Von Anna Kotzan
Das in Belgien mit vielen Veranstaltungen gefeierte Ensor-Jahr neigt sich dem Ende zu, trumpft aber noch einmal mit einer besonderen Ausstellung seiner wenig bekannten Drucke und Radierungen im Museum Plantin-Moretus in Antwerpen auf.
Der Künstler James Ensor (13. April 1860 bis 19. November 1949), der eigentlich seine Heimatstadt Ostende nie verließ, ist als Maskenmaler in die Geschichte eingegangen. Aber er ist soviel mehr als das. Diese Themenausstellung beleuchtet den breiten Kosmos des Künstlers von einer neuen Seite.
Mitten im Herzen von Antwerpen betritt man die Welt einer alten Drucker- und Patrizierfamilie mit Wohnhaus, Arbeitsräumen mit den ältesten erhaltenen Druckpressen, Ausstellungen der kostbaren Druckerzeugnisse und einem malerischen Innenhof.
Ein idealer Ort für die Ausstellung „Zustände der Phantasie – Ensor und das grafische Experiment“. Als Ensor 1886 mit seinen Radierungen begann, waren Druckerei und Wohnhaus schon nationales Kulturerbe, doch die neun Generationen überdauernde Leidenschaft zum Druck versprüht noch heute ein eigenes Kolorit. Um 1550 hatte Christophe Plantin die Verlagsdruckerei Officina Plantiniana gegründet, die bereits nach zwanzig Jahren zu den besten Europas zählte.
Ensor fertigte seine ersten Drucke mit Hilfe von Théo Hannon an. „Ich beherrsche das Handwerk des Radierers überhaupt nicht. Ich zeichne und graviere ordentlich, aber ansonsten überlasse ich alles dem Zufall.“ Wegweisend für seine künstlerische Entwicklung wurde für Ensor die Begegnung mit Hannon, einer Schlüsselfigur der belgischen Avantgarde, nachdem er enttäuscht von dem rückwärts gewandten Lehrbetrieb seine Studien an der Akademie für Schöne Künste 1880 vorzeitig abgebrochen hatte. „Ich wusste nie so recht, warum ich den Ruf eines unverbesserlichen Revolutionärs bekam.“
Mit Vorgängern wie Rembrandt im Hinterkopf, geht Ensor einen ganz eigenen Weg. Sein Atelier wird ein Versuchslabor für Experimente. Die Ergebnisse stehen für seinen freien, unakademischen Geist. So zeigt die Ausstellung verschiedene Stadien von Drucken, auch auf unterschiedlichem Material. Unfertige Drucke verwandelt Ensor in einzigartige Kunstwerke, indem er sie von Hand mit Bleistift, Gouache oder Aquarellfarben koloriert.
Mein Favorit: „Die gefährlichen Köche“ (1896). Den ihm wenig zugewandten Kunstkritiker Octave Maus steckt Ensor hier in ein Kochkostüm und lässt ihn seinen eigenen Kopf einer Reihe von Kunstkritikern präsentieren, darunter auch Ensors Fürsprecher Émile Verhaeren, der 1908 eine einflussreiche Monografie über ihn schrieb. Eine typisch „ensorische“ Satire, grotesk, makaber und voller Selbstspott, den ich heute misse.
Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Januar 2025 zu sehen.
Informatioen: https://museumplantinmoretus.be
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