Von Heide Newson.
Es kann wieder geschmökert werden. Bücher und noch mehr Bücher aus deutschen Verlagen finden sich bis zum 24. Mai in der Landesvertretung von Baden-Württemberg, die zur Anlaufstelle für alle Literaturfreunde geworden ist.
Präsentiert werden mehr als 1500 Bücher, darunter viele Neuerscheinungen aus Baden-Württemberg, über Europa, Politik und Zeitgeschehen, viele Kinder-und Jugendbücher und Reiseführer. Als Novum wird zusätzlich Literatur zu den Themen Klassiker und Lyrik, Gesundheit, sowie Körper und Seele präsentiert.
„Die Landesvertretung des Landes Baden-Württemberg freut sich, die langjährige Kooperation mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels hier in Brüssel fortzusetzen“, so der neue Leiter Bodo Lehmann, der witzelte, dass er nach Ostern (als Leiter) wie aus dem Ei gesprungen sei. „Bis zum 25. Mai können Sie bei uns fern vom hektischen Alltag Bücher in aller Ruhe genießen“, fuhr er fort.
Diese Bücher, so Thomas Lindemann, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, seien eine kleine Auswahl dessen, womit die Buchbranche 2017 in Deutschland einen Umsatz von immerhin etwa 9,3 Milliarden Euro erzielt habe. „Aber wir verlieren Leser. Was von Zeitungen und Zeitschriften immer wieder zu hören ist, nämlich ein Leseverlust in Millionenhöhe, trifft auch voll die Buchbranche.“ Nur der Playboy habe um 10 Prozent zugelegt.
Traurige Tatsache ist, dass der Buchhandel in Deutschland zwischen 2012 und Mitte 2017 rund 7 Millionen Leser verloren hat, und sich dieser Trend fortsetzt.
„Die absolute Zahl an Buchabwanderungen liegt gar bei knapp 9 Millionen,“ so ein besorgter Lindemann.
Ein Buch – einmal pro Woche
Die Zahl der regelmäßigen Leser, die mindestens einmal pro Woche ein Buch lesen, sei ebenfall zurückgegangen, und zwar von 49 Prozent im Jahr 2002 auf 42 Prozent im Jahr 2017. Der größte Lese-Rückgang beträfe jedoch überproportional die junge und mittlere Altersgruppe und zwar unabhängig vom Bildungsniveau.
Dabei hätten sich die Anteile der jeweiligen Mediennutzung verschoben. Vor allem die Internetnutzung habe zugenommen, besonders in den jüngeren Zielgruppen. Während 90 Prozent der gesamten Bevölkerung das Internet nutzten, seien es bei den 14-29jährigen 100 Prozent.
Um die Motive der Buchabwanderer zu ergründen, führte der Börsenverein des deutschen Buchhandels getrennte Interviews nach Altersgruppen und Geschlecht durch. Zeitknappheit durch ein wachsendes Angebot an Freizeitaktivitäten, Aufmerksamkeitsdefizit durch „overload“ an Information, Verlust der Konzentrationsfähigkeit, wachsende Bedeutung von Videostreaming bezeichnete Lindemann als die Killerkrankheiten des Buchs. „Es ist gesellschaftsfähig, Serien zu gucken, statt Bücher zu lesen“, betonte er. Die gesellschaftliche Rolle des Bücherlesens werde schwächer, über Buchinhalte werde wenig gesprochen.
Trotz der problematischen Befunde ließ er auch Chancen für das Buch erkennen. Als Oasen der Entschleunigung, als Balsam für gestresste Seelen, als Medium, um dem Alltag zu entfliehen, sei das Buch von etlichen Befragten geschätzt worden. Und hier gelte es eine entsprechende Strategie zu entwickeln, um verlorene Leser und Buchkäufer wiederzugewinnen.
Lesemuffel-Strategie
Als eine besonders wirkungsvolle sowie effektvolle Strategie für Lesemuffel erwies sich anlässlich der Eröffnung der Buchwochen das coole sowie hochwertige Rahmenprogramm. Mit einem eigens für die Buchpräsentation konzipierten, sehr spritzigen „Revolver Revolutionen Räuberpistolen“-Programm luden die Künstler und Künstlerinnen der Akademie für das gesprochen Wort auf eine musikalisch-literarische Stippvisite durch die „Achtzigerjahre“ ein. Nicht zuletzt leitet sich von der „8“ das Wort „Achterbahn“ ab. Und wie in einer Achterbahn sausten die geladenen Gäste, darunter allerdings nur Leseratten, durch eine sensationelle Zeitreise mit schmissigen Songs wie „those were the days my friend“, bergauf und -ab, und landeten dann sanft wieder im (schönen baden-württembergischen) „Jetzt“ (Ambiente).
Bis zum 24. Mai lädt die Landesvertretung von Baden-Württemberg (Rue Belliard 60-62) zum ungestörten Blättern und Lesen in einer Fülle von Büchern ein. Ein optimaler Ort für literarische Highlights, – aber keine Verkaufsmesse.
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