Aktuell, Das Land, Wirtschaft

Neue Herausforderungen für den Hafen Antwerpen-Zeebrügge

© portofantwerpbruges

2024 war mit einem Zuwachs des Güterumschlags um 2,3 Prozent auf fast 278 Millionen Tonnen ein gutes Jahr für Europas zweitgrößten Hafen

Von Michael Stabenow

Der Hafen Antwerpen-Brügge hat 2024 seine Position mit einem Anstieg des Güterumschlags um 2,3 Prozent auf 277,7 Millionen Tonnen gefestigt. Damit liegt der 2022 aus dem Zusammenschluss der Häfen Antwerpen und Zeebrügge hervorgegangene Hafen weiter hinter dem Marktführer Rotterdam und vor Hamburg an zweiter Stelle in Europa.

Jacques Vandermeiren, Vorstandschef des belgischen Hafens, zeigte sich bei der Vorstellung des Jahresberichts für 2024 (Annual report 2024) zufrieden. „Mit unserer einzigartigen Mischung aus Logistik, maritimer Wirtschaft und Industrie sowie unserer strategischen Lage sind wir bereit, unsere Wendigkeit neuerlich unter Beweis zu stellen“, sagte der 61 Jahre alte Manager, der 2016 an die Spitze des Antwerpener Hafens berufen wurde.

Vandermeiren verwies auf das schwierige geopolitische Umfeld und den verschärften internationalen Wettbewerb. Negativ beeinflusst wurde das Geschäft nicht zuletzt durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine. Auch dass Handelsschiffe die Durchfahrt des Roten Meers meiden, auf das traditionell 15 Prozent des internationalen Seeverkehrs entfiel, beeinträchtigte auch das Geschäft der belgischen Häfen. Zudem machten sich die Flauten in der chemischen und der Automobilindustrie sowie im Baugewerbe negativ bemerkbar.

Erfreulich verlief aus Sicht von Antwerpen und Zeebrügge der Umschlag mit Schiffscontainern. Er wuchs im Jahresvergleich um knapp neun Prozent. Im Ranking der Seehäfen zwischen dem französische Le Havre und Hamburg liegt Antwerpen-Zeebrügge mit einem um 0,7 Prozentpunkte verbesserten Markanteil von zuletzt 30,6 Prozent fast gleichauf mit Rotterdam.

Mit Blick auf das für 2050 angepeilte Ziel eines klimaneutralen Hafens sollen die Anstrengungen vorangetrieben werden. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau der Kreislaufwirtschaft, zum Beispiel durch das Projekt „Cherish20“ zur Reinigung und Wiederverwendung von Industrieabwässern. Der Hafen verfügt inzwischen über eine der größten europäischen Ladestationen für elektrisch betriebene Lastkraftwagen, über das erste rein elektrisch versorgte Schleppschiff in Europa (Volta 1) sowie den – international – ersten durch Methanoltreibstoff angetriebenen Schlepper (Methatug).

Außer auf die Rolle von Zeebrügge und Antwerpen als Logistikdrehscheibe mit guter Anbindung nach Deutschland und anderen Nachbarstaaten richtet sich das Augenmerk auch auf die Bedeutung des Hafengebietes als Industriestandort. Dies gilt nicht zuletzt für die Chemiebranche. Mit BASF, Covestro, Evonik und Lanxess sind wichtige deutsche Unternehmen ansässig. Diese Tage wurden Pläne des österreichischen Energie- und Chemiekonzerns OMV zum Bau einer Raffinerie für unter anderem aus Frittieröl gewonnene Biokraftstoffe bekannt, die in Flugzeugen eingesetzt werden sollen.

Konkrete Gestalt nimmt inzwischen auch das Vorhaben „Project ONE” an. Es handelt sich um eine vom britischen Chemiekonzern Ineos auf den Weg gebrachte Anlage („Cracker“), die nach einer Übergangszeit die Verwendung vom grünen Wasserstoff zur Herstellung chemischer Grundstoffe ermöglichen soll. Ein 6000 Tonnen schweres, 32 Meter breites und 60 Meter hohes Bauteil wurde jetzt per Schiff nach Antwerpen transportiert. Ineos hat die die Kosten des Projekts zuletzt auf drei Milliarden Euro beziffert und die Schaffung von 450 Arbeitsplätzen in Antwerpen in Aussicht gestellt.

Obwohl Antwerpen und Rotterdam im scharfen Wettbewerb miteinander stehen, haben sich die Spitzenvertreter beider Häfen auf eine Reihe von Feldern der Zusammenarbeit verständigt. Dies gilt insbesondere für das Streben nach Nachhaltigkeit. Beide Hafengebiete haben mit den möglichen Umweltfolgen durch Stickstoff und sogenannte Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) zu tun. Mit Spannung wird daher der voraussichtlich Ende Februar von der Europäischen Kommission vorgestellte sogenannte Industrieplan zum Grünen Deal erwartet.

Verstärkt werden soll die Zusammenarbeit zwischen Antwerpen-Zeebrügge und Rotterdam auch bei den Bemühungen zur Digitalisierung sowie im Kampf gegen den Rauschgiftschmuggel. In Antwerpen ist man stolz darauf, dass im vergangenen Jahr nicht zuletzt dank verbesserster Kontrollsysteme die Menge von beschlagnahmtem Kokain auf 44 Tonnen zurückgegangen ist – gegenüber rund 120 Tonnen im Jahr 2023. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass der Schmuggel sich verstärkt auf anderen Wegen vollziehe, da sich die im illegalen Rauschgifthandel praktizierten Preise nicht dramatisch verändert hätten.

Während Antwerpen-Zeebrügge bereits die Jahresbilanz für 2024 veröffentlich hat, liegen die entsprechenden Zahlen für Rotterdam noch nicht vor. 2023 wurden dort 438,8 Millionen Tonnen umgeschlagen. Für die ersten neun Monate des vergangenen Jahres verzeichnete Rotterdam weitgehend stabile Umschlagszahlen. Der auf Platz drei in Europa liegende Hamburger Hafen, in dem 2023 insgesamt 114,3 Millionen Tonnen umgeschlagen worden waren, hat für die ersten neun Monate von 2024, nicht zuletzt wegen der schwachen Wirtschaftsdaten in Deutschland, einen Rückgang um drei Prozent vermeldet.

Leave a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.