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Das war Jazz Brugge 2014

lasure1DSC04426klein“Jazz Brugge” verklang am 5. Oktober. Rückblick. Den Anfang machte die Gruppe Mâäk um den Trompeter Laurent Blondiau. Der Saal unter dem Dach des St. Janshospitaal war für einen gewöhnlichen Werktag sehr gut besucht und die Veranstalter schienen hochzufrieden zu sein. Gespannt wartete man als Besucher des Festivals auf den Abend. Im Vorabendprogramm gab es diesmal etwas Besonderes: Hendrik’s Choice. Junge Musiker konnten sich im Foyer einem interessierten Publikum präsentieren. Hendrik Lasure, ein gerade 17 Jahre alter, talentierter Pianist aus Brugge, spielte nicht nur mit eigenem Trio, sondern war auch in der Band Nestor Martin zu hören, die sich mit Charly Mingus beschäftigte.

Jazz it and rock hit hieß es dann am Abend im Großen Konzertsaal des modernen Concertgebouw. Kein Wunder – die oftmals als Jazzanarchisten und Jazzrebellen bezeichneten Mitglieder von Flat Earth Society standen auf der Bühne und ließen die Musik von Frank Zappa in ganz eigener Weise wieder auferstehen. Gespielt wurde mit vollem Körpereinsatz, auch wenn man angesichts der Kürzungen des Kulturetats von mehr als 7%, so der Bandleader Peter Vermeersch, eigentlich mal über eigene Kürzungen nachdenken müsste. Sollte man eine DVD-Box um 7% kürzen, Musiktitel nur noch zu 93% spielen oder Auftritte um 7% verringern? Man denke sich ein Augenzwinkern dazu, aber zumindest ließ Vermeersch durchblicken, dass die aktuellen politischen Entscheidungen der Mitte-Rechts-Regierung nicht einfach kommentar- und widerstandslos zu akzeptieren sind.

Ovationen

Stehende Ovationen heimsten Renaud Garcia-Fons und seine Mitstreiter für ihre Reise nach Al-Andalus ein. Die Zuhörer wurde nach Südspanien zur Zeit der Mauren entführt, als Bürger der drei monotheistischen Religionen friedlich miteinander lebten und Kunst, Philosophie und Wissenschaft eine Blütezeit erlebte. Das war mit der Reconquista und der Inquisition beendet. Manch Purist allerdings konnte sich nicht mit der elektronischen Modulation des von Garcia-Fons mit aller Finesse gespielten Kontrabasses anfreunden. Schloss man für eine Weile die Augen, so vernahm man den Klang einer arabischen Laute. Doch kein Lautenspieler gehörte zu Renauds Formation. Der Klang der Ud wurde dem Bass entlockt – die moderne Technik macht es möglich.

Nur für Anhänger Neuer Musik und 12-Ton-Musik war der Auftritt des Trios Graewe/Reijseger/Hemingway ein Leckerbissen. Ein gewisser zirzensischer Aspekt des Auftritts der drei Herren im reiferen Alter war ein Hingucker, der allerdings von einer ohrenbetäubenden Kakofonie begleitet wurde. Die Geschichte von Chet Baker in Lucca wusste Paolo Fresu mit seinem Quartett ebenso zu erzählen wie einige Gutenacht-Lieder – drei der Bandmitglieder, Fresu eingeschlossen, sind Väter, wenn auch bereits von Kindern, die dem Kleinkindalter entwachsen sind.

Einer schien verschlafen zu sein

Ohne Emotionen spielte Andy Sheppard mit seinem Trio am Sonntagmorgen auf. Es schien nach einer langen, wahrscheinlich auch feucht-fröhlichen Nacht, einfach zur Mittagsstunde noch zu früh für Sheppard gewesen zu sein, um auch nur ein Fünkchen von der Bühne auf das Publikum überspringen zu lassen. Weniger Jazz, denn Ethno-Folk bzw. World Music, präsentierten die Veranstalter mit dem Auftritt der aus Albanien gebürtigen, in der Schweiz aufgewachsenen Sängerin Elina Duni. Deren Gesang erinnerte mich stark an den der Sami-Sängerin Marie Boine, die auf europäischen Bühnen auch schon in Begleitung des norwegischen Jazzers Jan Gabarek zu hören war.

atomicDSC04547Die kurzen kommentierenden Texte der Sängerin Elina Duni waren eine unbedingte Notwendigkeit, um überhaupt den Inhalt des vorgetragenen Gesangs zu begreifen. Der polnische Trompeter Tomasz Stanko bildete dann mit seiner Band den Abschluss von Jazz Brügge, einem einmaligen Festival europäischen Jazz.

