Von Michael Stabenow.
Nach einer mehrwöchigen „Osterpause“ setzt Belgien wieder auf schrittweise Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Zunächst soll am 19. April das umstrittene Verbot von Reisen aus und nach Belgien fallen. Außerdem soll es ab diesem Tag für die jüngeren Jahrgänge in Schulen wieder ausschließlich Präsenzunterricht geben. Ein am Mittwoch vereinbarter Stufenplan sieht weitere Lockerungen für den 26. April sowie – falls die Entwicklung der Pandemie dies zulässt – zum 8. Mai vor.
Die richtige Balance zu finden, bleibt auch für Belgien eine Herausforderung. Zwar ist die Anzahl der Neuinfektionen sowie der positiven Tests im Wochenvergleich und – zuletzt auch – der Aufnahmen in die Kliniken rückläufig, von einem Ende der seit März spürbaren „dritten Welle“ kann aber noch keine Rede sein. Erfreulich ist jedoch die Entwicklung des sogenannten R-Werts, der auf 0,96 gefallen ist. Dennoch liegen die Neuinfektionen deutlich über dem Sockel von täglich rund 2.000 Fällen, die nach Ende der „zweiten Welle“ wochenlang registriert worden waren. Zudem hat sich seit Februar die Zahl der Betroffenen auf den Intensivstationen besorgniserregend auf über 900 verdreifacht. Premierminister Alexander De Croo beklagte, dass wegen der Überlastung der Intensivstationen durch Corona-Patientinnen und Patienten die Behandlung anderer Leiden derzeit oft nicht mehr möglich sei.
Der Regierungschef gestand jedoch zu, dass die Rezepte der „ersten Welle“ – ein weitreichender Lockdown – sowie der „zweiten Welle“ – sektorale Beschränkungen – nun nicht mehr angemessen seien. „Risikobeherrschung“, laute jetzt die Devise. Es gehe um „einen vorsichtigen und realistischen Ansatz“, der sich weitgehend auf Vertrauen stütze.
Konkret bedeutet dies, dass in einem ersten Schritt am 19. April das Verbot nicht-essentieller, grenzüberschreitender Reisen innerhalb der Europäischen Union, endet. Reisende, die aus einer „roten Zone“ – was weniger für Deutschland als für andere EU-Länder gilt – zurückkehren, müssen sich unmittelbar sowie am siebten Tag nach der Rückkehr auf das Virus testen lassen und in Quarantäne begeben.
Ebenfalls am 19. April wird in den Grundschulen und den ersten zwei Klassen der Sekundarschulen Präsenzunterricht wieder zugelassen. Bei den älteren Jahrgängen soll die Hälfte der Stunden im Präsenzunterricht stattfinden – in der Hoffnung, dass eine günstige Entwicklung der Infektionszahlen vom 3. Mai an, auch für diese Gruppen keine Beschränkungen mehr erfordert.
Am 26. April soll die sogenannte „Osterpause“ offiziell enden und vor allem die verschärften Beschränkungsmaßnahmen für den Einzelhandel aufgehoben werden. Die Geschäfte dürfen Kundinnen und Kunde wieder ohne vorherige Terminabsprache empfangen. Zudem dürfen künftig auch wieder zwei Personen aus einem Haushalt gemeinsam einkaufen. Auch Friseur-, Kosmetiksalons sowie die Massage- und Tätowierstudios dürfen wieder öffnen.
Ab dem 26. April sind Treffen von bis zu zehn statt bisher vier Personen im Freien ebenfalls wieder gestattet. Allerdings bestand diese Beschränkung in jüngster Zeit häufig ohnehin nur auf dem Papier. Eine richtige Neuerung sind dagegen rund 30 Modellvorhaben, mit denen unter wissenschaftlicher Begleitung ermittelt werden soll, inwieweit sich für verschiedene Wirtschaftszweige – nicht zuletzt Kultureinrichtungen sowie Gaststätten – Beschränkungen lockern lassen.
Auch wenn De Croo weiter auf der Einhaltung der geltenden Grundregeln – regelmäßiges Händewaschen, Maskentragen sowie ein Mindestabstand von 1,5 Metern – beharrt, steht für den liberalen Politiker außer Frage, dass Impfungen gegen das Virus die „einzige Exitstrategie“ seien. Inzwischen hätten über zwei Millionen der 11,5 Millionen Einwohner des Landes zumindest die erste Impfdosis erhalten. Belgien sei im europäischen Vergleich vom zehnten auf den achten Rang vorgerückt.
Sollten am 8. Mai praktisch alle über 65-Jährigen geimpft sein, könnten nach jetziger Planung gewisse Beschränkungen für Freizeitaktivitäten der Vergangenheit angehören. Bis zu 25 Menschen – aller Altersgruppen – könnten sich im Freien zum Sport treffen. Cafés und Restaurants könnten den Betrieb in den Außenbereichen wieder aufnehmen. Gottesdienste, aber auch Empfänge – jeweils im Freien – mit bis zu 50 Teilnehmern sowie Flohmärkte sollen möglich werden.
Mit den Ausgangssperren soll ebenfalls am 8. Mai Schluss sein. Sie sollen durch ein zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens geltendes Verbot der Ansammlung von mehr als drei Menschen, soweit sie nicht einem Haushalt angehören, ersetzt werden. Schließlich soll es künftig nicht mehr einen, sondern zwei „Knuddelkontakte“ geben können, solange die beiden Personen demselben Haushalt angehören. Kinder unter zwölf Jahren werden dabei nicht mitgezählt.
De Croo stellte klar, dass weitere Lockerungen vom Verlauf der Pandemie abhingen. Dennoch wagte er einen Blick auf einen weiteren „wichtigen Meilenstein“. Die Mitglieder des Konzertierungsausschusses rechnen damit, dass in der ersten Junihälfte „fast alle über 65-Jährigen“ sowie die jüngeren, besonders gefährdeten Bewohnerinnen und Bewohner des Landes einen umfassenden Impfschutz erhalten haben werden. Dann sei der Zeitpunkt für weitere Lockerungen, auch für Innenräumlichkeiten, erreicht.
Ob es dazu kommt, hängt insbesondere vom weiteren Verlauf der Impfkampagne ab. In einigen Landesteilen – offenbar nicht zuletzt in Brüssel – folgten, laut Regierungsangaben, zu wenig Menschen der Einladung zur Impfung.
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