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Der plötzliche Tod von “Metro”


Von Reinhard Boest

Mit “Metro” geht es zu Ende. Nein, nicht die Metro-Linie 3 in Brüssel, obwohl manche das wohl befürchten (oder wünschen). Die Rede ist von der Gratiszeitung, die vor allem in Bahnhöfen und Metrostationen in ganz Belgien ausliegt und deren Lektüre für viele zu einer täglichen Gewohnheit auf dem Weg zur Arbeit geworden ist. Es gibt sie mit blauem Logo in Niederländisch und in Grün auf Französisch. Damit ist es jetzt vorbei. Nach 23 Jahren und 25 Tagen erschien die Printausgabe an diesem Freitag zum letzten Mal. Das “Aus” wurde zwar erst fünf Tage zuvor offiziell angekündigt; dass es Schwierigkeiten gibt, zeichnete sich aber schon länger ab.

Der entscheidende Bruch kam mit der Corona-Krise Anfang 2020. “Bis dahin hatte Metro 19 wunderbare Jahre”, wie Olivier De Raeymaeker, der für Metro (sowie für Le Soir und das Grenzecho) zuständige Generaldirektor der Mediengruppe Rossel, in Le Soir zitiert wird. Das ausschließlich über Werbung finanzierte Medium sei für beide Seiten – Leserschaft und Werbewirtschaft – ideal gewesen. Metro hatte mit 230.000 Exemplaren (2019) eine größere Auflage als jede andere belgische Zeitung und war als einziges nationales Medium im ganzen Land präsent. Auch die Akzeptanz bei den Lesern war groß: angeblich gab es nur ein bis zwei Prozent Retouren.

Die Corona-bedingten Einschränkungen der Mobilität hatten natürlich besondere Konsequenzen für eine Zeitung, deren Konsum mit der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden ist. Mit dem Wegbrechen der Leserschaft sank auch die Attraktivität für Werbekunden, so dass das gesamte Geschäftsmodell seine Grundlage verlor. Davon hat sich Metro auch nach dem Ende der Beschränkungen nicht mehr erholt, zumal das Home-Office inzwischen deutlich verbreiteter ist als früher. Ergebnis ist, dass viele Arbeitnehmer nicht mehr den öffentlichen Verkehr nutzen.

Noch vor einem Jahr, im Oktober 2022, hat man versucht, der Zeitung ein neues, jüngeres Image zu geben. Zielgruppe sollten die “jungen urbanen Aktiven” (Yuppies) sein, die “Generationen Y und Z mit den ihnen eigenen Informations- und Unterhaltungsinteressen”. Das bedeute “kurze Texte und multimediale Formate”: “Metro – das was Sie wirklich wissen wollen”. Es entstand ein Online-Auftritt, dafür erschien die Print-Ausgabe nur noch an drei Tagen in der Woche.

Geholfen hat es am Ende alles nicht, der Verlag zog wegen des anhaltenden Defizits die Reißleine. Die Metro-Ausgabe Nummer 4670 ist die letzte. Die auflagenstärkste landesweit verbreitete Zeitung verschwindet. Aber war sie wirklich landesweit? Wenn man – wie in Brüssel möglich – beide Ausgaben nebeneinanderlegt, hatte man in der Regel wie bei “normalen” Zeitungen oder anderen belgischen Medien den Eindruck, in zwei Ländern zu leben.

Die letzte Ausgabe war insofern eher untypisch, denn nicht nur die Titelseite, sondern ein großer Teil des Inhalts sind in beiden Sprachen gleich. Sie enthält auch keine Nachrichten mehr, sondern vor allem eine Chronik von 23 Jahren Metro und viele Abschiedsbriefe. Die am meisten vermisste Rubrik wird in Zukunft wohl “Kiss and Ride” sein, eine Art Vorläufer von Tinder: Menschen, die Kontakt suchen zu anderen, die ihnen im Zug gegenübergesessen oder ihnen vom anderen Bahnsteig zugelächelt haben.

Bis Januar 2024 bleibt Metrotime” noch online, dann ist die Gratiszeitung in Belgien leider Geschichte.

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