Von Egon C. Heinrich.
Innerhalb von wenigen Wochen kann das Palais des Beaux-Arts (BOZAR) an der Rue Ravenstein in Brüssel der Öffentlichkeit eine zweite interessante Neuerung bieten. Im September war die Riesenorgel im großen Konzertsaal des berühmten, von Victor Horta entworfenen Gebäudes nach 50 Jahren wieder zum musikalischen Leben erweckt worden,
Jetzt hat BOZAR damit begonnen, seinen großen, ehrwürdigen Konzertsaal Henry Le Boeuf (Initiator und Sponsor des Palais’ vom Anfang des 20 Jahrhunderts) in ein multifunktionalen Musik- und Kunstzentrum umzuwandeln.
Wie vollzieht sich dieser Wandel? Vor allem dadurch, dass die bisher fest eingebauten Fauteuils durch auswechselbare Sessel im Parkett ersetzt werden. Diese Innovation, die überwiegend von Beliris und der belgischen Zentralregierung finanziert wird (zuständiger Minister: Didier Reynders), soll bis Mai kommenden Jahres beendet sein, ohne dass der geplante Konzertbetrieb beeinträchtigt werden wird.
BOZAR bietet mehr Publikumsnähe
Künftig kann also das Parterre des großen Saales ganz oder teilweise ohne großen Aufwand von seiner Bestuhlung befreit und damit für alle denkbar möglichen Kunstformen genutzt werden. Die Intention ist es dabei, eine größere Nähe zum Publikum und eine Interaktion mit diesem zu erreichen. In vielen Konzertsälen und Theatern der Welt ist es schon üblich, von der Konfrontation „hie Bühne – dort Zuschauer bzw. Zuhörer“ abzugehen und die Künstler mitten unter die Besucher zu platzieren. Man denke etwa an die Philharmonie in Berlin oder an die neue Elbphilharmonie in Hamburg, wo die Zuhörer rund um die Orchester sitzen und von allen Plätzen aus gut hören und meist auch gut sehen können. Und beim berühmten Opernball in der Wiener Staatsaoper werden schon seit langem die Fauteuils im Parkett entfernt, um Platz für Walzer- und Polka-Tänzerinnen und -Tänzer zu schaffen.
Die modulable Bestuhlung im Saal Henry le Boeuf ermöglicht es, dort künftig neben der Klassik auch Jazz, Weltmusik, Elektro und sogar hip-hop zu spielen. So können künftig auch Feste und sogar Bälle im BOZAR stattfinden – eine Konkurrenz für das Concert Noble in der Rue d´Arlon! Sicher werden nicht alle Liebhaber der klassischen Musik von dieser Neuerung begeistert sein, sie werden indes keine Abstriche bei ihrem Musikgenuß hinnehmen müssen. Die Bestuhlung auf den drei Rängen des Konzertsaals– und auch in der Königsloge – bleibt naturgemäß unverändert.
Seit der Einweihung im Jahre 1929 wurde die Bestuhlung im Saal Henry Le Boeuf viermal erneuert. 1999 wurde für die Sessel ein Design ausgewählt, das dem Original von Victor Horta aus dem Jahre 1929 sehr nahe kommt. Die jetzt begonnenen Arbeiten werden von der Firma Fibrocit ausgeführt, die schon die Bestuhlung in den 20iger Jahren des vorigen Jahrhunderts und auch jene im Jahre 1999 gefertigt und installiert hat. Die Konzertbesucher werden von der schrittweisen Erneuerung so gut wie nichts merken. Sie können sich weiterhin bei vollem Komfort dem musikalischen Genuss hingeben.
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