Von Gert Verhellen.
Treffen zwei Parteien eine Einigung zu einem bestimmten Thema und bringen diese zu Papier, kann es anschließend doch noch zu Streitereien kommen. Meist über Formalien, um so den Inhalt anzweifeln zu können und die Unwirksamkeit des Vertrages zu erreichen. Dem soll seit 2013 der von „Rechtsanwälten der Vertragsparteien mitunterschriebene Vertrag“ entgegenwirken können, genannt Rechtsanwaltsurkunde.
Der Gesetzesgeber verspricht sich von der Rechtsanwaltsurkunde eine größere Rechtssicherheit, dadurch das weniger Streitfälle über Formalien entfacht werden. Weil Rechtsanwälte, anders als Notare, keine ministeriellen Beamten sind, ist in jeder Hinsicht die Vertraulichkeit gewahrt. Den Mandanten wird eine ruhige und unbefangene Atmosphäre geboten, um jegliche, manchmal heikle, Situation in aller Objektivität zu besprechen. Unterdessen müssen Notare von Amtswegen auch Grundstücksverkehrs- und Schenkungssteuer eintreiben.
Nichts spricht dagegen, dass notariell zu beurkundende Verträge im Vorfeld bereits über eine Rechtsanwaltsurkunde abgefasst werden. Dadurch wird einerseits der notariellen Fassung vorgebaut und anderseits schafft dies unter Umständen mehr Sicherheit zwischen den Zeitpunkt der Unterschrift und der notariellen Beurkundung.
Unterschied zur notariellen Urkunde
Die Rechtsanwaltsurkunde ist aber, anders als bei einer notariellen Urkunde, Dritten gegenüber nicht wirksam. Das ist gleich auch der große Unterschied zur notariellen Beurkundung. Zwar hatte der Gesetzgeber zunächst erwogen, die Rechtsanwaltsurkunde über ein anschließendes Gerichtsverfahren vollstreckbar zu machen, dies ist schlussendlich jedoch nicht erfolgt.
Rechtsfolgen
Wenn die Rechtsanwälte der sich verpflichtenden Parteien diese Vereinbarung mitunterschreiben, gilt dies als Beweis dafür, dass die Parteien sich tatsächlich verpflichtet haben, das Datum der Vereinbarung korrekt ist und die Parteien mit dem Vertragsinhalt einverstanden sind. Die Beweiskraft von zwischen Privatparteien erstellten Schriftstücken wird dadurch verstärkt, da das Schriftstück selbst und die Unterschrift der Parteien bestätigt werden, d.h. dies später nicht mehr verneinbar ist. Während dies noch selbstverständlich erscheint, so ist besonders interessant, dass auch die Erben oder sonstige Rechthabenden die Vereinbarung später nicht mehr verneinen können.
Nehmen wir ein Beispiel: die Erben können nicht mehr bezweifeln, dass der Erblasser eine bestimmte Rechtshandlung gestellt hat (die ihren Interessen zuwider läuft), indem sie einfach behaupten: „das ist nicht seine Schrift“ oder „das ist nicht seine Unterschrift“. Daraufhin musste dann die andere Vertragspartei beweisen, dass es doch korrekt ist, z. B. durch Handschriftanalysen, die auf Kosten der letzteren Vertragspartei ginge.
Die Mitunterschrift der Rechtsanwälte bestätigt auch, dass derjenige, der die Rechtshandlung vollzogen hat, bei vollem Bewusstsein war. Nun kann auch diese Tatsache nicht mehr angezweifelt werden.
Anfechtung
Um eine unbeliebte Rechtshandlung, die in Form der Rechtsanwaltsurkunde abgefasst ist, anzufechten, kann nur das für Zivilsachen vorgesehene Fälschungsverfahren angestrebt werden, das im genannten Beispiel von den Erben selbst angefangen werden müsste.
Haftung der Rechtsanwälte
Und wie sieht es mit der Haftung der bestätigenden Rechtsanwälte aus? Die Rechtsanwälte müssen in der Rechtsanwaltsurkunde festhalten, dass die Parteien über die Rechtsfolgen letzterer belehrt wurden (Art. 3 des Gesetzes). Dies beinhaltet nicht unbedingt die Pflicht einer kompletten Belehrung, wie bei einer notariellen Beurkundung, aber es ist anzunehmen, dass mindestens auf die eingeschränkte Wirkung (im Vergleich zu einer notariellen Urkunde) hingewiesen wird.
Alle Rechtsanwälte der Vertragsparteien unterschreiben
Die Rechtsanwälte unterschreiben den Vertrag also, zusammen mit den Vertragsparteien (Art. 2 des Gesetzes). Es müssen so viele Rechtsanwälte sein, wie Parteien mit unterschiedlichen Interessen, die sich am Vertrag beteiligen. Wohlgemerkt, sind hier voneinander unabhängige Rechtsanwälte gemeint. Allerdings können die Rechtsanwälte nicht allein für ihre Mandanten unterschreiben: im Fall von zwei Vertragsparteien sind vier Unterschriften notwendig, damit die beabsichtigte Wirkung eintritt.
Mit der Unterschrift wird die Identität der Vertragsparteien durch die Rechtsanwälte bestätigt, Ausweiskopien müssen hinzugefügt und die Identität und Unterschrift kontrolliert werden. Die Anzahl der Originale muss im Vertrag erwähnt werden, außer wenn die Vorlage mit elektronischer Handschrift bestätigt wird (Art. 4 des Gesetzes).
Gert Verhellen ist Advocat/Rechtsanwalt in Brüssel
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