Gesundheit, Wirtschaft

Medizintechnologie in Belgien: Markt im Wachstum

Medizin1Die Gesundheitswirtschaft ist eine weltweite Wachstumsbranche. Überalterung der Bevölkerung, steigende Lebenserwartung und Anstieg chronischer Krankheiten kurbeln die Nachfrage nach Medizinprodukten an und verlangen nach innovativen Lösungen. Deloitte sagt der Branche weltweit ein jährliches Wachstum von 4,5% bis 2018 voraus. In Belgien sind ca. 350 Unternehmen mit 20.000 Mitarbeitern hervorragend aufgestellt für Produktion und Vertrieb von Medizinprodukten.

Laut Eucomed, dem europäischen Dachverband für Medizintechnik ist Europa weltweit führend in innovativer, sicherer Technologie für Patienten und Ärzte. Belgien gehört zwar zu den kleineren Mitgliedstaaten, ist aber Standort einiger world-player im Bereich der Medizinprodukte wie Baxter, Johnsons& Johnson oder Roche.

Unternehmenslandschaft von KMU geprägt

Die Medizintechnologie (MedTech) stellt Medizinprodukte wie Instrumente, Apparate, Software, Stoffe etc. her, die für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmt sind. In Belgien zählen rund 350 Unternehmen, davon 66% KMU, zu dieser Branche, laut Branchenverband Unamec. Der Trend von Medizintechnikunternehmen geht in Richtung Spezialisierung – also zu kleineren Betrieben, das stellte Deloitte in einer Studie zur globalen Gesundheitswirtschaft fest. Die Firmen werden dadurch flexibler und rentabler, da Investitionen in Forschung & Entwicklung (F&E) besser eingesetzt werden können. In Europa ist die MedTech-Branche zu 95% von KMU geprägt.

Starkes Wachstum für In-vitro-Diagnostik erwartet

Der Großteil der belgischen MedTech-Betriebe (77%) widmet sich dem Vertrieb. Rund 15% sind selbst Hersteller. Der Umsatz der Branche beträgt rund 3,2 Milliarden Euro. Über ein Drittel des Umsatzes wird mit medizinischer Ausrüstung erwirtschaftet, 31% mit Verbrauchsgütern wie Prothesen, Spritzen etc. Daraufhin folgen Implantate (18%) und die in-vitro Diagnostik mit einem Umsatz von 400 Millionen Euro. Die Wachstumsraten der einzelnen Sparten zeigen laut Unamec in der in-vitro Diagnostik ein jährliches Wachstum von rund 5,5%, nur der Markt für Implantate oder andere invasive Medizinprodukte aus Belgien wächst schneller (7%). Deloitte rechnet damit, dass in-vitro Diagnostik bis 2018 das größte Segment der MedTech-Branche sein wird.

Medizin4Neue Wachstumsmärkte liegen außerhalb Europas

Laut Eucomed, lag Belgien 2012 im EU-Ranking auf Platz drei der wichtigsten Exportländer für Medizintechnologie mit einem Volumen von rund acht Milliarden Euro. Der Großteil der Exporte geht an EU-Mitgliedsstaaten.

Der Industrie- und Technologieverband Agoria gründete im Februar 2013 einen Exportclub für MedTech-Betriebe (Medical Technology Club) mit dem Ziel, die einheimischen Zulieferer weltweit bekannt zu machen. „Unser Land geniest einen ausgezeichneten Ruf im Bereich der Gesundheitswirtschaft. Die Technologiebetriebe in dieser Branche wollen ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam Exportmärkte zu erschliessen“, sagt Peter Demuynck, Direktor für Internationale Beziehungen bei Agoria und AHK debelux Verwaltungsrat.

Rund 70 Betriebe haben sich dem Club bereits angeschlossen, darunter eHealth-Unternehmen aus dem IT-Bereich, Hersteller für medizinische Geräte, Implantate etc. In einer ersten Phase soll das Label „Made in Belgium“ große Gesundheitsversorger auf europäischer Ebene erreichen. Das Cluster organisiert für seine Mitglieder Unternehmerreisen und Messeteilnahmen in außereuropäischen Märkten.

