Aktuell, Belgischer Alltag

Belgischer Alltag – Kinderwagen im Konkurrenzkampf

Von Michael Stabenow

Die Zeiten, in denen ich nahezu tagtäglich einen Kinderwagen vor mir hergeschoben habe, liegen schon etliche Jahre zurück. Keine Frage: Die heutigen Modelle sind schicker, bunter und bequemer, wenn auch die Bedienung nicht unbedingt leichter geworden ist. Vielleicht täuscht aber auch der Eindruck. Man wird ja schließlich nicht jünger. Was aber zählt: Seit einiger Zeit mische ich wieder mit beim Kinderwagenschieben – und begegne dabei nicht nur jungen Eltern und ihren Sprösslingen, sondern auch anderen eifrigen Großvätern und, vor allem, Großmüttern.

Hatte ich einst gerissen das in Schaerbeek auch auf Bürgersteigen oft holprige Pflaster dazu genutzt, den Nachwuchs rasch und ruckelnd in den Schlaf zu befördern, stehe ich jetzt in meinem Vorort vor ganz anderen Herausforderungen. Gepflasterte Bürgersteige sind hier, anders als in Brüssel, keineswegs allgegenwärtig.

Statt der ein sanftes Dahingleiten ermöglichendes Platten finden sich am Straßenrand oft Schottersteine in den verschiedensten Farbtönen: ob gräulich, rosa oder auch beige. Selbst mit dem gut gefederten Kinderwagenmodell und seinen großen Rädern muss ich meistens passen, falls sich nicht in der Steinwüste steckenbleiben will. Da ist es ein schwacher Trost, dass ich hin und wieder die Fahrbahn verlassen und ein paar Meter glatten Belag am Straßenrand nutzen kann, den manche Bewohner angebracht haben, um sanft mit ihrem Wagen – nein, nicht mit dem Kinderwagen – auf die Auffahrt und in die warme Garage zu gleiten.

Nicht viel besser ist es, wenn neben der Fahrbahn weder Pflastersteine noch Schotter, sondern Gras und Unkraut wuchern. Auch da traue ich mich meistens nicht hin. Noch schlimmer ist es, wenn statt Gras nackter Erdboden und – in diesen nassen Zeiten – Pfützen und Schlamm mich und den Kinderwagen in Empfang nehmen.

Ob Schotter, Gras oder Schlamm – das Ergebnis ist identisch: Groß und klein begeben sich samt Kinderwagen auf die Fahrbahn, Dann kommt es zum spannenden Konkurrenzkampf mit Autos, aber auch Müllwagen und noch schwereren Gefährten – bisher zum Glück unfallfrei.Für den Kinderwagenschieber gilt offenbar die Devise: “Geh weg vom Gehweg!”

Als wir einst mit der Familie in den Vorort zogen, machte ich mir nicht solcherlei Gedanken. Das Schicksal wollte es, dass sich vor unserer neuen Bleibe bereits ein schöner Bürgersteig befand. Dass es vielleicht für Hausbesitzer und Mieter einfacher und nicht zuletzt billiger, Kinderwagen, aber auch Einkaufstrolleys, Rollkoffer und ja, sogar Rollatoren und sowie Rollstühle auf die Straße zu verbannen, ist mir erst dieser Tage gefährtschiebend in den Sinn gekommen. Aber man lernt ja bekanntlich nie aus.

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