Bedauerlicherweise wurde das Festival von der heimischen belgischen Presse weitgehend ignoriert. War es nicht kommerziell genug oder fehlten die Größen aus Übersee? Gewiss, aber die finden Raum bei jährlichen Festivals in Gent und Antwerpen oder an anderen Orten. Brügge soll ja alle zwei Jahre gerade den europäischen Jazzmusikern vorbehalten bleiben. Und das ist auch diesmal voll und ganz gelungen. Wer nicht dabei war, hat so manchen Ohrenschmaus verpasst. Na dann vielleicht in zwei Jahren … Und wieder wird ein solches Festival nicht ohne ein Heer von Freiwilligen auskommen, die sich um die Musiker Backstage kümmern und ansprechbar sind. Allerdings bedarf es auch des Engagements gegen die Sparmaßnahmen für Kultur, die die neue flämische Regierung ganz im Sinne eines neuen Thatcherismus durchgedrückt hat. Also Flandern auf dem Weg in eine Neuauflage von Maggie’s Farm. Nein Danke!

Ein Interview mit Rik Bevernage

Nach dem Festival sprach ich mit dem Spiritus rector des Unterfangens Jazz Brugge, Rik Bevernage, der auch für das Jazzprogramm im Kulturzentrum De Werf verantwortlich zeichnet.

Rik Bewernage:

Das Problem ist nicht, für ein derartiges Festival erstklassige Musiker in Europa zu finden, sondern der Tatbestand, dass es nicht allzu viele wirklich sehr bekannte Jazzmusiker und Jazzbands in Europa gibt. Stichwort: Big names! Das Wichtigste für mich war und ist es für Jazz Brügge das Publikum in die Stadt zu locken und zu begeistern. Ich muss ja nicht nur ein gutes Festival organisieren, sondern auch die jeweiligen Spielorte füllen, um eine entsprechende Festival-Atmosphäre zu kreieren. Es scheint einfacher zu sein, belgische Jazzmusiker einzuladen, die ja bei uns bekannt sind, als ebenso hervorragend ausgebildete Jazzmusiker aus Deutschland oder Österreich. Sie sind zumeist bei uns Unbekannte. Bei der Organisierung des belgischen Tages war es auch die Frage, dass wir Bands einladen wollten, die jeweils zum Spielort passten, also zum St. Janshospitaal, dem Foyer, dem Kammermusiksaal und dem Großen Saal des Concertgebouw. Jeder dieser Orte hat eine eigene Ausstrahlung. Im St. Janshospitaal können wir mehr avantgardistische Musik anbieten und wissen, dass der Dachsaal sehr gut gefüllt ist. Eher für Jazz rund um das Klavier ist der Kammermusiksaal mit seinen umlaufenen Galerien geeignet. Im Großen Saal finden dann größere Formationen den richtigen Auftrittsort, so wie Eve Beuven’s Heptatomic, die norwegisch-schwedische Band Atomic oder Flat Earth Society aus Gent.

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Ferdinand Dupuis-Panther:

So denkst Du, dass der belgische Tag ein Erfolg war, um auch beim nächsten Jazz Brügge an dem Konzept festzuhalten?

Du weißt vielleicht, dass wir immer wieder darüber debattieren, ob wir am Donnerstag oder am Freitag mit Jazz Brügge beginnen sollen. Obgleich ein viertätiges Festival den Veranstaltern viel Energie abverlangt, bin ich nach wie vor ein Verfechter von vier Tagen Jazz Brügge mit vier bis fünf Bands je Tag. Doch der Donnerstag ist als Start nicht unproblematisch, denn es ist ein normaler Arbeitstag. Für Festivalbesucher aus Gent, Antwerpen oder Brüssel ist es eben nicht so einfach mal nach Brügge zu kommen und nachts wieder heimzufahren, um am Freitag, wie gewohnt, arbeiten zu gehen. Ich jedenfalls war zufrieden mit der Zahl der Zuhörer am Eröffnungstag. Ich glaube schon, dass wir es beim nächsten ersten Festivaltag wieder so machen werden.

Trügt mein Eindruck, dass der beliebteste Spielort St. Janshospitaal war?