Märkte wie China, Indien, Indonesien oder Russland sollen in Zukunft kräftiger wachsen als traditionelle Märkte wie Europa und USA, so Deloitte. Vor allem die kontinuierliche Sparpolitik der Staatshaushalte werde den europäischen Markt schwächen. Der Kostendruck auf die Gesundheitssysteme steigt. Das sei nicht allein ein europäisches Problem, so Henk Joos, Direktor des Clusters der Biotechnologie in Flandern, FlandersBio. Auch in neuen Märkten wie Indien steigt Kostenfaktor. Doch es gibt Grund zur Hoffnung: „Der technologische Fortschritt macht Medizinprodukte kosteneffizienter. Die freiwerdenden Mittel können somit neu eingesetzt werden.“

Technischer Fortschritt verringert Kosten

Medizin3Die fortschreitende Technik bringe außerdem eine Überschneidung der einzelnen Industriezweige mit sich. „Bis jetzt haben wir unterschieden zwischen Biotechnologie-Anwendungen und Medizintechnik-Anwendungen. Das wird Zukunft verschmelzen und die Industriezweige werden gemeinsame Angebote kreieren“, so Joos. Das bestätigt auch Laurence Timmermans, zuständig für den europäischen Markt beim wallonischen Cluster BioWin. „Die neue wallonische Regierung engagiert sich stark für die bessere Zusammenarbeit der Branchencluster unserer Region. Für die Medizintechnologie ist die Zusammenarbeit mit dem IT-Sektor besonders interessant.“ Gerade in der Diagnostik verlangen neue Innovationen nach IT-Lösungen zum Auslesen der ermittelten Patientendaten und der korrekten Darstellung für die behandelnden Ärzte, z. B. beim sogenannten „home testing“, das in der begleitenden Diagnostik, also für Nachkontrollen, ein neues Paradigma zu werden scheint.

Mehr Regulierung für mehr Sicherheit?

Innovationen wie „home testing“, bei dem der Patient von zu Hause aus seine Werte ermittelt, verlangen nach höchster Sicherheit im Umgang mit sensiblen Daten. Der gesamte Bereich der personalisierten Medizin stellt die Industrie vor neue Herausforderungen.

Die EU-Kommission lieferte 2012 einen Vorschlag zur Revision der Richtlinie für Gesundheitsprodukte. Im Herbst 2013 hat das Parlament den Text mit einigen Zusätzen angenommen. „Industrie, Patienten, Ärzte und Politiker sind sich einig, dass die derzeit gültigen Regulationen gründlich überprüft werden muss. Das Resultat sollte mehr Sicherheit bieten und dem Patienten den raschen Zugang zu Innovationen gewährleisten“, heisst es bei Eucomed. Derzeit ist Europa führend bei der Zugänglichkeit neuer Technologien. Unsere Gesundheitsversorger haben im Vergleich zu USA und Japan bis zu drei Jahren Vorsprung beim Zugang zu neuen Methoden und Geräten.

Industrie fordert: Zugänglichkeit zu neuen Medizinprodukten erhalten

Die Industrie nimmt den Vorschlag von Kommission und Parlament weitestgehend an, wünscht sich aber Verbesserungen, um Bürokratie einzudämmen. Momentan formulieren die Mitgliedstaaten im Rat der EU ihre Position. Alle drei Institutionen müssen sich auf eine Version einigen. Die Verhandlungen sollen voraussichtlich Ende dieses Jahres beginnen und in der zweiten Jahreshälfte 2015 abschließen, so Eucomed. „Mehr Regulationen treffen die Unternehmen hart“, so Frédéric Druck, Direktor für Internationale Beziehungen des wallonischen Clusters BioWin. „Wir haben es vor allem mit kleinen und mittelgroßen Betrieben zu tun, deren Budgets durch jeden notwendigen Test vor der Markteinführung mehr belasteten werden.“ Deloitte erwartet einen Anstieg der Regulationen nicht nur in Europa, sondern auch in den USA. Die Medizintechnologie in Europa hat ein enormes Innovationspotential – alle 50 Minuten wird ein neues Patent angemeldet.

Medizin2Mit Hilfe ihrer Produkte werden unzählige Informationen produziert, genutzt und interpretiert. Moderne Medizintechnologien können einen wichtigen Beitrag leisten, um die Versorgungsprozesse unserer Gesellschaften effizienter zu gestalten und die Versorgungsqualität zu verbessern. Von der Integrität, Vertrauenswürdigkeit und Erreichbarkeit der Medizinprodukte hängt viel ab.

Susann Zuber

Mit freundlicher Genehmigung aus dem debelux magazin.e übernommen

 

 

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