Archiv, Kultur

Französischer Triumph beim Concours Reine Elisabeth

Victor Julien-Laferrière

Von Egon C. Heinrich.

Ganz offenbar hat der Wahlsieg von Emmanuel Macron und seiner Bewegung „En Marche“ auch Kunst und Künstlern in Frankreich neuen Schwung verliehen. Wie wäre es sonst wohl zu erklären, dass beim diesjährigen Internationalen Musikwettbewerb (Concours) Reine Elisabeth in Brüssel gleich gleich vier junge Franzosen das Finale der zwölf besten Cellisten erreicht und dabei den ersten und den vierten Preis gewonnen haben.

Nach dem Ende der Konzerte der beiden letzten Finalteilnehmer mussten die Musikfreunde am 03. Juni im großen Konzertsaal des BOZAR noch bis nach Mitternacht auf die Verkündung der Preisträger warten. Es herrschte im Saal eine große Spannung, fast wie bei einer Oscar-Verleihung in Hollywood. Naturgemäß waren die Dekolletés der Damen im BOZAR nicht ganz so offenherzig wie in Hollywood.

Als dann der Vorsitzende der Jury, Arie Van Lysebeth, die Rangfolge der ersten sechs Plätze bekanntgab, war das Publikum doch etwas überrascht; es brach aber großer Jubel bei Bekanntgabe eines jeden Preisträgers aus. Den ersten, mit 25 OOO Euro dotierten Preis – „Grand Prix International Reine Elisabeth – Prix de la Reine Mathilde“ erhielt der 27jährige Franzose Victor Julien-Laferrière. Dieser studierte zuerst bei Heinrich Schiff an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, danach bei Clemens Hagen am Mozarteum in Salzburg.. Der Gewinner hat mit seinem Cello schon andere Wettbewerbe gewonnen, u. a. beim Prager Frühling. Er ist Mitbegründer des Trio „Les Esprits“, das auch schon mehrere CDs bespielt hat. Der Preisträger ist auch schon als Solist mit mehreren französischen Orchestern aufgetreten.

Liebling (Chouchou) des Publikums und der Hörer von Musiq3 war allerdings der Weißrusse Ivan Karizna, der sich mit dem 5. Platz und mit dem Preisgeld der Region Bruxelles-Capitale von 10 000 Euro begnügen musste. Auch bei früheren Concours und bei anderen Instrumenten haben die Zuhörer meist andere Kandidaten bevorzugt als die Jury.

Deutsche Musikhochschulen international sehr beliebt

Mit dem nach dem Geiger und Komponisten Eugène Isaÿe benannten und mit 20 000 Euro ausgestatteten Zweiten Preis – Preis der Föderalregierung – wurde der Japaner Yuya Okamoto ausgezeichnet. Dieser hat u.a. an der Hochachule für Musik und Theater in München studiert. In dem kurzen TV-Film, mit dem das belgische Fernsehen alle 12 Finalisten vorgestellt hat, sprach Okamoto perfektes Deutsch. In diesem Zusammenhang ist es doch auffällig, wie viele der Teilnehmer am Concours an deutschen Musikhochschulen studiert haben oder dort noch eingeschrieben sind. Dies mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass in Deutschland keine Studiengebühren bezahlt werden müssen. In den USA, Großbritannien und in den asiatischen Ländern müssten dafür zwischen 10 000 und 30 000 US-Dollar pro Semester oder jährlich bezahlt werden: Die Landesregierung von Baden-Württemberg überlegt daher, Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern einzuführen. Noch ist aber nichts beschlossen in Stuttgart.

Belgische, deutsche und österreichische Cellisten ohne Chance

Die beiden deutschen Cellisten, die es bis zum Halbfinale geschafft hatten, konnten nicht bis zum Finale der 12 Besten vordringen; das gleiche gilt für die Österreicherin Julia Hagen, deren Vater Chef des Hagen-Quartetts ist. Die belgischen Kandidaten waren schon nach der ersten Phase ausgeschieden.

Der 22jährige Kolumbianer Santiago Cañón-Valencia kann sich über den dritten, mit 17500 Euro versehenen Preis des Mäzens Comte de Launoît freuen. Dieser glückliche Preisträger vollendet derzeit übrigens sein Masterstudium an der berühmten Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Auch er hat schon etliche Preise bei verschiedenen internationalen Cello-Wettbewerben gewonnen. Man könnte daher sagen, dass beim CRE 2017 immerhin die deutsche akademische Musikausbildung indirekt ausgezeichnet wurde.

Der Vierte Preis in Höhe von 12500 Euro wurde dieses Jahr von der Deutschsprachigen Gemeinschaft gestiftet. Er ging an den 23jährigen Franzosen Aurélien Pascal. Auch dieser verzeichnet in seiner Vita mehrere Preise auf Wettbewerben und Auftritte mit Orchestern und bei Kammermusik. Pascal hat bereits beim Beethovenfest in Bonn und im Trio mit dem Geiger Christian Tetzlaff und dem Pianisten András Schiff gespielt.

Mit dem Sechsten Preis wurde der US-Amerikaner Brannon Cho beglückt; es ist der Preis der Stadt Brüssel mit immerhin noch 8000 Euro. Wie die anderen Finalisten, so hat Cho schon etliche Preise gewonnen, und er ist schon mit großen Orchestern aufgetreten, nicht zuletzt auch in der legendären Carnegie Hall in New York.

Ein glorreicher, historischer Cello-Wettbewerb

Jury-Vorsitzender Arie van Lysebeth erklärte in einer kurzen Ansprache zum Ende des Concours, dass auch die sechs anderen Finalteilnehmer wunderbare Musiker seien. Sie alle erhalten ein Preisgeld von 4000 Euro. Van Lysebeth bezeichnete diesen ersten Cello-Wettbewerb in der 80jährigen Geschichte des CRE als ein glorreiches, historisches Ereignis. Er dankte insbesondere der Jury, dem Publikum und der Schirmherrin, Königin Mathilde, die es mit anderen Mitgliedern der königlichen Familie bis zum Ende ausgehalten hatte. Ein äußerst herzlicher und intensiver Beifall galt dem Orchester Brussels Philharmonic und seinem Dirigenten Stéphane Denève. Dieses Orchester musste in einer Woche immerhin zwölf mal die spezielle, moderne Komposition „Sublimation“ des Japaners Toshio Hosokawa, sechs mal das Cello-Konzert von Dimitri Schostakowitsch, vier mal das Cello-Konzert von Antonin Dvořák und zwei mal jenes von Robert Schumann spielen.

Musiq3“ hatte einen genialen Werbespruch für seine Live-Übertragungen vom Concours kreiert: „Elisabeth bleibt die Königin – aber in diesem Jahr ist das Cello der König“.

Jeong Hyoun (Christine) Lee

P.S.: „Chouchou“ des Berichterstatters war die charmante Koreanerin Jeong Hyoun (Christine) Lee, die leider nicht unter die ersten Sechs gekommen ist, obwohl sie das Stück „Sublimation“ am besten, und zwar mit asiatischem Tiefgang interpretiert hat. Sie wird aber dadurch in die Geschichte des Concours RE 2017 eingehen, dass sie bei einem allzu temperamentvollen Pizzicato-Zugriff zwei Saiten ihres Cello zerrissen hat. Nach ca. 15 Minuten war das Instrument repariert und das Konzert ging ohne weitere Probleme zu Ende.

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