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Die Diskussion geht weiter: Ist Belgien ein „failed state“, ein gescheiterter Staat?

Von Gerard Cremer.

In diesem Sommer wird es genau 20 Jahre her sein, dass die Dutroux-Affäre aufflog. Nach der Verhaftung des Kindermörders Mitte August 1996 stand ganz Belgien unter Schock. Das Land und seine Institutionen – von der Politik über die Polizei bis zur Justiz – gerieten in Verruf. Zwei Jahrzehnte später hat Belgien immer noch kein gutes Image. Die Frage lautet jetzt sogar: Ist Belgien ein „failed state“, ein gescheiterter Staat?

Nach der Dutroux-Affäre vor 20 Jahren waren zunächst grundlegende Reformen angesagt. Erst einmal wurden Polizeiapparat und Justizwesen reformiert. Das Land schien allmählich wieder Oberwasser zu bekommen. 2010-2011 folgte jedoch die längste Regierungskrise aller Zeiten, welche Belgien international erneut in die negativen Schlagzeilen brachte.

Auch aus dieser Krise fand man schließlich einen Ausweg. Nach den Wahlen von Mai 2014 wurde sogar in relativ kurzer Zeit eine stabile Regierungsmehrheit gefunden.

Dann aber schlug der Terrorismus zu. Ausländische Journalisten zog es in Scharen nach Molenbeek, denn die Brüsseler Gemeinde war plötzlich die Hochburg des Dschihadismus. Und wenn Belgien im Ausland nicht als Land der Terroristen geächtet wurde, machte es wegen seiner maroden Kernkraftwerke in Tihange und Doel von sich reden.

Auch der Streik der Gefängniswärter zeigt, wie groß die Malaise in diesem Land ist.

Spötter meinen, nur ein Triumph der belgischen Fußball-Nationalmannschaft bei der bevorstehenden EM in Frankreich könne Belgiens Image wieder aufpolieren. Doch selbst daran gibt es immer mehr Zweifel. Skeptiker sagen, für die Roten Teufel wäre es schon mal ein Erfolg, wenn sie die schwere Vorrunde überstehen könnten.

„Es klingt hart, aber das Königreich im Herzen Europas ist ein ‚failed state‘ im Kleinformat, notdürftig zusammengehalten von der Liebe zum Königshaus und zur Fußball-Nationalmannschaft“, schrieb vor einigen Monaten das deutsche Magazin „Der Spiegel“.

Oliver Paasch im ZDF-Morgenmagazin.

Der Ministerpräsident der DG, Oliver Paasch (ProDG), verwahrte sich in einem vielbeachteten TV-Interview mit dem ZDF dagegen, dass wegen einzelner Missstände, die unbestreitbar seien, in den deutschen Medien „das ganze Land an den Pranger gestellt wird“. Doch die Diskussion, ob Belgien ein „failed state“ sei, ein gescheiterter Staat, wird mittlerweile sogar im Land selbst geführt. Das bedeutet, dass die Frage es zumindest wert ist, diskutiert zu werden.

Das „Laboratorium für Europa“, in dem dank des „belgischen Kompromisses“ viele sehr unterschiedliche Einzelteile wie bei einem Puzzle zusammengefügt werden, um ein sehens- und lebenswertes Ganzes zu ergeben, das war einmal. Das Belgien von heute ist nicht mehr das von früher. Vielleicht noch nicht gescheitert, aber auf dem Weg dorthin?

Gerard Cremer ist Belgier und Chefredakteur der Internetplattform www.ostbelgiendirekt.be. Dort ist dieser Diskussionsbeitrag zuerst erschienen.

Bereits veröffentlicht: http://www.belgieninfo.net/ein-lob-auf-belgien-das-unterschaetzte-land/

und http://www.belgieninfo.net/das-belgien-bashing-wird-jetzt-weitergehen/

sowie http://www.belgieninfo.net/dschihadisten-in-belgien-ein-zersplitterter-hilfloser-staat/

 

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