Für den diesjährigen Lehrstuhl von Citydev und dem BSI (Brussels Studies Institute) wurde die Wienerin Eva Kain eingeladen.
Von Madeline Lutjeharms
Zwei Institutionen, die sich aus unterschiedlichen Perspekiven mit der Entwicklung der Brüsseler Region beschäftigen, organisieren zum sechsten Mal gemeinsam einen jährlichen “Interuniversitären Lehrstuhl”, für den ein/e ReferentIn aus dem Ausland eingeladen wird. Ziel ist es, aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen neue Anregungen zu erhalten.
Bei “citydev.brussels” handelt es sich um eine öffentliche Institution, die Stadtplanung fördert. Dafür verfügt sie über interessante Räumlichkeiten, die günstig angeboten werden können, um die Wirtschaftsentwicklung der Brüsseler Region zu unterstützen. Die Organisation verfügt über Neubauwohnungen, die sie Personen mit einem Durchschnittseinkommen dank der Subventionen zu einem niedrigen Preis anbieten kann. Zudem entwickelt sie größere Projekte, nicht zuletzt um Stadtviertel zu renovieren.
Das BSI, in dem sich die in Brüssel vertretenen Universitäten zusammengeschlossen haben, unterstützt und initiiert Forschung über die Brüsseler Region. Es arbeitet multidisziplinär, um die komplexe Brüsseler Realität besser zu verstehen und versucht, die Forschungsergebnisse auch einem breiteren Publikum zu vermitteln.
Der interuniversitäre Lehrstuhl beginnt mit einer Antrittsrede vor großem Publikum und umfasst vier Unterrichtseinheiten. Darüberhinaus werden noch 2 Arbeitsgruppen für SpezialistInnen angeboten, in denen die neuen Erkenntnisse auf Brüssel angewendet werden sollen.
In diesem Jahr wurde Eva Kain mit dem Lehrstuhl betraut. Sie ist eine international anerkannte Urbanistin, die beim Wiener “Kompetenzzentrum übergeordnete Stadtplanung, Smart City Strategie, Partizipation, Gender Planung” arbeitet. Die Antrittsrede fand am 29. März in der Universitätsstiftung statt. Die Unterrichtseinheiten werden diesmal online stattfinden.
Bei Gender denkt man natürlich unweigerlich an Frau/Mann. Der Begriff wird hier aber viel breiter gefasst (“gender plus”), auch wenn dieser Ansatz in der zweiten feministischen Welle entstanden ist. Auch Alter, soziale Schicht und weitere zielgruppenbedingte Kriterien (was braucht die Zielgruppe, wie werden sie den öffentlichen Raum benutzen?) sollen berücksichtigt werden. Die Bedürfnisse können sehr widersprüchlich sein und sich altersbedingt im Laufe der Zeit ändern. Bei Parkanlagen für Kleinkinder oder alte Menschen sind viele kleine Anlagen in der Nähe günstig, für größere Kinder ist die Größe der Anlage wichtiger als die Entfernung. Der öffentliche Raum im Wohnviertel ist wichtig für Menschen, die über wenig Wohnraum verfügen. Dies gilt viel weniger für die Personen, die am Wochende zu ihrem Haus im Grünen fahren können. Zu Aspekten wie die Planung der Beleuchtung oder der Sitzgelegenheiten sollen die künftigen BenutzerInnen ebenfalls befragt werden.
Früher stand der “white middle class male” im Mittelpunkt, weil nur diese Kategorie in den Ausschüssen vertreten war. Das hat sich inzwischen wenigstens teilweise geändert. Eine schwierige Frage ist: Wer darf letztendlich entscheiden? Die BürgerInnen oder die PlanerInnen? Sind Letztere bereit, gegebenenfalls ihre schönen Pläne aufzugeben?
In ihrem auf Englisch gehaltenen Vortrag hat Kain viele bebilderte Beispiele angeführt.
Das Programm für die Unterrichtseinheiten findet sich unter diesem Link: www.bsi.brussels (am 19., 20., 26. und 28. April). Um Anmeldung wird gebeten.
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