganz Belgien im Würgegriff von Corona. Und durch die strengen Regeln, für die wir Verständnis haben, und an die wir uns halten werden, können wir weder sie noch unser Enkelkind sehen. Hoffentlich nimmt alles ein gutes Ende.“
Der proppevolle Flieger hebt mit dreistündiger Verspätung in Richtung Brüssel ab. Die Flugbegleiterinnen, alle mit Gesichtsmaske, sind freundlich, aber sehr schweigsam. Ich sitze neben der ausgesprochen gesprächigen Wendy, die in St. Hubert lebt und arbeitet. Wegen der aktuellen Situation in Belgien und der Reisewarnung war sie zusammen mit ihrer Freundin in aller Frühe im Mietwagen aus Südmexiko nach Cancun gerast, nachdem sie von der TUI informiert wurden, schon am Abend die Heimreise antreten zu müssen. Wendy schwärmt von Mexiko. Inmitten der indigenen Bevölkerung habe sie gelebt. Dennoch hat sie den Ernst der Lage längst erkannt. Wie es mit ihrem Job weitergehe, wisse sie nicht, zunächst sei Heimarbeit angeordnet. „Vielleicht geht am Ende etwas Positives aus der Coronakrise hervor,“ hofft sie dennoch, und lässt ihre Gedanken zurück ins südliche Mexiko schweifen.
In Belgien angekommen müssten wir nun 1,50 Meter Abstand zu anderen Personen halten, kündigt die Flugbegleiterin an. Bevor wir den Flieger verlassen, umarmt mich Wendy á la belge:„Noch ist es möglich,“ lacht sie. Nur schwer können wir uns an die neuen Regeln gewöhnen und uns daran halten. Im Flieger lachten und scherzten wir alle miteinander, hielten keinen Abstand, was auch gar nicht möglich gewesen wäre.
Jetzt, auf dem gespenstisch und surreal anmutenden Brüsseler Flughafen, sind wir in der Coranarealität angelangt.
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