Von Sandra Parthie.
Eine wunderbare Abwechslung vom Alltag bot sich letzte Woche an der internationalen Deutschen Schule Brüssel (iDSB) – der Zirkus war zu Gast. Und zwar nicht nur zu Gast, sondern auch zum Mitmachen. Ja, eigentlich waren es die Schülerinnen und Schüler, die für das Zirkusprogramm verantwortlich zeichneten.
Die Zirkusfamilie Casselly, in Person von Gorden und Jessica Kaselowsky, war mit Sack und Pack in Brüssel und stellte gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern der Grundschule in nur einer Woche ein beeindruckendes Programm auf die Beine. Vom Bodenturnen, über die Musik-Clowns, die Zauberer und die Jongleure war alles dabei. Auch Seiltänzerinnen und Luftakrobatinnen konnte man im eigens errichteten Zirkuszelt bewundern. Professionell war nicht nur der Popcorn- und Zuckerwattestand organisiert, auch die auftretenden jungen “Stars der Manege” wurden stilecht angesagt und ausstaffiert.
Im Gespräch mit Belgieninfo berichteten Gorden Kaselowsky, Casselly-Repräsentant in der achten Generation, von ihrem Zirkuskonzept, mit dem die Familie seit vielen Jahren Deutschlands Schulen besucht. Eine Woche lang üben sie mit den Schülerinnen und Schülern täglich zwei Stunden Zaubertricks und Choreographien. Nach drei Tagen gibt es schon eine erste Generalprobe mit Lichteffekt und Kostümen im Zirkuszelt. Wichtig ist, dass sich alle teilnehmenden Kinder aussuchen können, ob sie lieber jonglieren oder auf dem Seil über der Manege schweben wollen und welchen Workshop sie dafür gern besuchen möchten. Dann wird in klassen- und altersstufenübergreifenden Gruppen fleißig geübt. Und zwar ohne Lehrerinnen und Lehrer, ohne Eltern, sondern mit den drei Trainerinnen und Trainern der Zirkusfamilie selbst. Schon bald wurden die neuen Rollen identitätsstiftend – die Kinder redeten von sich als Zauberer oder Clowns, so mache entdeckten neue Fähigkeiten, zeigen sich von einer ganz neuen Seite, demonstrieren bisher ungeahntes Können. Auch neue Freundschaften und Integrationsmöglichkeiten bilden sich, sobald die Kinder nicht mehr nur in ihren Klassenverbänden unterwegs sind. Darum geht es der aus Bielefeld stammenden Zirkusfamilie auch: Die Kinder sollen auf spielerische Art lernen, Hemmungen zu überwinden – und zwar nicht nur wenn es darum geht über ein Seil zu balancieren, sondern auch, vor Publikum aufzutreten. Gerade jene, die sonst vielleicht nicht ganz so gut mitkommen in der Schule, haben hier die Chance, sich mal ganz anders zu präsentieren, neues Selbstvertrauen zu gewinnen. Und den Kindern soll der Zirkus mit seinen vielen Facetten näher gebracht werden. Mit dieser Zielsetzung tourt der Zirkus das ganze Jahr über durch Deutschland, alle 4 Jahre kommt er auch zur iDSB nach Brüssel. Dann müssen auch die Eltern ran und das große Zelt nicht nur auf-, sondern nach er letzten Vorführung auch wieder abbauen helfen. Der Aufbau gelang diesmal in rekordverdächtigen 1h36, wie zur recht stolze Eltern berichteten.
Der “Circus Casselly” war, so erzählt Zirkusdirektor Kaselowsky, ursprünglich ein Familienzirkusunternehmen, das von Stadt zu Stadt wanderte. Seit 1999 ist daraus ein reines Grundschulprojekt geworden. Die Familienmitglieder sind in ihre Trainerrollen selbst hineingewachsen, haben ein gutes Gespür und Verständnis für die Kinder und ihre Fähigkeiten entwickelt. Das Projekt verfolgt mit einem eigens erstellten pädagogischen Konzept das Ziel, Selbstbewusstsein und Koordinationsvermögen sowie Teamfähigkeit in klassenübergreifenden Workshops zu fördern. 15 Monate musste der Zirkus wegen Corona pausieren, konnte keine Auftritte und Vorführungen organisieren. Langsam läuft es wieder an, zwar mit entsprechenden Hygienekonzepten, aber immerhin wieder mit der Chance, Kindern und Eltern ein einzigartiges Erlebnis zu bescheren.
Und das war es wirklich – während die meisten Kinder, nach übereinstimmenden Aussagen von Eltern und Lehrerinnen, bereits den ganzen Tag über Lampenfieber hatten und vor Energie kaum zu bremsen waren, sah man den Eltern den Stolz auf die Leistungen “ihrer” Zirkusartisten deutlich an. Die Darbietungen waren unterhaltsam, energiegeladen, tempo- und farbenreich und durchaus beeindruckend.
Fotos: Sandra Parthie
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