Europa, Wirtschaft

Die « duale Ausbildung » – ein Erfolgsmodell zur Bekämpfung des Fachkräftemangels

Von Heide Newson

Die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, werden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Ein großes Problem, denn dann wird das Verhältnis zu der Anzahl junger Menschen, die neu in den Arbeitsmarkt kommen, besonders negativ sein. Und genau diese Zuspitzung ist ein Element, welches den aktuellen Fachkräftemangel in den nächsten Jahren noch stärker zeigen wird.

Um diesen abzuwenden, hat sich die duale Ausbildung, die die Unternehmenswelt und Schule auf exzellente Weise verbindet, als Erfolgsmodell erwiesen. Kein Wunder, dass sich im europäischen Jahr der Kompetenzen hochrangige Vertreter aus Politik, Industrie, Wirtschaft und Bildungspraxis mit diesem Thema auseinandersetzen. So geschehen am 6. Juni in der Vertretung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino in Brüssel. In einer Podiumsdiskussion wurde das System der dualen Ausbildung aus allen möglichen Blickwinkeln durchleuchtet. Dazu hatten sich kompetente Gesprächspartner eingefunden: Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung, Verena Greten, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Aus- und Weiterbildung im Mittelstand und in KMU der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Leonard Schneemann, Landrat für Wirtschaft aus dem Burgenland, Oliver Paasch, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die Abgeordnete Theresa Bielowski, sowie die ehemalige Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA)C hrista Schweng. Im Fokus standen dabei die zukünftigen Chancen und Herausforderungen für die duale Ausbildung.

In seiner Eröffnungsrede sprach EU-Kommissar Nicolas Schmit aus Luxemburg über die engen Beziehungen Luxemburgs zu Ostbelgien, die regionalen Gemeinsamkeiten und die erfolgreiche duale Ausbildung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Viele Handwerker aus Ostbelgien kämen nach Luxemburg, und diese Art von grenzüberschreitendem Austausch gelte es weiter zu fördern. Gerade im Europäischen Jahr der Kompetenzen sei es wichtig, über den starken Fachkräftemangel zu diskutieren, um Wege zu finden, diesen abzumildern. Das sei eine gemeinsame Herausforderung. Als ein Teil der Lösung habe sich die duale Ausbildung als Erfolgsmodell erwiesen. Praxisnah in Betrieben zu lernen und theoretische Kenntnisse in der Berufsschule zu vervollständigen, führe zu guten Jobs und beruflichen Perspektiven. Der Mangel an Fachkräften werde immer größer und sei nicht nur ein Problem für handwerkliche Berufe, sondern sei mittlerweile in nahezu allen Sektoren angekommen. 65 Milliarden Euros stelle die EU für die Ausbildung und Fortbildung bereit. Und in der dualen Ausbildung habe sich diese „Investition“ bewährt. Er zähle weiter auf die Unterstützung der Regionen und auf die gegenseitige Anerkennung der dualen Diplome, die man für die Mobilität im grenzüberschreitenden Arbeitsbereich brauche. Hier hinke Europa noch hinterher.

Dass die duale Ausbildung ein Teil der Lösung des Fachkräftemangels sei, daran bestehe kein Zweifel, so die Ostbelgierin Verena Greten. Jugendliche mit dualer Ausbildung fänden meist einen Job und könnten dabei ihre Kreativität unter Beweis stellen. Leider habe das duale System ein Image-Problem, und das schon bei den Eltern. Wichtig sei es, diese von den beruflichen Perspektiven und dem Erfolg einer dualen Ausbildung zu überzeugen, damit sie diese Art der Ausbildung ihrer Kinder mittragen und sie als gleichwertig mit einer akademischen Ausbildung sehen. Es gelte Berührungsängste abzubauen und durch Imagekampagnen auf die Chancen der dualen Ausbildung hinzuweisen. Es sei an der Zeit, dass die Handwerksberufe die nötige Anerkennung und Wertschätzung erführen. Wichtig sei ebenso, dass man jungen Menschen die Gelegenheit gebe, sich mit Fachkräften auszutauschen, die dank ihrer dualen Ausbildung beruflich erfolgreich seien.

Die EU-Abgeordnete Theresa Bielowski betonte, dass das Europaparlament hinter der dualen Ausbildung stehe, diese unterstütze und fördere. Wichtig sei jedoch die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse. Auch sei es die Aufgabe der Unternehmen, die Jugendlichen auszubilden. Weiter sprach sie wie ihre Kollegin vom EWSA von guten Karrieremöglichkeiten und offenen Stellen.

Es gelte die aktuellen Berufsbilder neu zu definieren und mehr Aufklärungsarbeit im dualen Ausbildungssystem zu schaffen, so Leonhard Schneeman aus dem Burgenland. Im Fokus seines Beitrags stand die Vielfältigkeit der dualen Perspektiven, die weit über den Friseurberuf hinausgehe. Durch ein spezielles Coaching soll den Jugendlichen die Gelegenheit gegeben werden, die Berufs-und Betriebswelt so früh wie möglich kennenzulernen. Es soll ihnen vermittelt werden, dass sie nach einer dualen Ausbildung eine erfolgreiche Karriere in allen möglichen technischen Bereichen starten können.

Ich kann all dem zustimmen, was bereits über die duale Ausbildung gesagt wurde,“ so Ostbelgiens Ministerpräsident Oliver Paasch. „Neunzig Prozent der Jugendlichen mit dualer Ausbildung finden in Ostbelgien einen gesicherten Arbeitsplatz.“ Es gebe kaum Arbeitslose in Ostbelgien. Er unterstich wie seine Vorredner/innen die Notwendigkeit, dass junge Menschen die Betriebswelt schon früh kennenlernen sollten. „Wir müssen das duale System attraktiver machen,“ sagte er. Oft seien es die Eltern, die einer dualen Berufsorientierung ihrer Kinder skeptisch gegenüber stünden. Es gelte sie zu überzeugen, dass die duale Ausbildung eine Perspektive mit Zukunft darstelle und man sich als Fachkraft beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt sichern könne. Fest stehe, dass eine Lehre, gefolgt von der Meisterausbildung, auch der Ausgangspunkt für eine spätere Unternehmensgründung oder Übernahme sein kann.

Dabei ist es kein Geheimnis, dass Paasch die dualen Diplome oder Gesellenbriefe schon längst mit einem Abitur gleichstellt, die Meisterbriefe mit einem Hochschulabschluss, und die Absolventen einer dualen Ausbildung somit in der Gehaltsstufe aufsteigen. Für diese Gleichstellung sowie die Anerkennung der Diplome innerhalb der EU-Mitgliedstaaten will sich Oliver Paasch weiter einsetzen.

 

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