Politik

Temposünden auf belgischen Autobahnen

Von Michael Stabenow.

Hand aufs Herz: Wer hält sich schon stets penibel an die vorgegebenen Höchstgeschwindigkeiten? Und natürlich stimmen Tachoangabe und wirkliches Tempo quasi schon ab Werk nicht überein. Dennoch erleben tagtäglich weitgehend regelkonform fahrende Zeitgenossen, die sich auf Belgiens Autobahnen die offiziellen 120km/h Höchstgeschwindigkeit halten, wie andere flott auf der Überholspur an ihnen vorbeiziehen.

Ende Juli schien es, als sollte dem überschnellen Treiben auf Belgiens Straßen ein Ende gesetzt werden. Justizminister Vincent Van Quickenborne kündigte die Schaffung einer neuen föderalen Behörde an, mit deren Hilfe Temposündern vermehrt und wirksamer das rasante Handwerk gelegt werden sollte. Zudem ist im Gespräch, die bei Geschwindigkeitskontrollen praktizierte sogenannte Toleranzmarge abzubauen. Denn bisher erfassen die Blitzer auf Autobahnen Temposünder häufig erst dann, wenn sie mit mindestens 130 oder gar mehr als 140 Stundenkilometern unterwegs sind.

In der Hauptstadt Brüssel, wo inzwischen auf den meisten Straßen Höchsttempo 30 gilt, werde erst bei einem Tempo von mindestens 47 Stundenkilometern geblitzt, bemängelte Van Quickenborne. Rasch entstand vielerorts der Eindruck, der flämische Liberale wolle auch die bei Geschwindigkeitskontrollen bisher übliche „technische Fehlermarge“, die möglichen Fehlern bei den Messungen Rechnung tragen soll, kassieren. Die Marge beträgt derzeit sechs Prozent, was in der Praxis bedeutet, dass auf belgischen Autobahnen und vierspurigen Schnellstraßen ein – reales – Tempo von 127 Stundenkilometern toleriert wird.

Über die Zeitung „Het Nieuwsblad“ gab das Justizministerium jedoch teilweise Entwarnung. An der Fehlermarge von sechs Stundenkilometern werde sich weder beim klassischen Blitzen noch bei den zunehmend üblichen Messungen der Durchschnittsgeschwindigkeit auf Streckenabschnitten etwas ändern.

Bestätigt hat das Justizministerium hingegen, dass die der Polizei gewährte „Toleranzmarge“, wonach erst bei deutlich höherem Tempo geblitzt wird, schrittweise verschwinden soll. Der Vergangenheit angehören soll zudem die Praxis, nur einen Teil der Blitzgeräte im Dauerbetrieb zu nutzen. Der Hauptgrund für die bisher häufig geübte Nachsicht war offenbar weniger, dass die Polizei zwei Augen bei Temposündern zudrückte. Vielmehr schien es vor allem darum zu gehen, ausreichend Personal zur Ahndung schwererer Vergehen im Straßenverkehr, wie Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, zur Verfügung zur haben. Für Abhilfe soll daher die angekündigte neue föderale Behörde mit insgesamt knapp 50 Mitarbeitern sorgen.

Für Aufregung sorgte, dass der Eindruck entstand Van Quickenborne wolle Autofahrer, die auch nur einen Kilometer zu schnell unterwegs, künftig zur Kasse bitten. Da in Flandern ungleich mehr Blitzgeräte als in Wallonien stehen, erhielt die Debatte auch die landestypische Duftnote, wonach der belgische Staat vor allem bei Bürgerinnen und Bürgern im Norden des Landes abkassieren wolle.

Bild: Kickaffe (Mario von Berg)

Leave a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.