Wenn man Brüssel sagt, denkt man zunächst nicht daran, dass die Stadt Brüssel nur eine von 19 selbstständigen Gemeinden ist, die zusammen die Region Brüssel und somit das dritte Bundesland der belgischen Föderation bilden. Mit allem Drum und Dran. Mit eigener Regierung, eigenem Parlament und was sonst noch dazu gehört. Für die Belgier selbst und insbesondere für Ausländer bleibt Brüssel dennoch der Obergriff für eine Metropole mit gut einer Million Einwohnern.
Brüssel sei aber ein gefährliches Pflaster, besagte eine Umfrage von Eurostat, dem statistischen Amt der EU vor einem Jahr. Sicherheit sei ein ganz besonderes Problem. Von der Sauberkeit schon mal gar nicht zu sprechen. Da wäre natürlich auch sofort die Gegenfrage angebracht. Warum haben sich denn überhaupt die europäischen Regierungen auf Brüssel als Hauptstadt Europas eingelassen? Wo sich die EU mit ihren Gebäuden niedergelassen hat, kann man auch nicht gerade von besserer Lebensqualität sprechen. Klagen von Brüsselern gibt es zuhauf.
Grundbedingung für das Wohlbefinden
Trotzdem, irgendetwas muss doch dran sein an diesem Konglomerat, dass sich erstaunlich viele Menschen, auch und gerade aus den Institutionen der EU und der Nato, hier wohl fühlen. Das kann nicht nur am belgischen Bier oder an der guten Küche liegen. Nein, es liegt sicher auch an einer Grundeinstellung der Brüsseler, am laissez faire, was gewissermaßen eine Grundbedingung für das Wohlbefinden ist. Zudem ein reiches Angebot an Kultur, wo jeder auf seinen Geschmack kommen kann. Zudem bleiben die meisten Brüsseler EU- und Nato-Ausländer vom Sprachenstreit zwischen Frankophonen und Neerlandophonen verschont. Eine jüngste Studie einer Brüsseler Universität kommt zu dem Schluss, dass Englisch zur Hauptumgangssprache in Brüssel promoviert.
Die 19 Brüsseler Gemeinden verfügen über ein reiches Kulturerbe. Glücklicherweise ist lange nicht alles an erhaltenswerten Häusern, Gebäuden, Parks und Gärten den Spekulanten zum Opfer gefallen, um daraus eine Stadt der Wolkenkratzer zu machen. Der Brüsseler Schriftsteller Gerd Van Istendael kam in seinem Libretto zu der Jugendoper “Ket”, die das Schicksal der Jugendlichen in dieser Großstadt zum Thema hat, zu einem Happy-End zwischen dem Gewinnstreben der Spekulanten und den Bedürfnissen nicht nur der Jugend, aus diesem Konglomerat doch einen lebenswerten Raum zu schaffen. Theater ist zwar nicht unbedingt immer Realität, aber es bringt Dinge auf den Punkt und setzt wie auch immer geartete Maßstäbe.
Und es scheint tatsächlich so, als würden sich die Verantwortlichen nicht nur in der Brüsseler Regionalregierung, sondern auch die in den 19 Gemeinden an Van Istendael halten, um für Jung und Alt mehr an der Lebensqualität zu tun. In fast allen Gemeinden der Region kümmert man sich um Spiel- und Freizeitbereiche. Auch das ist eine vorbeugende Maßnahme gegen Jugendkriminalität, die für alle Brüsseler Polizeiregionen immer noch ganz oben auf der Agenda steht. Soziale Probleme gibt es zuhauf. Migranten, Illegale, viele Arbeitslose aus allen Schichten. Das aber gibt es auch in anderen Metropolen Europas.
Das Haus Sachsen-Coburg
In Brüssel, einst Hauptstadt des mittelalterlichen Brabant und Sitz sämtlicher Herrscher und Fürsten, die sich bis in die Neuzeit die “niederen Lande” untertan gemacht hatten, haben alle ihre Spuren hinterlassen. Für die Prägung des jetzigen Stadtbildes aber ist vor allem das Haus Sachsen-Coburg verantwortlich, das mit der Gründung des belgischen Staates 1830 den Thron bestieg. Die beiden Leopolds waren dabei die eifrigsten Städteplaner. Sie hatten sich Paris zum Vorbild genommen. Es mussten große, ausladende Boulevards, repräsentative Gebäude und einladende Parks her.
Diese Nacheiferung kam zahlreichen herausragenden Architekten dieser Zeit zu gute, beispielsweise Victor Horta, dem Inbegriff des Jugendstils. Um alles, was von dieser Pracht noch vorhanden ist, zu erhalten, bedarf es heute nicht unerheblicher finanzieller Mittel. Dabei muss vermerkt werden, dass die Brüsseler Region erst in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts den Denkmalschutz eingeführt hat, um dem Abriss schöner alter Fassaden Einhalt zu gebieten.
Wohl dem Gebäude, das noch in finanzkräftiger privater Hand ist. Weniger günstig sieht es bei den verfallenen alten Gemäuern aus, die in öffentlicher Verantwortung liegen. Die Brüsseler Kassen sind so gut wie leer. Mit Ausnahme einiger, auch von “den Europäern” bevorzugten Gemeinden im Osten und Süden der Region, zählen die Brüsseler Gemeinden zu den ärmsten von ganz Belgien, sogar im Vergleich zur Wallonie. Also ist die Solidarität der beiden anderen Regionen des belgischen föderalen Staates gefragt. Das wiederum beschränkt sich vornehmlich auf Flandern, weil dort das meiste Geld verdient wird. Aber so lange Brüssel auch als flämische Hauptstadt Dienst tut – und etwas anderes ist für die meisten Flamen unvorstellbar -, wird man dafür auch einstehen müssen.
Und nicht zu vergessen die zahlreichen Arbeitsplätze, die Brüssel den Regionen Wallonien und Flandern anbietet. Um die 300.000 Flamen beispielsweise verdienen in Brüssel ihr Geld. Die täglichen Staus auf dem Brüsseler Autobahnring und den weiterführenden Autobahnen sind ein anschaulicher, wenn auch nicht gerade erfreulicher Beweis für die Anziehungskraft von Brüssel.
Autor: Heribert Korfmacher
Fotos: Johannes Wachter
Dies ist der 12. und letzte Beitrag einer Serie über die Brüsseler Gemeinden, die wir in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht haben.
Man hat herausgefunden, dass (unter anderem) schmutzige Strassen zu Kriminalität führen.
Bei uns hat man leider viele Abfallbehälter abgebaut, um die Leute zu erziehen. Hat nichts gebracht.
Mich stören der Strassendreck, der Lärm in und über Brüssel und mangelnde Moderne, Anpassung und Einsicht in zu vielen Köpfen auf zu vielen Seiten! Schöne Häuser gibt es allerdings wirklich und die grosse Lust, cooler als Berlin zu sein.
Also einfach eine dicke rosa Brille aufsetzen und abwarten und sich nicht genieren, Gutes zu loben und Schlechtes anzuprangern!