Wer steht hinter dieser belgischen Jazz-Rock- und Fusion Band Slang ? Es sind Manu Hermia (sax, bansuri, flute), Michel Seba (drums/perc) und François Carnyn (bass). Als Gast tritt bei der aktuellen Einspielung “Pace of Mind” der indische Sitar-Spieler Purbayan Chatterjee auf. Gemeinsam ist den Musikern der west-östliche Dialog. Dass auf Jazzmusiker indische Musik und Philosophie eine Anziehungskraft hat, ist nicht erst seit heute ein Phänomen. In diesem Kontext denke man an Charly Mariano und seine musikalischen Begegnungen mit dem Karnataka College of Percussion oder an John McLaughling’s Mahavishnu Orchestra.
Vorab sei an dieser Stelle bemerkt, dass es über Jahrzehnte keine nennenswerten Veröffentlichungen zu den Genres Jazz Rock und Fusion gab – man denke in diesem Kontext an das längst nicht mehr bestehende, beinahe legendär zu nennende United Jazz and Rock Ensemble. Nun aber scheint Jazz Rock eine Wiedergeburt zu feiern, denkt man an belgische Formationen wie „Moker“ und „Nordmann“, nun eben auch an „Slang“.
Nicht allein Kamasutra
Slang haben insgesamt fünf Kompositionen eingespielt, beginnen mit „Run“ über „Kamasutra“ – um die „indische Liebesbibel“ scheint man in der westlichen Welt nicht herumzukommen – „Oye“ bis hin zu „The Apu Trilogy“. „Oye“ ist ein gemeinsames Werk aller Musiker von Slang &Co. „Run“ und „Pace of Mind“ entstammen der Feder von Purbayan Chatterjee.
Saxofon und Sitar bewegen sich bei „Run“ anfänglich im „Gleichklang“. Hört man genau zu, dann wurde musikalisch nicht etwa ein unentwegtes Rennen eingefangen, sondern eher ein Rennen, ein Luftholen und ein Weiterlaufen. Anschließend „singt“ dann die Sitar ihre Melodie und man hat den Eindruck, gar so schnell ist der Läufer nicht mehr unterwegs. Bisweilen verwandelt sich die Sitar in eine ganz besondere „elektrische Gitarre“, soweit es den Klang angeht. Da scheinen die Saiten gezogen zu werden, eilen die Finger über die Saiten, und Mr. Slowhand hätte seine wahre Freude an diesem Spiel. Nach dem „Solo“ von Purbayan Chatterjee ist es dann an Manu Hermia den Fußspuren Purbayan Chatterjee mit dem Sopransaxofon zu folgen. Derweil „schnalzt“ und „grunzt“ der Bass, den François Carnyn im „Untergrund“ zupft. Es scheint irgendwann so, als ob der Läufer ganz kurzatmig wird. Seine Schritte werden kürzer, und man möchte rufen „Lauf, lauf!“ Das geschieht am Ende des ersten Stücks.
Es geht nicht um “Sex sells”
Liest man den Titel „Kamasutra“, dann sollte man nicht gleich an „Sex sells“ denken, da es im vorliegenden Fall ja um Musik und nicht um die Anleitung zu besserem Sex geht, wenn auch der Titel mit Bedacht gewählt wurde, so unterstelle ich. Ist das am Anfang eine Maultrommel mit im Spiel? Es scheint eher der Bass zu sein, der sich da regt, derweil Manu Hermia seine indische Bambusflöte (Bansuri) spielt. Als sie schweigt, entlockt Purbayan Chatterjee der Sitar unerwartete Klangformen. Es entwickelt sich im weiteren Fortgang so etwas wie ein Zwiegespräch zwischen Sitar und Bansuri, ehe es dann beim Tutti richtig rockt. Dass das auch ohne E-Gitarren und elektronischen Zauberkasten möglich ist, stellt „Slang“ unter Beweis. Schnell hat man dann auch den Titel des Stücks vergessen. Ingesamt erscheint die Dramaturgie von „Kamasutra“ sehr abwechslungsreich, mal ein bisschen Weltmusik, mal ein bisschen Rock. Dann kreischt und krächzt, singt und jubiliert auch das Saxofon in den Händen von Manu Hermia. Heftig und hart sind die Beats, die Michel Seba zu den „Saxofoneskapaden“ beisteuert. Gerade bei diesem Stück kann man wohl ohne Frage von Fusion reden, und zwar im besten Sinne!
Sitar trifft auf Saxofon
„Oye“ steht als nächste Komposition auf dem Programm: Wenn ich mich nicht täusche, heißt das aus dem Spanischen übersetzt „Hör mal“. Doch Spanisch kommt mir das Stück ganz und gar nicht vor. Bei den Rhythmen musste ich eher an Afro-Rock denken, an Fela Kuti, Osibisa und andere Gruppen aus Westafrika, die bisweilen auch den europäischen Musikmarkt für sich entdeckten. Diese Assoziation wird zwar durch die Rhythmik gestärkt, jedoch nicht durch die schwirrende Sitar, die vorherrschende Klangfarbe erzeugend.
Noch ein Wort zum letzten Stück: „The Apu Triology“. Auch hier ist die Sitar sehr dominant. Spielt der Drummer da auf Kalebassen, während der Sopransaxofonist Manu Hermia in höchsten Tönen schwelgt? Dem Sitar-Spieler fällt es zu, ab und an in die Saxofonpassagen kommentierend einzugreifen. Schnelle, sich beinahe tonal überschlagende Passagen wechseln sich mit ruhigen Sequenzen ab. Der Sitar wird ebenso viel Spielraum eingeräumt wie dem Saxofon. Untergelegt sind die Sitar-Phrasierungen mit einem dumpfen Bassklang. Was mich jedoch gewundert hat, ist die Tatsache, dass mit dem letzten Titel des Albums augenscheinlich Apu, einer Gottheit aus der Mythologie der Inka, „gehuldigt“ wird, und das von einer belgisch-indischen Combo, deren Mitglieder sich wohl als Weltbürger begreifen müssen. Sonst wäre eine solche Musik auch nicht denkbar. Demnächst mehr davon bitte!!
Text: Ferdinand Dupuis-Panther
Beiträge und Meinungen