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Bossemans und Coppenolle in echt

140116_rwdm_2Von Thomas Philipp Reiter.

Das wahre Brüsseler Stadtderby hat mit dem RSC Anderlecht nichts zu tun. Spiele von RWD Molenbeek gegen den anderen Traditionsverein Royale Union Saint-Gilloise gelten als das „Clasico“ der belgischen Hauptstadt. Zum ersten Mal seit 1985 trafen die beiden Vereine in einem Freundschaftsspiel wieder aufeinander. Danach wurde zusammen auf der Straße gefeiert.

Der Brüsseler Stadtteil Molenbeek hat in der belgischen Fußballwelt eine andere Bedeutung als in Terrorkreisen: er steht für „Racing White Daring Molenbeek 2003“ oder schlicht RWDM, das es 1976/77 im UEFA-Pokal unter anderem gegen Schalke 04 und Feyenoord Rotterdam bis ins Halbfinale schaffte und erst durch zwei Unentschieden gegen Athletic Bilbao ausschied.

Der Rivalität beider Vereine wurde 1934 sogar das noch heute beliebte Volkstheaterstück „Bossemans und Coppenolle“ mit einem Romeo-und-Julia-Plot gewidmet. Da RWDM, inzwischen in der vierten und Royale Union in der zweiten Liga spielt, fand die letzte Begegnung 1985 statt. Um die Tradition wiederzubeleben lud der deutsche Präsident von Saint-Gilles, Jürgen Baatzsch, seinen RWDM-Kollegen (und früheren Union-Spieler) Thierry Dailly zunächst ausgerechnet nach Anderlecht ins Volkstheater Zinnema, um sich das Stück im Brüsseler Flämisch anzusehen.

140116_rwdm_05000 Zuschauer kamen dann zwei Tage später ins Joseph Marienstadion in Vorst, während der Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen Austragungsstätte des ersten Auftritts einer spanischen Fußballnationalmannschaft überhaupt, und als Denkmal des Art Nouveau selbst eine Ikone. Mehrere belgische Fernsehsender schalteten live ins Stadion. Absoluter Rekord für ein belgisches Freundschaftsspiel mit einem Amateurverein. Der 0-1 Auswärtssieg von RWDM bei strömendem Regen war am Ende nur noch eine Randnotiz und Grund für ausschweifende Verbrüderungsfeiern zwischen den Anhängern beider Clubs in den Cafés rund um das Stadion am idyllischen Dudenpark.

Titelfoto: Yves Van Ackeleyen

Anderes Foto: Thomas Philipp Reiter

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