Von Michael Stabenow.
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Belgien steigt in schwindelerregende Höhen – vorerst bleibt es jedoch bei den geltenden Beschränkungen. Darauf haben sich die Spitzen von Föderal- und Regionalregierungen am Donnerstag verständigt. “Wir stehen vor schwierigen Wochen”, sagte Premierminister Alexander De Croo nach der Sitzung des “Konzertierungsausschusses”. Der Regierungschef und der Leiter der Gesundheitsbehörde Sciensano, Steven Van Gucht, zeigten sich jedoch zuversichtlich, daß das Gesundheitssystem des Landes durch die inzwischen mit der Omikron-Variante angelaufene “fünften Welle” nicht überfordert werde.
Die Mitglieder des Ausschusses waren offenkundig bemüht, nach den entgegen den Empfehlungen des beratenden Expertengremiums (GEES/GEMS ) beschlossenen und nach einem öffentlichen Aufschrei wieder zurückgenommenen Beschränkungen für den Kulturbetrieb nicht wieder in die Schusslinie der Kritik zu geraten. Auffällig war jedoch, dass der Ausschuss dennoch zwei Empfehlungen der Experten nicht berücksichtigte: die Verpflichtung, an fünf statt derzeit vier Tagen in der Woche, wenn möglich, von zuhause aus zu arbeiten sowie die Auflage, dass Busse und Bahnen nur zur Hälfte besetzt sein dürfen.
Van Gucht gab einen detaillierten Überblick zur Ausbreitung der Omikron-Variante. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Infektionen beträgt demnach derzeit zwischen 80 und 90 Prozent. Die Zahl der täglich festgestellten Neuinfektionen hat sich binnen Wochenfrist um 82 Prozent von 6454 auf 11778 erhöht. Zuletzt seien fast jeweils 30000 Fälle festgestellt worden. Van Gucht äußerte die Erwartung, daß Mitte Januar der Höhepunkt der Welle der Neuinfektionen erreicht sein werde. Er nannte dafür jedoch eine Spanne zwischen 30000 und 125000 Fällen pro Tag.
Dennoch herrschte am Donnerstag in Brüssel Zuversicht, dass die Lage beherrschbar bleiben werde. Mittlerweile hätten fast 40 Prozent der Einwohner des Landes die besonders gut vor Infektionen und schweren Krankheitsverläufen schützende “Booster”-Impfung erhalten. In Brüssel seien dagegen erst 23,2 Prozent der Bewohner dreifach geimpft.
Positiv vermerkte Van Gucht zudem, daß die Omikron-Variante vergleichsweise weniger gefährlich als andere Mutanten sei. Allerdings forderte er eindringlich, die bestehenden Hygienevorschriften und sonstigen Vorkehrungen gegen Corona weiter zu beherzigen. Gebrechlichere Menschen rief er dazu auf, die besser gegen Infektionsrisiken schützenden FFPE2-Masken zu tragen, Das gelte auch generell für Bürger mit einem Hochrisikokontakt; dieser Personenkreis muss sich fortan, soweit geimpft, weder einem Test unterziehen noch in Quarantäne begeben. Van Gucht erinnerte jedoch daran, dass auch dreifach geimpfte Menschen nicht vollständig gegen mögliche Infektionen geschützt seien. Deshalb sollten sie auch nach Hochrisikokontakten auf Besuche von Gaststätten oder auch von anderen Personen zehn Tage lang möglichst verzichten.
Einen Höchststand bei der Belegung von Krankenhausbetten durch Corona-Patienten erwartet Van Gucht für das Monatsende. Derzeit sei mit 1882 Patienten, davon 470 auf Intensivstationen, der niedrigste Stand der abklingenden, durch die Delta-Variante verursachten vierten Welle erreicht. Nun zeigten die Zahlen wieder nach oben. De Croo zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass die jetzige Entscheidung, die Beschränkungen nicht zu verschärfen, angemessen sei. In der kommenden Woche soll der “Konzertierungsausschuss” eine weitere Bewertung der Lage vornehmen. Parallel dazu sollen auch die Vorarbeiten zu einem sogenannten Corona-Barometer vorangetrieben werden. Es soll künftig als Richtschnur für die bei einer möglichen Zuspitzung der Situationen zu treffenden staatlichen Maßnahmen dienen.
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