Belgien, Politik, Verkehr

Weniger SUV in der Stadt – noch ein Thema für die Regierungsverhandlungen in Brüssel

Von Reinhard Boest

Es ist ja nicht zu übersehen: die Autos in Brüssel (und natürlich nicht nur dort) werden immer größer und schwerer. Das hat Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, aber vor allem auf die Nutzung des begrenzten öffentlichen Raums. Das merkt man in Parkhäusern, aber auch in engen Straßen, wo sich Autos kaum noch begegnen können, weil die links und rechts parkenden Autos so breit sind.

Die noch amtierende Brüsseler Verkehrsministerin Elke Van den Brandt hat dazu jetzt eine Studie der regionalen Verkehrs- und der Umweltverwaltung (Bruxelles Mobilité und Bruxelles Environnement) erstellen lassen, wie die Wirtschaftszeitung L‘Echo berichtet. Darin geht es auch um mögliche Maßnahmen, wie man mit diesem Phänomen umgehen könnte.

Zwischen 2013 und 2023 ist der Studie zufolge das Gewicht der in Brüssel neu zugelassenen Personenkraftwagen um 10 Prozent gestiegen. Besonders Firmenwagen  sind betroffen: sie wiegen im Durchschnitt 1.711 Kilogramm, Privatwagen 1.463 Kilogramm. Besonders kritisch ist aber, dass sie inzwischen oft über 1,80 Meter breit sind – und damit die Maße üblicher Parkplätze überschreiten.

Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu wichtigen Zielen der Verkehrs-, Umwelt- und Stadtentwicklungspolitik, die sich die Regierungskoalition in der Region Brüssel 2019 vorgenommen hatte. Unter anderem sollte darauf hingewirkt werden, dass die Autos dem städtischen Umfeld besser angepasst sind, also kleiner und leichter sind.

Wie kann man dieser Tendenz entgegenwirken? Überzeugungsarbeit, auch entsprechende Werbung, ist offenbar wenig erfolgreich. Die Studie geht davon aus, dass man am Geldbeutel ansetzen muss, um (vielleicht) etwas zu bewirken. In der Wallonie soll sich – noch von der vorigen Regierung beschlossen – ab Mitte 2025 die Zulassungssteuer (Taxe de Mise en circulation, TMC) nicht mehr nur nach dem Hubraum, sondern auch nach dem Gewicht des Autos richten. Die neue Regierung will diese zusätzliche Belastung für reine Elektroautos reduzieren; insgesamt ist sie aber nach Einschätzung der Studie zu gering, um eine Kaufentscheidung wirklich zu beeinflussen. Dazu bedürfe es eines Steuersatzes, wie er in den Niederlanden gelte: dort fallen pro 100 Kilogramm zusätzliches Gewicht 100 Euro mehr Steuer an.

Ein anderes Instrument sind nach Gewicht oder Größe gestaffelte Parkgebühren. Einige Brüsseler Gemeinden erheben für größere Autos eine bis zu zweimal höhere Gebühr für Anwohnerparkausweise. Einige europäische Städte differenzieren die Parkgebühren nach Größe der Fahrzeuge; besonders drastisch ist Paris vorgegangen, wo seit Oktober dieses Jahres die Parkgebühren für SUV‘s verdreifacht wurden.

© Ville de Paris

Und schließlich erörtert die Studie auch die Möglichkeit, nach dem Modell der Niedrigemissionszonen (LEZ) das Gebiet der Region Brüssel oder Teile davon für große oder schwere Fahrzeuge zu sperren. Ein Problem der sozialen Unausgewogenheit sei nicht zu befürchten, da diese Autos vor allem in den wohlhabenderen Gemeinden zu finden seien. Die LEZ beträfe dagegen vor allem ärmere Haushalte, die sich oft keine Autos leisten könnten, die die immer strengeren Emissionsgrenzwerte einhalten.

Den Verfassern der Studie scheint aber klar zu sein, dass die erwogenen Maßnahmen auf Widerstand stoßen werden. Das ist angesichts der anhaltenden Diskussion über die Mobilitätspolitik der bisherigen Regierung wenig überraschend. Um etwas gegen immer größere Autos in der Stadt zu tun, müsse Überzeugungsarbeit geleistet werden. Immerhin hätten sich in Umfragen zwei Drittel der Brüsseler dafür ausgesprochen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass ein großer Anteil des Autoverkehrs in der Stadt von Pendlern aus dem Umland verursacht wird. Damit stünde man wieder vor dem gleichen Problem wie bei der seit langem diskutierten City-Maut: ohne eine Abstimmung mit den anderen Regionen ist das nicht zu machen.

Ministerin Elke Van den Brandt sieht die Studie als Grundlage für Entscheidungen, die die – immer noch nicht absehbare – künftige Regionalregierung zu treffen haben werde. Sieht man sich die Positionen der wahrscheinlichen Koalitionspartner an, scheinen zusätzliche Belastungen für – auch wohlhabendere – Autofahrer eher unwahrscheinlich. Die Fristen für die LEZ wurden von der neuen Mehrheit im Regionalparlament ja schon gelockert. Da aber nicht ausgeschlossen ist, dass die flämischen Grünen (Groen), die bei der Wahl unter der niederländischsprachigen Wählerschaft vorn lagen, auch der künftigen Regionalregierung angehören werden, ist das Thema für sie jedenfalls zusätzliche Verhandlungsmasse.

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