Von Ferdinand Dupuis-Panther.
Die meisten Stadtführer von Antwerpen verzeichnen ein architektonisches Kleinod der Scheldestadt irgendwo am Schluss des Büchleins oder vergessen ganz den Blick zurück in die Belle Epoque: der Stadtteil Zurenborg, diesseits und jenseits der Cogels-Osylei unweit des Bahnhofs Antwerpen-Berchem, ist für alle Touristen einen Extra-Umweg mehr als wert. Ein Muss.
Rund um die Cogels-Osylei, zwischen dem Bahnhof Berchem und Antwerpen-Oost, meint man, Griechenland mit Säulen bestandenen Tempeln, Italien mit toskanischen Villen sowie venezianischem Palazzo und Frankreich mit weißen, von Erkern und Türmchen bekrönten Schlössern hätten für eine einzigartige »architektonische Traumwelt« des gehobenen Antwerpener Bürgertums Pate gestanden.
Die einstige „Sommerfrische“ der betuchten Antwerpener
Die Anfänge des auch als Zurenborg bekannten Viertels gehen auf die Zeit zwischen 1888 und 1894 zurück, als Antwerpen durch zwei Weltausstellungen und aufgrund des expandierenden Hafens einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Wohlhabende Bürger suchten nach Wegen, ihren Reichtum ungeniert und ohne moralische Skrupel zur Schau stellen zu können. Pompöse Herrensitze und prächtige Stadthäuser schienen geeignet zu sein, bürgerlichen Luxus auszuleben.
Da gutsituierte Antwerpener Bürger stets Landhäuser und Sommerfrischen vor den Toren der Stadt hatten, lag es nahe, im Rahmen der Stadterweiterung nach Südosten Terrain für das gutbürgerliche Wohnen zu erschließen. Diese Stadterweiterung nahm von der Domäne des Zurenborg-Hofs ihren Ausgang, einem Besitz des Baron Eduard Osy und seiner Schwester Josephine, die mit Senator John Cogels verheiratet war. Sie waren die Gründer der Baugesellschaft für den Osten Antwerpens, die in der „Gesellschaft für Bauen von Bürgerhäusern“ aufging. Diese wiederum war maßgeblich an der Anlage des neuen Stadtviertels beteiligt.
Transvaalstraat und Pretoriastraat verdanken ihre Namensgebung dem Unabhängigkeitskampf der Buren Südafrikas. General van Merlen, der sich gegen die Österreicher hervorgetan hatte, wurde ebenso bei der Straßenbenennung bedacht wie General Capiaumont, der für die belgische Unabhängigkeit gegenüber dem Vereinigten Königreich der Niederlande stritt. Und in einem Land, in dem der Radsport populärer als Fußball ist, darf eine Velodroomstraat auch nicht fehlen. Dort entstand 1895 ein Velodrom – heute längst verschwunden -, in dem 1905 die Bahnradweltmeisterschaften ausgetragen wurden. Häuser erhielten Namen wie »De Aarde« (»Die Erde«) oder »De Zonnebloem« (»Die Sonneblume«).
Römische Klassik, italienische Renaissance – im neuen Gewand
Anleihe in der römischen Mythologie nimmt Cogels-Osylei 13-15. Dort wacht Minerva, die römische Kriegsgöttin, auf dem Dach. Zwei, drei oder fünf Bürgerhäuser verschwinden wie Cogels-Osylei 25-29 hinter einer Fassade im flämischen Renaissancestil mit Backstein und »weißen Specklagen«. Einem venezianischen Palazzo gleichen die Häuser Cogels-Osylei 67-71. Hier harmonieren bauchige Säulenbalustraden mit Kleeblatt-Ornamenten als ornamentaler Schmuck einer Backsteinfassade. Dort, wo die Cogels-Osylei auf die Generaal Van Merlenstraat stößt und sich als Platz erweitert, scheint das weiße Loireschloss Chambord mit seinen unzähligen Schornsteinen, Türmchen und Erkern neu interpretiert worden zu sein. In der Generaal Capiaumonstraat 2 hingegen, einem griechischen Tempel gleich, spielt auf einer Säule die Muse der Musik, Eupteria, auf der Flöte.
»De Vier Seizoenen«, vier Eckhäuser mit Mosaiken der vier Jahreszeiten und dreieckigen, aus der Fassade springenden Erkern umstehen die Kreuzung Generaal-Van-Merlenstraat und Waterloostraat. Florale Friese auf zartblauem Hintergrund sind Etagenabschlüsse in der Waterloostraat 49, und einem geöffneten Flügelaltar gleicht die gelb-rötliche Fassade der Waterloostaat Nr.57-61.
Antike Klassik und Hufeisenformen
In der Transvaalstraat finden sich in Nr.45 Zitate des englischen Cottagestils, und in Nr. 15. – im Haus »De twaalf apostelen« (1907) sind tatsächlich zwölf steinerne Apostel versammelt. Kontrast zur hellen Fassade ist der hölzerne, rote Aufbau eines »Burgerkers« im »Huis Boreas« (Transvaalstraat Nr.56). Klassizistisches Tempel-Ensemble mit Dreiecksgiebeln und strengen horizontalen Gesimsbändern findet man in der gleichen Straße in Nr.27-33. Mit weißen »maurischen Hufeisenreliefs« macht schließlich »De Lotus« – Haus Nr.52 – auf sich aufmerksam.
Text und Fotos: ferdinand dupuis-panther
(Mehr vom Autor zu Belgien: http://www.schwarzaufweiss.de/belgien/home.htm)
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