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Der dritte König der Belgier

König Albert 1.2014 ist über den Ersten Weltkrieg in Belgien viel geschrieben worden. Zum Ende des Gedenkjahres erinnern wir uns an den Mann, der als dritter König der Belgier für die militärische Verteidigung des Königreiches verantwortlich war: Albert I., der das Land 1918 innenpolitisch erstaunlich schnell stabilisierte – was seinem Sohn Leopold III. eine Generation später, 1945, nicht gelingen wollte. Auch mit seinem Onkel Leopold II., dem Albert 1909 auf den Thron gefolgt war, hatte er nicht viel gemein: Weder teilte er Leopolds Liebe für monumentale Architektur, wie sie heute noch Brüssel und Ostende prägt, noch billigte er seine Skrupellosigkeit, mit der dieser in „seinem“ Kongo-Freistaat Rohstoffe erschlossen und geplündert hatte. Albert I. war unprätentiös, entschlossen und besaß einen verlässlichen Realitätssinn.

Dass es Krieg geben würde, war dem König seit langem klar. Er war dafür, dass 1913 die allgemeine Wehrpflicht in Belgien eingeführt wurde. Als das Deutsche Heer im August 1914 im Großraum Aachen die belgische Grenze überschritten hatte, stand Albert mit der belgischen Armee bereit. Er verzögerte den Durchmarsch der Truppen nach Frankreich so effizient, dass die Deutschen zuletzt zu genau dem Zweifrontenkrieg gezwungen waren, der laut Schlieffenplan mit Hilfe der „Abkürzung“ durch Belgien auf dem Weg nach Frankreich unbedingt vermieden werden sollte.

1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges, stand der Roi chevalier als Oberkommandierender der alliierten Heeresgruppe Flandern vor, die im Zuge der großen Offensive die Deutschen endgültig verjagte: Auf Alberts Kommando „Dinant!“ hin griffen die Truppen das Deutsche Heer an: Die deutschen Kriegsverbrechen in Dinant, Visé und anderen belgischen Städten hatte Albert I. nicht verhindern können, aber vergessen hatte er sie nicht.

Revolutionäre Lieder

Mit Kriegsende tauchten plötzlich innenpolitische Probleme auf. In Brüssel gab es Anzeichen für revolutionäre Umtriebe, die bereits den russischen Zar das Leben und den Deutschen Kaiser den Thron gekostet hatten: belgische Arbeiter stimmten bereits revolutionäre Lieder an. Sollte auch in Belgien die Monarchie geschleift werden? Albert entschloss sich, das allgemeine Wahlrecht einzuführen, das die Sozialisten und Liberalen seit langem forderten und das von den Katholiken erfolgreich blockiert worden war.

Albert hatte hierbei nicht nur an seinen Thron gedacht: Vor 1909 hatte er inkognito einige belgische Elendsviertel besucht und wusste, wie legitim die Forderung der Arbeiter nach politischer Mitbestimmung war. Er mag mit dieser Entscheidung die Monarchie und den inneren Frieden in Belgien gerettet haben. Heute im föderierten Belgien mit seinen selbstbewussten Regionen und Kulturgemeinschaften könnten königliche Tatkraft und Entschlossenheit schnell als Einmischung oder gar Bevormundung verstanden werden. Seit den Tagen von Boudewijn I. ist das belgische Königshaus die Klammer, die das Land mit seinen auseinanderstrebenden Landesteilen zusammenhält. Alberts Urenkel König Philippe I. muss Langmut und ein hohes Maß an Diplomatie aufbringen, will er den inneren Frieden im Lande bewahren.

(C) Andrea-Ilona Debes

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