Von Sibylle Schavoir
Vor 125 Jahren, am 17. Juli 1894 wurde Georges Lemaitre, Theologe, katholischer Priester und Astrophysiker in Charleroi geboren. Er war einer der führenden Wissenschaftler seiner Zeit und gilt als Begründer der Urknalltheorie. Er hatte engen Kontakt zu Forschern und Wissenschaftlern wie Edwin Hubble und Albert Einstein. Die erste Veröffentlichung von Lemaitre über die Expansion des Universums erschien in einer wenig bekannten Fachzeitschrift, zwei Jahre früher als die Arbeiten Edwin Hubbles.
Hubbles Arbeiten wurden aber in einer bekannten anglo-amerikanischen Zeitschrift veröffentlicht, woraufhin Hubble das Konzept von der Expansion des Universums zugeschrieben wurde. Lemaitre in seiner ihm eigenen Bescheidenheit beliess es dabei, Hubble jedoch klärte die Wissenschaft später über die Tatsachen auf. Lemaitre entwickelte und verfolgte einen Gedanken, der uns bei oberflächlichem Hinschauen befremdlich vorkommt. Er sah keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und Glaube, denn er trennte die Kategorie der „Physik“ klar von jener der „Metaphysik“. Er hat die Ideen nicht nur postuliert und beschrieben, er hat sie gelebt. Er war überzeugter Wissenschaftler und ebenso überzeugter Priester.
Theologie und Naturwissenschaften, geht das zusammen?
Lemaitre hat es bewiesen: er ging die zwei Wege, indem er Glaubensdinge und wissenschaftliche Erkenntnis trennte. Schon in jungen Jahren wollte Lemaitre Priester und Wissenschaftler werden. In eine wohlhabende Familie hineingeboren, entdeckten die Eltern früh die ausserordentliche Begabung ihres Sohnes, die sie förderten. Als 17jähriger wechselte er von der Jesuitenschule zur Katholischen Universität Löwen. Dann kam der erste Weltkrieg, in welchem Lemaitre als Freiwilliger in einer Artillerieeinheit der belgischen Armee kämpfte. Nach dem Krieg setzte er seine Studien in Löwen fort, wechselte jedoch vom Fach Technik zu Physik und Mathematik. Durch Kriegserlebnisse geleitet, schrieb er sich zusätzlich im Priesterseminar der Erzdiözese Mechelen ein. 1923 wurde er zum Priester geweiht und übernahm zwei Jahre später an der Universität Löwen eine Teilzeitprofessur.
Lemaitre beschäftigte sich auch mit der Frage nach der Vereinbarkeit von katholischer Schöpfungslehre und wissenschaftlicher Urknalltheorie. Für die Kirchen waren solche Gedanken durchaus akzeptabel. So wurde Lemaitre in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften berufen und wurde 20 Jahre später deren Präsident.
Der „verborgene Gott“
Für Lemaitre gibt es den „verborgenen Gott“. Gott verbirgt sich hinter der Schöpfung, er ist ein verborgener Gott, er übersteigt die menschlichen Erkenntnissmöglichkeiten. „Fürwahr Du bist ein verborgener Gott“, heisst es schon bei Jesaja (45;15). Das ist ein Motiv, das sich bei Lemaitre immer wieder findet. Wozu folgendes Zitat aus Shakespeares Hamlet passt: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und auf Erden, als unsere Schulweisheit uns träumen läßt.
Ja, ohne jeden Zweifel Lemaitre war ein sehr begabter Mensch !