Von Rainer Lütkehus
Der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia hat die Ausschreibung gesicherter Erzeugungskapazitäten in Teilen wiederholen müssen. Hintergrund ist die Tatsache, dass die flämische Regierung für das für die Sicherung der Versorgung vorgesehene 796-Megawatt-Gaskraftwerk in Vilvoorde eine Genehmigung verweigert hat. Der Zuschlag an den Betreiber Engie Electrabel musste daher zurückgezogen werden. Elia vergab nun alternativ den Zuschlag an die belgische EDF-Tochter Luminus für ein 805-Megawatt Gaskraftwerksprojekt in Seraing in der Nähe von Lüttich. In den Ausschreibungen konkurrieren Kraftwerksbetreiber um staatliche Vergütung für die Vorhaltung von Stromerzeugungskapazitäten (CRM) im Zeitraum 2025 bis 2026.
Die belgische Regierung hält an ihrem Kapazitätsmarkt fest, bei dem Kraftwerke lediglich dafür bezahlt werden, dass sie verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden. Ursprünglich war das Konzept eingeführt worden, um bis 2025 vollständig aus der Atomenergie aussteigen zu können. Der Ausstieg ist bekanntlich wegen des Kriegs in der Ukraine und der damit verbundenen Gefährdung der Stromversorgungssicherheit auf 2035 verschoben worden. Zwei der insgesamt sieben Atommeiler, einer in Doel bei Antwerpen und einer in Tihange unweit von Lüttich, sollen bis dahin am Netz bleiben. Die beiden Atommeiler haben zusammen eine Leistung von rund 2.000 Megawatt.
Aktion kostet den Staat über 140 Millionen Euro jährlich
Das Luminus-Kraftwerk in Seraing verfügt bereits über eine Genehmigung. Diese Bedingung hatte die belgische Regierung für den Ersatz des Kraftwerks in Vilvoorde gestellt. An der zweiten Auktion durften lediglich jene Versorger teilnehmen, die an der ersten Auktion teilgenommen, aber keinen Zuschlag erhalten hatten. Dabei galt ihr ursprüngliches Gebot, nachträgliche Änderungen waren nicht möglich. Da nur ein einziges Projekt den Zuschlag erhielt, gab Elia keinen Durchschnittspreis aller Gebote bekannt. Das könne den Markt verzerren, so die Begründung. Die gesamten Kosten des CRMs für die Lieferjahre 2025 und 2026 könnten noch nicht bestimmt werden, hieß es weiter.
Bei der ersten Ausschreibungsrunde, bei der 40 Projekte im Umfang von rund 4.500 Megawat zum Zuge kamen, hatte Elia einen Durchschnittspreis von rund 32.000 Euro pro Megawatt und Jahr ermittelt. Er dürfte nunmehr etwas höher liegen, da das Gebot von Luminus für sein Gaskraftwerk in Seraing höher war als das von Engie-Electrabel für sein Gaskraftwerk in Vilvoorde. Damit dürfte der CRM den belgischen Staat über 140 Mio. Euro jährlich kosten. Für 2024 plant Elia eine dritte kleinere Ausschreibungsrunde für die Kapazitätsvorhaltung 2025. An diesem Verfahren soll ein breites Spektrum an Erzeugungstechnologien teilnehmen.
Bürgerinitiative will neue Gaskraftwerke verhindern
Da das Gaskraftwerksprojekt in Vilvoorde nun durch ein Projekt mit nahezu gleicher Leistung ersetzt wird, verfügt Belgien derzeit über eine Vorhaltung an Stromerzeugungskapazitäten im Umfang von rund 5.000 Megawatt. Darunter sind zwei neue Kombi-Gaskraftwerke. Es handelt sich um das Engie-Electrabel-Projekt (805 Megawatt) in Les Awirs bei Lüttich sowie nunmehr um das Luminus-Projekt in Seraing.
Die Bürgerinitiative „Dégaze/Tegengas“ klagt derweil vor dem Staatsrat gegen die zwei genehmigten Gaskraftwerke. Sie ist verärgert darüber, zwei Mega-Gaskraftwerke in weniger als fünf Kilometern Entfernung voneinander zu bauen. „Die Tatsache, dass die Regierung sich dafür entscheidet, nicht nur ein, sondern gleich zwei umweltschädliche Gaskraftwerke hier in unmittelbarer Nähe zueinander zu bauen, wirkt wie ein riesiger Stinkefinger an unsere Region“, kritisierte Léo Tubbax, Anwohner und Sprecher des lokalen Ablegers der Bürgerinitiative.
Foto: Elia
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