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Belgien hofft auf Lotte Kopecky bei diesjähriger Tour de France Femmes

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Von Thomas A. Friedrich © Région Bretagne

Im Reitsport gehören Frauen bei Olympia und Weltmeisterschaften schon lange dazu. Im Fahrradsattel sind Frauen zwar auch seit Ende des 19. Jahrhunderts im Radsport aktiv gewesen. Doch die ersten Frauenradrennen in Belgien und Frankreich in den 1890er Jahren waren noch mit gesellschaftlichen Vorurteilen behaftet.

Das erste moderne Damenrad ermöglichte seit 1890 auch einem breiteren Publikum unter Frauen die Fortbewegung auf zwei Rädern. Das Fahrrad wurde seinerzeit zu einem Symbol für die Emanzipation. 

Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Belgien und Frankreich bereits erste Damenrennen auf sogenannten Kurbelvelozipeden, und erste Profi-Rennfahrerinnen machten von sich reden.

Die erste Frauen-Radweltmeisterschaft fand erst 1958 statt, und olympisch sind Frauenwettbewerbe im Straßenradsport seit 1984. Mit Mountainbikes sind Frauen seit 1996 und mit BMX-Rädern erst seit 2008 olympisch zugelassen.

Tour de France Femmes zieht mehr und mehr Radsportfans in den Bann

Die Tour de France Femmes, das offizielle Frauenrennen der Tour de France, gibt es seit 2022. Es wurde als Nachfolge-Veranstaltung von “La Course by Le Tour de France” ins Leben gerufen. Dieses Rennen wurde von 2014 bis 2021 als eintägiges Rennen ausgetragen. Heutzutage wird die Tour de France Femmes als neuntägiges Etappenrennen für Frauen und ebenso wie das Männer-Spektakel jährlich ausgetragen.

Belgische und niederländische Frauen rangieren unter Favoritinnen bei Tour de France

Unter den gelisteten Top Ten der internationalen Frauen für die an diesem Samstag in der Bretagne startende „Tour de France Femmes 2025“ – als weltgrößtem Profirennen – befinden sich auch belgische und niederländische Rennfahrerinnen.

Als Top-Anwärterinnen auf das Gelbe Trikot werden unter Sportjournalisten vor allem die Niederländerin Demi Vollering und die polnische Vorjahressiegerin der Tour 2024, Katarzyna Niewiadoma, gehandelt.

Vollering erlitt bei der Tour de France Femmes im Vorjahr auf der fünften Etappe einen folgenschweren Sturz und konnte die verlorene Zeit nicht wieder gutmachen. Das Peleton – das Hauptfeld – und ihre eigenen Teamkolleginnen warteten damals nicht auf sie, sondern fuhren einfach weiter. Dies führte unter anderem zum Zerwürfnis im traditionsreichen belgischen Team des Sponsors SD Worx-Protime.

Zwist zwischen belgischen und niederländischen Fahrerinnen nach Tour-Sturz 2024

Aufgrund der Differenzen mit der Teamleitung wechselte die 28-jährige Niederländerin zum französischen Team FDJ Suez. Der seit 80 Jahren im Radsport engagierte Worx-Sponsor machte darauf hin für Lotte Kopecky, die belgische Meisterin und Straßenweltmeisterin sowie Zweitplatzierte bei der Tour de France im Jahre 2023, den Spitzenplatz im Team frei.

Lotte fahrradbegeistert seit Kindesbeinen

Lotte Kopecky wurde am 10. November 1995 geboren und ist Profiradfahrerin bei Team SD Worx-Protime. Sie bahnte sich zielstrebig ihren Weg an die Spitze des belgischen Radsports. Kopecky ist Rekordhalterin mit drei Siegen in der Flandernrundfahrt (Ronde van Vlaanderen); sie gewann zweimal die „Strade Bianche“ in der Toskana, Paris-Roubaix sowie das traditionell zur Beginn der belgischen Straßensaison ausgetragene Rennen “Omloop Het Nieuwsblad”. In den Jahren 2023 und 2024 errang sie Gold bei der Weltmeisterschaft im Straßenrennen sowie – im vergangenen Jahr – Bronze bei den Olympischen Spielen in Paris. Im Bahnradsport ist sie amtierende Weltmeisterin in der Teamverfolgung und im Ausscheidungsrennen.

Im Team SD Worx-Protime hat sich die Belgierin hohe Ziele für die Tour in diesem Jahr gesetzt. Die mehrfache Bahn-Weltmeisterin und zweifache Straßen-Weltmeisterin kam bei der Tour 2023 als Zweitplatzierte der Gesamtwertung ins Ziel. Daraus schöpft die aus dem 15.000 Einwohner zählenden Ort Rumst in der Provinz Antwerpen stammende Frau ihre Zuversicht:

“Ich habe die Tour schon als Zweite beendet, ohne richtige Vorbereitung. Wir werden sehen, wie es läuft, wenn ich es mir als Ziel setze, diesmal erneut erfolgreich zu sein”, sagte die 29-Jährige jüngst in einem Pressegespräch. Als besonders stark wird Kopecky als Sprinterin eingestuft. Bei Bergwertungen tut sich schwerer.