Oh ja, wir werden auch weiterhin den Dachsaal über dem Memling-Museum nutzen. Um es klar und deutlich zu sagen, wir lassen dort nicht wenig bekannte Musiker spielen, nein ganz im Gegenteil. Dieser Spielort, an dem bis zu 300 Zuhörer ein Konzert verfolgen können, ist uns sehr wichtig. Und nicht nur dort, sondern auch im Kammermusiksaal treten Musiker auf, deren Namen in der Jazzwelt einen Klang haben. Ich erinnere nur an Luciano Biondini und Rita Marcotulli. Wir machen also keinen Unterschied zwischen den Spielorten bezüglich der musikalischen Qualität, die wir den Zuhörern bieten wollen, wohl aber überlegen wir, welche Musik wohin am besten passt.

In der Vergangenheit gab es bei Jazz Brügge andere Schwerpunkte. Ich erinnere mich an eine Ausgabe, bei der der Schwerpunkt auf der Jazzmusik aus Osteuropa lag. Das scheint mir diesmal dadurch ersetzt worden zu sein, dass ihr Musiker des ECM-Labels vorgestellt habt.

Ja, du hast recht. Wir müssen uns aber nochmals zusammensetzen und auswerten, ob die Vorstellung eines Labels mit seinen Musikern fürs Publikum ansprechend genug war oder nicht. Also ich kann mir nach der Auswertung des Zuspruchs durchaus vorstellen, demnächst ein weiteres europäisches Label wie ACT zu präsentieren.

Für mich war es sehr interessant 2010 bei dem damaligen Jazzfestival Bekanntschaft mit Jazzmusik aus Mazedonien oder Ungarn machen zu können. Musiker aus jenen Ländern touren in der Regel nicht durch Europa. Im Gegensatz dazu sind Jazzmusiker aus Skandinavien doch häufiger außerhalb des hohen Nordens bei Konzerten zu hören.

2010 gab es eine besondere Situation, denn damals fand eine Art Stadtfestival statt, in dessen Mittelpunkt die Begegnung mit Ländern stand, die einst hinter dem Eisernen Vorhang lagen. So haben wir die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und einige Bands aus Osteuropa zu uns eingeladen. Das waren alles Jazzbands, die absolut unbekannt waren. Darin lag auch ein hohes Risiko, ob wir überhaupt genug Besucher bekommen würden, wenn solche Gruppen spielen. Ich muss mindestens 500 Zuschauer pro Tag generieren, was bei derartigen Bands nicht einfach war.

Neu war diesmal das Segment „Hendrik’s Choice“, sprich die Chance für junge Jazzer, vor größerem Publikum ihr Können unter Beweis zu stellen. Meinem Eindruck nach waren bei allen drei Vorabendkonzerten im Foyer eine Menge Zuhörer anwesend. Ein Erfolg?

Ich denke schon. Bei jeder Ausgabe von Jazz Brügge bringen wir ein neues Element unter. Wenn es nicht funktioniert, dann wird es das nicht mehr geben. Beispielsweise werden wir keine Workshops mehr anbieten, weil es viel zu viel Manpower bindet und kaum Erfolge zeigt. Vor zwei Ausgaben haben wir mit dem Programmpunkt „Multimedia und Jazz“ begonnen, vor allem als Angebot für Familien mit Kindern gedacht, so wie dieses Jahr mit dem Animationsfilm Koko De Clown und Livemusik. Das werden wir bestimmt fortsetzen, denn der Zuspruch war unerwartet groß. Bisher hatten wir zu den Foyerkonzerten immer lokale Jazzmusiker oder Musikschüler von lokalen Musikschulen eingeladen, diesmal jedoch den 17-jährigen Pianisten Hendrik Lasure dafür gewonnen, eine Musik- und Bandauswahl vorzunehmen. Das Augenmerk lag dabei auf jungen Profi-Jazzern, die am Beginn ihrer Karriere sind, aber sich schon gewisse Meriten erworben haben. Ich denke, das Konzept „Hendrik’s Choice“ war erfolgreich.

fotos und text: ferdinand dupuis-panther

 

Informationen
Tipp für Jazz in Brügge
www.dewerf.be

Einige Hörproben von belgischen Musikern, die bei Jazz Brugge zu hören waren

Mâäk
http://www.maaksspirit.be/SiteMusic
http://www.maaksspirit.be/

Flat Earth Society
http://www.fes.be/indexEN.html

Trio Courtois Erdmann Fincken
„The Mediums“
https://www.youtube.com/watch?v=k0WBbq1H7j4
http://www.muziekweb.nl/Link/JE35249

Hendrik Lasure
https://soundcloud.com/hendriklasure

Francesca Palamidessi
https://soundcloud.com/francesca-palamidessi

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