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Adieu, lieber Brückenbauer!

Zum Tod des Belgieninfo-Gründers und langjährigen Chefredakteurs Rudolf Wagner

Vor mehr als zwei Jahrzehnten hat sich Rudolf Wagner an einen journalistischen Sprung ins Ungewisse versucht. Gemeinsam mit einem Kollegen, der ebenfalls gerade in den (Un)Ruhestand getreten war, wagte sich der gebürtige Berliner an ein neues Projekt heran. Ziel des Internetportals www.belgieninfo.net sollte es sein, in deutscher und verständlicher Sprache Belgien – “das Land, in dem wir leben” – und seine vielfältigen Facetten Leserinnen und Lesern innerhalb und außerhalb des Königreichs näher zu bringen.

Seit dem Start im Jahr 2002 hat Rudolf Wagner als Gründer und Chefredakteur die Entwicklung von Belgieninfo maßgeblich geprägt und begleitet – bis zuletzt, als ihm die Krankheit das Leben von Tag zu Tag beschwerlicher gemacht hatte. Nun ist er im Alter von 83 Jahren im engsten Familienkreis verstorben.

Als Mentor und Wegbegleiter von Belgieninfo hat Rudolf Wagner stets die journalistischen Tugenden hochgehalten, denen er sich vielleicht schon seit seinem ersten Beitrag – im Alter von 15 Jahren für den Berliner „Tagesspiegel“ verpflichtet gefühlt hatte. Hierzu gehörten für ihn Unabhängigkeit, Präzision, die Erläuterung von Zusammenhängen, Kritik, wo sie geboten ist – aber in Fairness. Dazu kamen eine schier unbändige Neugier, wenn es um Menschen ging, sowie gerne auch eine Prise Humor – wie in der von ihm jahrelang bestückten Rubrik „frisch frittiert“.

Rudolf Wagner wurde in Brüssel und an Radiogeräten in Deutschland schnell zu einer bekannten Stimme, als er 1982 aus Madrid als Hörfunkkorrespondent für mehrere öffentliche-rechtliche Sender, darunter den Sender Freies Berlin (SFB) und den Hessischen Rundfunk, in die belgische Hauptstadt kam. Später wechselte er zum neugegründeten Fernsehsender RTL. Jahrelang beobachtete er das innenpolitische Geschehen in Deutschland, ehe ihn sein beruflicher Weg wieder nach Brüssel führte.

Bei seiner Rückkehr nach Belgien verspürte Rudolf Wagner, wie sehr ihm Land und Leute inzwischen ans Herz gewachsen waren. Nach seinen Jahren bei RTL sammelte er als Mitarbeiter von Spiegel Online Erfahrungen mit der damals neuen Welt des Internetjournalismus. Nicht zuletzt deshalb traute er es sich einige Zeit später auch zu, selbständig das Portal Belgieninfo auf die ungewisse Reise im veränderten Medienzeitalter zu schicken.

Mit einem Team ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es Rudolf Wagner gelungen, Belgieninfo als zuverlässige Informationsquelle zu etablieren. Dazu zählen Berichte, Analysen, Reportagen aus der Welt von Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport sowie – nach wie vor gerne gelesen – über Handel und Wandel sowie Kuriositäten im Brüsseler Europaviertel und jenseits davon.

Bis zuletzt hat Rudolf Wagner wachsame Blicke auf die Belgieninfo-Texte und die Arbeit der Redaktion geworfen. Kritik konnte und wollte er unverblümt äußern – in der Überzeugung, dass Offenheit und Vertrauen Hand in Hand gehen. „Mr. Belgieninfo“ mochte es, unter Menschen zu sein und, dem ihm nicht fremden Berliner Sinn für Humor sei Dank, dabei gelegentlich zu frotzeln. Die letztlich immer entspannt verlaufenden Redaktionstreffen in den Räumlichkeiten der Brüsseler Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) Ostbelgiens hat auch er stets genossen.

77 Jahre alt war Rudolf Wagner, als er 2018 als „Ritter des Kronordens“ von belgischer Seite für seine unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz für die belgisch-deutsche Verständigung ausgezeichnet wurde. Ein Jahr später wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Der deutsche Botschafter Martin Kotthaus würdigte Rudolf Wagner damals als “Brückenbauer zwischen Deutschland und Belgien“ und fuhr fort: „Er ist ein toller Journalist gewesen, er ist ein tolles Herz von Belgieninfo, er hat dadurch Deutsche und Belgier enger zusammengebracht. Humor und Kompetenz – besser geht es gar nicht.“

Humor und Kompetenz haben Rudolf Wagner auch in den schweren Tagen des Lebensabends nicht im Stich gelassen. Der Berliner, der in Brüssel so tiefe Wurzeln geschlagen hat, wusste sich gut umringt durch seine italienische Gattin sowie die drei, in Rom, Madrid und Brüssel geborenen Söhne.

Und da war und blieb das Projekt Belgieninfo, „Rudolf vierter Sohn“, wie Ehefrau Perla dieser Tage scherzhaft meinte. Das ihm bei einem letzten Treffen in der Adventszeit gegebene Versprechen, Belgieninfo weiter zu hegen und zu pflegen, wollen wir einlösen und dabei beherzigen, was er in einer der Todesanzeige beigefügten Abschiedsbotschaft an alle Adressaten formuliert hat: “Erinnert Euch an mich, wie ich war und gelebt habe, mit Engagement, Unabhängigkeit, manchmal undiplomatischer Offenheit, aber immer mir selbst treu.“

Das Belgieninfo-Team

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