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Hilfe, ich suche eine Wohnung!

Capture d’écran 2014-06-22 à 18.58.48Wer in den belgischen Städten eine Wohnung sucht, sollte möglichst früh anfangen, sich zu orientieren. Es gibt alles für jeden Geschmack, aber: wirklich gute Objekte sind rar, die belgische Hausbauweise mit liebenswerten Sechsmeter-Fronten und 3-Zimmer-Hintereinander-Fluchten ist für Ausländer mehr als gewöhnungsbedürftig, und schließlich verderben die Eurokraten in Brüssel die Preise.

Die erste Frage lautet naturgemäß: wo will ich wohnen? Bleiben wir in Brüssel. Volksnah, pittoresk und multikulti, oft auch laut, geht es in Ixelles/Elsene, Saint-Gilles und dem höheren Teil der Stadtmitte zu. Dort kann man für eine Wohnung ziemlich viel Geld ausgeben, denn diese Viertel gelten als „in“, was man von der tiefer gelegenen Altstadt nicht sagen kann. Dort gibt es keine Parkplätze, dafür Lärm, Touristen und stickige Luft. Anderlecht, Molenbeek oder Jette – und wir entschuldigen uns bei allen, die dort gern wohnen – sind ebenfalls 2. Wahl, aber immerhin preiswert. Ein Muss für EU-Bedienstete und Lobbyisten, die zur Not auch einmal per pedes zur Arbeit kommen wollen, sind die Gemeinden Forest, Schaerbeek, Etterbeek oder Auderghem.

Wenn Wohnen keine Geldfrage ist, finden Naturliebhaber mit Auto im Osten oder im Süden das angemessene Heim. Dort, von Woluwé bis Uccle, kann man gut leben. Im flämischen Ring rund um die belgische Hauptstadt, also etwa in Tervueren, gibt es ebenfalls schöne und moderne Villen oder Appartements. Übrigens sind die Randstädtchen Ottignies und Braine l’Alleud wegen ihrer schnellen Zugverbindungen zur Brüsseler Innenstadt immer beliebter geworden.

Wer sich wiederum in Antwerpen umschaut, dem wird auffallen, dass das Zentrum “in” ist. Seit den 1990ern ziehen immer mehr Menschen zurück in die lange Zeit entvölkerte Innenstadt, dementsprechend wird gebaut und renoviert. Dies zieht inzwischen auch vermehrt Familien an. Dafür sorgen Großprojekte wie das ehemalige Militärhospital, das zu einem Appartementkomplex mit unterschiedlichsten Wohnvarianten mit viel Grün und Ruhe umgebaut wird, oder der Eilandje-Distrikt, der vollständig umgekrempelt wird. Antwerpen ist keine Hochpreis-Oase, obwohl ihre Einwohner es dafür halten – wenn sie nicht gerade in Zurenborg oder an den Scheldekais wohnen wollen. Studios und kleine Appartements lassen sich in guter Lage und preiswert finden. Generell gilt: ein großer Mix aus billig bis superteuer, alt und neu sowohl im Stadtzentrum, als auch in den Randbezirken, dazu im Moment eine gute Auswahl.

Wo was finden?

Aus der Ferne kann man schon einmal konkreter suchen, und zwar über die Webseiten von Immoweb und dem auflagenstarken Anzeigenblatt vlan.be. Weil viele Vermieter und Verkäufer ungern Provisionen an die Agenturen löhnen, ist es empfehlenswert, auch bei der Website pap.be (“de particulier à particulier”- von privat zu privat) vorbeizuschauen. Studis und Praktikanten sollten sich in der deutschsprachigen Yahoo-Group praktbxl einschreiben und dort auf Angebote für Mietobjekte auf Wochen- und Monatsbasis achten. Auch wer länger in einer Studentenbude verweilen will, kann dort fündig werden. Schließlich gibt es in der Printausgabe des englischsprachigen Bulletin immer wieder interessante Immobilienannoncen. Für alle Interessenten gilt: ein langer Spaziergang durch die Straßen ist nicht zu ersetzen, wenn man etwas Spezielles, Schönes, oder auch nur brauchbar Billiges sucht. Oft gibt es kleine Zettel an den Haustüren, die auf Vermietungen hinweisen und einem helfen, Kosten für Immobilienmakler zu vermeiden.