Beim Giro musste Kopecky mit Rückenproblemen aufstecken

Ein großer Unsicherheitsfaktor für die ehrgeizige „Lotte“ – wie die Radfahrercommunity sie respektvoll nennt – stellt allerdings das jüngste Vorkommnis beim Giro d‘Italia dar. Kopecky musste mit gravierenden Rückenschmerzen vom Rad steigen und konnte, in aussichtsreicher Position, die Rubdfahrt nicht beenden. Ihre Teamärzte halten sie inzwischen gesundheitlich wieder fit und auch in Topform.

Die Flämin sieht sich jedoch gegenüber ihrem eigenen Team in der Spitzenrolle unter Erwartungsdruck. Sie wolle nicht, so Kopecky, dass die übrigen Fahrerrinnen im Team sich für sie abstrampeln und ihre Position im Peleton verteidigen müssten.

Eine weitere Top-Sprinterin aus dem Team SD-Worx-Protime ist Lorena Wiebes. Die Niederländerin hat die Sprintwertung im vergangenen Jahr gewonnen und gilt auch jetzt wieder als heiße Anwärterin auf das Grüne Trikot. Sie gewann zuletzt die Sprintwertung beim „Giro d’Italia Donne“ und beim „Copenhagen Sprint”. Die niederländische Teamkollegin von Lotte hat dieses Jahr bereits 14 Siege eingefahren.

Giro-Gewinnerin Longo Borghini mischt ebenso ganz vorne mit

Die diesjährige Gewinnerin des Giro d’Italia Donne, Elisa Longo Borghini, zählt zu den schärfsten Rivalinnen von Vollering und Niewiadoma. Die Italienerin vom UAE Team ADQ gilt als angriffslustig. Auch 2024 konnte sie den Giro für sich entscheiden. In diesem Jahr gewann die 33-Jährige unter anderem die Gesamtwertung und eine Etappe bei der UAE-Tour sowie die beiden belgischen Eintagesrennen Dwars door Vlaanderen und Brabantse Pijl. Außerdem wurde sie italienische Meisterin im Einzelzeitfahren. Auch gegen Longo Borghini muss sich Lotte behaupten, um auf einem Podestplatz landen  zu können. Zum engeren Kreis der Favoritinnen zählt außerdem die Schweizerin Marlen Reusser, der allerdings zuletzt mehrfach Magen-Darmprobleme zu schaffen machten.

Erste Etappen der diesjährigen Tour sind Kopecky auf den Leib geschrieben

Die Managerin der Tour de France Femmes 2025, Marion Rousse, französische Profi-Radfahrerin von 2010 bis 2015 sowie Lebensgefährtin von Julien Alaphilippe, desStraßenweltmeisters von 2020 und 2021, sieht Kopecky zwar als Außenseiterin der Tour 2025, räumt ihr aber gute Chancen für eine Podestplatzierung ein:

Der Tour-Auftakt ist ihr jedenfalls wie auf den Leib geschneidert, mit den explosiven Zielankünften in der Bretagne und mehreren Zwischensprints, bei denen sie Bonussekunden und Zeitvorsprung holen kann. Dank ihrer Sprintqualitäten sollte sie die härteren Etappen mit einem kleinen Vorsprung beginnen können“, erklärte Rousse im Interview mit dem belgischen Wochenmagazin Knack.

Auf der Schlussetappe innden Savoyer Alpen am Sonntag kommender Woche müssen die Fahrerinnen den fast 1700 Meter  hohen Pass Col de Joux-Plane überwinden. Kann Kopecky auf diesem Terrain einen möglichen Vorsprung halten? „Ich denke, sie kann damit umgehen. In dem Jahr, als sie am Tourmalet (dem höchsten Pyrenäenpass, Anm. der Red.)  sich selbst überraschte, hatte sie sich nicht auf die hohen Berge vorbereitet. Dieses Mal wird sie optimal vorbereitet sein und mit einer anderen Einstellung an den Start gehen. Normalerweise sollte es also noch besser laufen“, sagte die Tour-Direktorin. Rousse räumt Lotte sehr wohl die Chance einer starken Platzierung im Gesamtklassement ein

Mit welchen Erwartungen gehen die deutschen Frauen in der Bretagne an den Tour 2025-Start?

Liane Lippert gilt als eine der herausragenden deutschen Radrennfahrerinnen. Das hat sie bei der Tour im vergangenen Jahr mit ihrer Platzierung als beste Deutsche bewiesen. In der Gesamtwertung landete die Fahrerin aus dem Team Movistar auf Platz 18. In diesem Jahr konnte die Friedrichshafenerin bislang zwei Siege einfahren: Sie gewann die sechste und achte Etappe beim Giro Mitte Juli.

Eine weitere starke deutsche Profifahrerin ist Ricarda Bauernfeind. Sie kämpft im Team der Tour-Siegerin Niewiadoma. Im zurückliegenden Jahr war sie allerdings vom Verletzungspech geplagt. Knieverletzungen und Operationen vereitelten ihre Teilnahme bei der Tour de France Femmes. Im Jahr 2023 gewann sie die fünfte Etappe bei der Tour. “Bei der Tour bin ich vor zwei Jahren über mich hinausgewachsen. Jetzt bin ich zurück, bereit für das nächste Kapitel”, äußerte sich Bauernfeind kürzlich voll motiviert.

Internetseite: https://www.letourfemmes.fr/fr 

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