Von Heide Newson
„Belgien ist ein Teil meines Lebens, ich habe hier zwölf Arbeitsjahre in verschiedenen Funktionen verbracht, mehr als in Deutschland“, so Dr. Eckart Cuntz im Gespräch mit Belgieninfo während seines offiziellen Abschiedsempfangs, den er für etwa 150 Personen in seiner Residenz gab. „Meine drei Kinder sind hier aufgewachsen, mein jüngster Sohn ist in Löwen geboren, jetzt sind sie alle in Berlin. Wie ich haben auch sie einen starken Bezug zu Belgien.“
Seit August 2011 ist er Deutschlands Botschafter im Königreich Belgien, am 30. Juni war sein letzter Arbeitstag, nun ist Dr. Cuntz im Ruhestand. Bevor in seiner Residenz direkt am Bois de la Cambre das große Packen begann, jagte eine Abschiedsfeier die andere. Vierzig Jahre stand der Vollblutdiplomat im Dienst des Auswärtigen Amtes, davon 12 Jahre als „Wiederholungstäter“ in Brüssel. Bereits Ende der 1980er Jahre war der gebürtige Baden-Württemberger zum ersten Mal als Diplomat in der deutschen EU-Vertretung tätig. Es folgten Stationen im Iran, in Berlin und der Türkei, um nur einige Verwendungen zu nennen, bevor Cuntz 2011 als Deutschlands Botschafter des Königreichs Belgien zum dritten Mal nach Brüssel zurückkehrte, und Belgien aus einem ganz anderen Blickwinkel kennenlernte.
Ob er sich auf Belgien vorbereitet habe, hatte ich ihn kurz nach seiner Akkreditierung im Jahr 2011 gefragt. Eine richtige Schulung sei aus Zeitgründen nicht möglich gewesen, war die Antwort, aber ohne Vorkenntnisse sei er auch nicht nach Belgien gekommen. Auch im Ministerrat habe er viel mit Belgien zu tun gehabt, das als einer der Gründerstaaten der EU stets ein Partner Deutschlands gewesen sei. Allerdings lerne man als bilateraler Botschafter das Funktionieren des Landes, die Menschen, ihre reiche Kultur sehr viel besser kennen, sagte er damals.
Und das tat er in Windeseile. Seine Antrittsbesuche führten ihn in die Deutschsprachige Gemeinschaft, nach Wallonien und Flandern. Französisch sprach er bereits, Niederländisch lernte er bei einem Intensivkursus in Antwerpen. „Wenn man ins kalte Wasser geworfen wird, lernt man die Sprachen schnell,“ so Dr. Cuntz. Aber die Sprachen waren es nicht allein, die seinen großen Beliebtheitsgrad ausmachten. „Er versteht die belgische Seele, die Befindlichkeiten der Belgier in ihrer kulturellen Unterschiedlichkeit,“ so Belgiens Außenminister Didier Reynders mir gegenüber anlässlich eines Empfangs zur Feier der deutschen Einheit.
Intensiv waren seine Kontakte zu belgischen Wirtschaftsvertretern, die er regelmäßig zum Deutschen Wirtschaftskreis in seine Residenz einlud. Beim letzten Treffen des Wirtschaftskreises, an dem Vize-Premierminister Kris Peeters als Ehrengast teilnahm, dankte er Dr. Cuntz für dessen Engagement für die deutsch-belgischen Beziehungen.
Oliver Paasch, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft, verabschiedete Dr. Cuntz in seinem Amtssitz in Eupen – als Freund der DG. Mit Herzblut und großem Engagement habe er viel für die Sichtbarkeit und das Ansehen der DG getan. Ein Vermittler im besten Sinn eben. Alle, die ihn kennen, wissen: Der gelernte Jurist war stets an der Sache orientiert, äußerte sich auch zu unangenehmen Fragen und scheute sich nicht, Position zu beziehen. Dabei blieb er stets charmant und ernsthaft zugleich. Auf keinen seiner Gesprächspartner wirkte er je abgehoben, schroff, lehrmeisterhaft oder prätentiös. Gleichzeitig gelang es ihm, als öffentliche Person den nötigen Abstand zu wahren.
Was den Botschafter während seiner fast vierjährigen Amtszeit am meisten beschäftigte, waren die Gedenkfeiern an den Ersten Weltkrieg, ebenso an den Zweiten, sowie jüngst die Schlacht von Waterloo. An der Seite von König Philippe erinnerte er in Ypern an den ersten Giftgasangriff der Geschichte. „Wir haben eine schlimme Geschichte, aber heute sind wir Freude,“ sagte er. Dabei prägte die gemeinsame Verarbeitung der Vergangenheit beider Länder seine Amtszeit. Auch bei dieser schwierigen Aufgabe hatte er für die belgischen Befindlichkeiten den richtigen Instinkt, Einfühlungsvermögen und viel Fingerspitzengefühl. Immer fand er die richtigen Worte. Dankbar sei er, dass Deutschland in das Gedenken mit einbezogen worden sei, nicht nur von den Belgiern, auch von den Franzosen, Briten, Amerikanern, Australiern und anderen.
Im Rahmen des Gedenkens hatte Dr. Cuntz nicht nur den Historikerdialog zwischen belgischen und deutschen Wissenschaftlern angeregt, sondern auch selbst an zahlreichen großen und kleinen Veranstaltungen in ganz Belgien teilgenommen. Neben den offiziellen Feierlichkeiten in Wallonien und Flandern, an denen im vergangenen Jahr Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck teilgenommen hatten, war die erstmalige Anwesenheit von König Philippe am Treffen der Staatsoberhäupter aus Ländern mit deutscher Sprache im September 2014 in Bad Doberan und Rostock einer der Höhepunkte seiner Amtszeit. „König Philippe sprach auf Deutsch“, so Dr. Cuntz, sichtlich erfreut.
Um sich von all seinen Freunden, Kollegen und Ansprechpartnern zu verabschieden und ihnen zu danken, hatte er jetzt in seine Residenz zahlreiche Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen, diplomatischen und gesellschaftlichen Lebens eingeladen. „Es war eine schöne Zeit, die ich hier in Belgien verbringen durfte. Ich danke Ihnen allen, dass Sie dazu beigetragen haben,“ sagte er sichtlich bewegt.
Im Namen der Botschaftsangehörigen verabschiedete sich der Gesandte Michael Häusler von Dr. Cuntz. Er dankte ihm für seine Verdienste um die deutsch-belgischen Beziehungen. Damit er Belgien nicht vergisst, überreichte er ihm „Belgium in a bag“ – eine Aktentasche gefüllt mit Delikatessen. Musikalisch umrahmt wurde der Abschiedsempfang von zwei virtuosen Sängerinnen der Musikhochschule Namur.
Dass er nach Brüssel vielleicht als Privatmann oder in einer sonstigen Funktion zurückkehrt, will Dr. Cuntz nicht ausschließen. „Durch meine verschiedenen Aufenthalte haben sich hier Freundschaften aller Art ergeben. Belgien ist zwar klein, was seine Oberfläche betrifft, aber ein so vielfältiges Land. Ich habe versucht, jedes Dorf hier kennenzulernen, was mir nicht gelungen ist. Dazu brauche ich noch mehr Zeit, insofern ist es durchaus möglich, dass ich zurückkomme.“
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