Das Immo-Wörterbuch

Man sollte Französisch oder Niederländisch wenigstens mit dem Wörterbuch in der Hand beherrschen, um in den Anzeigen das Richtige zu finden. Und sich vor allem nicht von vollmundigen Beschreibungen beeindrucken lassen. Ein „Maison de Maître“ ist im Prinzip ein schönes herrschaftliches Stadthaus mit Stuckdecken und offenen Kaminen, nur leider besitzt es oft beim näheren Hinsehen eine schmale Front, viele Innentreppen und ganz unvorteilhaft geschnittene kleine Appartements mit einem Fitnessclub in der „Belle Etage“. Die Kamine sind dann zugemauert, aber noch immer mit der spektakulären Marmorummantelung versehen, die es verhindert, dass man sein Ikea-Regal irgendwo unterbringen kann. Überhaupt die Treppen! Einen billigen Traumblick über Brüssels Dächer genießt nur der, der seine Einkäufe und sich selbst täglich mit Bergsteigerenergie nach oben schleppt. Jedenfalls meistens.

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Weitere wichtige Begriffe aus der Anzeigenwelt für Immobilien: „Duplex“ und „Triplex“ sind Appartements auf mehreren Stockwerken mit (Wendel-) Innentreppen, die meist dem engen Bau geschuldet sind, aber für sportliche Menschen reizvoll sein können. „3 pièces en enfilade“ sind drei hintereinander liegende (Wohn-) Zimmer, deren eines zur Straße geht, das mittlere ohne Licht nicht auskommt und das dritte nach hinten guckt, im besten Fall auf einen grünen Garten oder ein Stadtpanorama. „Cuisine américaine hyper équipée“ bedeutet Küche mit Spülmaschine, die auch älter sein kann. „Excellent état“ ist die Steigerungsform von „bon état“ und bedeutet, dass die Verfassung der Wohnung jedenfalls nicht den Grad „1ère occupation“ erreicht, was vollrenoviert bedeutet, sich aber nicht auf ein neues Objekt beziehen muss. „A remettre au goût du jour“ („wieder dem Tagesgeschmack anpassen“) heißt abgetreten und erneuerungsbedürftig, schlimmer ist nur „à renover“. „Coup de Coeur“ ist dann, wenn das Herz höher schlägt, vielfach zuerst beim Immobilienmakler, wenn der den Ladenhüter endlich los wird. Allerdings findet man unter solchen Schlagworten auch mal wirklich die Jugendstil-Bleibe, die man immer finden wollte. Verlass ist also auf nichts, selber gucken Pflicht.

Capture d’écran 2014-06-22 à 18.55.51Möbliert oder nicht möbliert? Wer Möbel mitbringen will, sollte sich vergewissern, dass sie auch in die neue Wohnung hineinkommen. Das ist manchmal sogar mit den Möbelliften vom Straßenrand aus nicht möglich, weil die Fenster zu klein sind. Vorbeugen, nachmessen!
Ein Mietvertrag ist empfehlenswert

Welche Kosten sind im Mietpreis enthalten? Oft gibt es preiswerte Angebote, zu denen alle möglichen Kosten zwischen Fahrstuhl, Heizung und Fernsehanschluss hinzukommen, das kann sich ganz schön stapeln. Oder eben auch nicht. Eine Rolle spielt auch die Kaution und wie man sie wieder zurück bekommt. In allen Fällen sind schriftliche Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter zu empfehlen, im üblichen Fall ein Mietvertrag. Bevor man ihn unterzeichnet, kann man den Zustand der Immobilie („état des lieux“) begutachten lassen, das verhindert, später einmal ungerechtfertigt zur Schadensbeseitigung herangezogen zu werden.

Mieten oder kaufen?

Wer genug Geld hat, sollte sich überlegen, ob ein Haus- oder Wohnungskauf in Belgien lohnen könnte. Der Mehrwertsteuersatz für Neubauten ist gerade auf 6 Prozent gesenkt worden. Und wer kein oder wenig Geld hat: Kredite vergeben die Banken gern und inzwischen zu sehr günstigen Konditionen. Mal nachfragen und scharf rechnen. Ein Immobilienkauf kann aktuell nur wenig teurer werden als die Mietzahlung, aber dafür bekommt man eben ein schnuckeliges Eigenheim, das man in den nächsten 30 Jahren abstottern kann. Oder auch schneller.

 

Autor: Rudolf Wagner

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