Von Margaretha Mazura.
Seit Juli 2020 hat sich das Straßenbild radikal verändert: Sah man früher lachende, traurige, gelangweilte oder grantige Gesichter, versteckt sich nunmehr jedes Mienenspiel hinter einer Maske. Die COVID-bedingte vorrangige Schutzfunktion zeigt zugleich eine weitere, und weitaus ältere, Aufgabe der Maske: die Verhüllung oder Unkenntlichmachung.
Der Ursprung des Wortes Maske ist nicht geklärt. Viele schreiben es dem Arabischen zu, eine andere Theorie, ebenso amüsant wie unwahrscheinlich besagt, dass sie aus dem Spanischen kommt, “más que la cara”, also “mehr als das Gesicht” woraus sich das Wort “máscara” entwickelt haben soll.
Masken waren und sind bei allen Völkern und Kulturen der Welt bekannt und in Gebrauch. Sie dienen meist rituellen und sakralen Gebräuchen. Als goldene Totenmasken wurden sie in prä-kolumbianischen Kulturen Südamerikas oder als Grabbeigaben in Tutanchamuns Ägypten bekannt. Eskimos verwenden Masken ebenso wie afrikanische Stämme, die sich in schamanischen Tänzen den Göttern in Gestalt der Maske nähern oder durch Trance die Kraft des Maskentieres auf sich übergehen lassen. In Mitteleuropa sind Perchtenmasken zur Vertreibung des Winters (und als Fruchtbarkeitsritual) der letzte Rest archaischen Brauchtums. Ganz ähnlich geht es bei Fastnachtsumzügen zu, wo in Verkleidung noch einmal mit Musik, Tanz und Lärm „auf die Pauke gehauen wird“, bevor die Fastenzeit beginnt.
Praktische Anwendung der Maske
Während Masken traditionellerweise mit dem Theater assoziiert werden, hatten sie in vergangenen Jahrhunderten auch praktische Bedeutung. So schützten sich die Damen der Gesellschaft vor Sonnenstrahlen (denn der blasse Teint zeugte von einem Leben ohne Arbeit im Freien), aber auch vor Winterkälte mit einer ovalen, meist schwarzen Maske, die aus Samt hergestellt wurde. Diese Masken wurden “Visier” genannt. So sieht man auf Wenceslaus Hollers Radierung um 1630 betitelt “Winter” eine elegante Dame mit großem Pelzmuff und schwarzer Halbmaske, die Stirn, Wangen und Nasenbereich bedeckt. Oder der englische Stich eines Reiters, hinter dem die Dame zu Pferde sitzt, ihr Gesicht vor Sonne und Staub verdeckt mit einer Vollgesichtsmaske. Auch die ersten motorisierten Damen um 1900 trugen eine Art von Ledermaske mit Augenschutz.
Die Maske im medizinischen Bereich zum Schutz von Patient und Arzt war auch schon vor COVID bekannt. Zu Zeiten der Pest legten “Pestdoktoren” Masken mit langer “Nase” an, nicht nur um Distanz zum Patienten zu halten, sondern auch um die Pestilenz, den Gestank, der nach der Meinung der Menschen damals die Seuche verbreitete, durch wohlriechende Kräuter und Substanzen wie Amber abzuhalten: sie wurden in kleinen Säckchen im Nasenfortsatz der Maske verstaut. Diese “Schnabelmasken” wurde vor allem in Italien und Frankreich verwendet.
Karneval und Maskenbälle
Ludwig XIV. kostümierte sich als Sonnengott Apoll für das höfische Ballett. Im 18. Jahrhundert wurden Maskenbälle en vogue, in der die Teilnehmer zur Unkenntlichkeit verhüllt waren. In Venedig trug man die Maske nicht nur zur Karnevalszeit. Der Grund dafür war weniger die “Gleichstellung” aller, wie heute oft interpretiert wird, sondern die Unkenntlichmachung aller. So konnten auch Damen der Gesellschaft bei Glücksspielen oder anderen Spektakel teilnehmen, ohne erkannt zu werden. Wie zum Beispiel beim ersten Rhinozeros in Venedig, das von Pietro Longhi abgebildet wurde. Dort sieht man im Hintergrund eine Dame mit schwarzer ovaler Vollmaske, der sogenannten “moretta”: Diese Maske wurde an einem Knopf zwischen den Zähnen gehalten – was auch verhinderte, durch die Stimme erkannt zu werden – und zum schweigenden, mysteriösen Auftritt passte. Ein anderes venezianisches Kostüm ist die “Bauta”, ein langer Mantel mit kurzem Übercape, Dreispitz und der “larva”, einer weißen oder schwarzen Halbmaske, die den Mund frei ließ – wodurch man essen und trinken konnte. Sie wurde von Männer und Frauen getragen. Diese Mode wurde in den 1920er Jahren bei vielen venezianischen Festen in Frankreich wieder aufgenommen.
Von Damen der gehobenen Aristokratie erzählt man sich Anekdoten, dass sie, um dem Hofzeremoniell zu entkommen, in einem “Domino”, das ist ein cape-artiger Umhang mit Maske und oft auch Kapuze oder Schleier, an Bällen teilnahmen. So soll Marie-Antoinette unerkannt einmal die Nacht durchgetanzt haben, wie auch Kaiserin Elisabeth im Beisein ihrer Hofdame. Sisi war ganz in Gelb gekleidet, nannte sich Gabriela und schrieb an ihren Ball-Verehrer noch 10 Jahre später romantisch-phantastische Briefe – die unbeantwortet blieben.
Bälle mit Maskenpflicht gibt es auch heute noch, z.B. in Wien, Redouten genannt. Um Mitternacht heißt es dann: Die Masken fallen…und man ist über den einen oder anderen Tanzpartner doch überrascht (so wie in der Operette „Die Fledermaus“, in der sich die eigene Frau als „schöne unbekannte Maske“ ausgibt und damit ihrem Mann einen Streich spielt).
Und noch mehr Masken…
Es gibt Schönheitsmasken (die Kühle auf die Augen und Runzeln bringen), Totenmasken, den verstorbenen Persönlichkeiten abgenommen, und “Schandmasken”, die wie ein Käfig schwatzhaften Frauen auf den Kopf gesetzt wurden. Berüchtigt war die Wiener “Katzenbeisse” für “zänkische Weiber”, bei dem die Zunge ähnlich einer Pferdetrense “in Zaum” gehalten wurde, damit sie nicht sprechen konnten.
Es gibt Tauchermasken, Gasmasken und jetzt jede Menge COVID-Masken, von bunten self-made Versionen zu Designer-Ware oder der FFP2 aus der Apotheke. Die Maske wurde in den letzten Monaten zum Alltagsutensil erhoben, mit deren Hilfe man hofft, dem Virus erfolgreich zu begegnen. Hoffen wir, dass wir Dank Impfstoff bald die Masken fallen lassen können.
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